Schulen - Für Bildungsbürgermeister Dirk Grunert sind mobile Luftreiniger kein Allheilmittel in der Pandemiebekämpfung. Es brauche ein Bündel an Maßnahmen

Mannheims Bildungsbürgermeister: Lüften, testen, impfen

Von 
Stefanie Ball
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© Andreas Henn

Mannheim. Für Bildungsbürgermeister Dirk Grunert sind mobile Luftreiniger kein Allheilmittel in der Pandemiebekämpfung. Es brauche ein Bündel an Maßnahmen. 

Wenn nach den Sommerferien im September die Schulen wieder losgehen, werden viele Kinder weiter ungeimpft in den Klassenräumen sitzen. Gleichzeitig wird die ansteckendere Delta-Variante des Coronavirus das Pandemiegeschehen dominieren. Eine Teil-Lösung stellen mobile Luftreinigungsanlagen dar. Bildungsbürgermeister Dirk Grunert (Grüne) betont aber: „Filtergeräte ersetzen das Lüften nicht!“

Dirk Grunert

  • Dirk Grunert (Grüne) ist seit November 2019 Bürgermeister für Bildung, Jugend und Gesundheit der Stadt Mannheim. Er ist Nachfolger von Ulrike Freundlieb (SPD).
  • Davor saß der gebürtige Niedersachse zehn Jahre lang für die Grünen im Gemeinderat, fünf Jahre davon als Fraktionsvorsitzender, zuletzt gemeinsam als Doppelspitze mit Melis Sekmen.
  • Der 43-Jährige hat in Mannheim Betriebswirtschaftslehre studiert. Anschließend arbeitete er als Berufsschullehrer am Berufsbildungswerk Neckargemünd

Herr Grunert, das Land Baden-Württemberg will die Anschaffung von Luftreinigungs-geräten mit bis zu 60 Millionen Euro bezuschussen. Werden auch in Mannheims Schulen demnächst solche mobilen Geräte stehen?

Dirk Grunert: Auf jeden Fall, aber nicht in jedem Klassenraum. Die Stadtverwaltung schlägt dem Bildungsausschuss des Gemeinderates, der am 15. Juli tagt, vor, Mittel für die Anschaffung von mobilen Luftfiltern bereitzustellen, und zwar für Klassenräume, bei denen keine Möglichkeit besteht, zu lüften beziehungsweise das Lüften nur eingeschränkt möglich ist. Das trifft in Mannheim auf etwa ein Prozent der rund 2000 Unterrichtsräume zu. Das Förderprogramm des Landes sieht nach unseren Informationen dasselbe Kriterium vor – was auch sinnvoll ist.

Das heißt, in den übrigen Klassenräumen wird weiter übers Fenster gelüftet?

Grunert: Darauf werden wir nicht verzichten können, und dies gilt unabhängig davon, ob ein Luftfilter in einem Raum steht oder nicht. Alle seriösen Studien zeigen, dass selbst die beste Filteranlage die Zufuhr von Frischluft über die Fenster nicht ersetzt.

Das Frieren geht also weiter – wie schon im vergangenen Winter?

Grunert: Lüften bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Schülerinnen und Schüler frieren müssen. Ein dauerhaft gekipptes Fenster ist nicht sinnvoll. Bei richtigem Lüftungsrhythmus – alle 20 Minuten fünf Minuten Stoßlüften – sinkt die Raumtemperatur, wenn überhaupt, nur geringfügig. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung in Stuttgarter Schulen, die in der kommenden Woche offiziell vorgestellt wird. Das Einzige, was umfassend schützt und Lüften ersetzt, sind raumlufttechnische Anlagen.

Für die gibt es ja sogar Zuschüsse aus einer eigens zu diesem Zweck aufgelegten Bundesförderung. Wird die Stadt Mittel daraus beantragen?

Grunert: Das Problem an diesen stationären Anlagen ist, dass damit umfangreiche Baumaßnahmen einhergehen. Diese Anlagen können nicht kurzfristig in die Klassenräume eingebaut werden. Das heißt, neue Schulen oder Gebäude, die renoviert werden, werden solche RLT-Anlagen bekommen. So ist es auch als Vorgabe in den baufachlichen Standards für Schulen vorgesehen. Aber das ist nicht in wenigen Wochen im Sommer möglich.

Wo sind aktuell solche RLT-Anlagen geplant?

Grunert: In der Schillerschule, auf Spinelli und Franklin.

Und wie viele Schulen haben bereits solche raumluft-technischen Anlagen?

Grunert: Derzeit sind 13 Mannheimer Schulen – circa 15 Prozent aller Schulen – mit raumlufttechnischen Anlagen in den Unterrichtsräumen ausgestattet. Dazu kommen weitere Schulen, die teilausgestattet sind. Diese verfügen über RLT-Anlagen in Fachräumen wie Chemie- oder Biologieräumen sowie Mensen und Turnhallen.

Was ist mit Kindertagesstätten?

Grunert: In den Kitas sind die Kinder eng und ohne Maske zusammen. Da funktioniert es nicht, solche Geräte aufzustellen, die noch dazu eine zusätzliche Gefahrenquelle darstellen können. Regelmäßiges Lüften wird auch dort also unerlässlich sein, und die Rückmeldungen von den Erzieherinnen und Erziehern aus dem vergangenen Herbst und Winter dazu waren positiv.

Ganz unumstritten sind die mobilen Luftreiniger nicht, nicht alle Modelle eignen sich, um die Infektionsgefahr zu senken. Auf welche Geräte setzt die Stadt Mannheim?

Grunert: In der Tat erfüllt ein Großteil der Geräte die Bedingungen nicht. Wir haben den Markt bereits sondiert und zwei Anbieter gefunden. Kostenpunkt: etwa 5000 Euro pro Gerät. Das Wort „mobil“ ist dabei relativ, die Anlagen wiegen rund 200 Kilogramm.

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Das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz hat eine Lüftungsanlage konstruiert, die zu 90 Prozent wirken soll, und alles, was man dazu braucht, sind ein paar Materialien aus dem Baumarkt. Wäre das keine Alternative?

Grunert: Vor solchen selbst gebastelten Geräte raten wir dringend ab. Eine Schule kann einen solchen Filter im Rahmen eines Technikprojektes bauen, aber einen breiten Einsatz empfehlen wir aus Gründen des Brandschutzes, Unfallschutzes sowie des Gesundheitsschutzes nicht!

Wird es denn überhaupt genug mobile Luftfilter auf dem Markt geben?

Grunert: Wir gehen davon aus, dass es für die von uns benötigte Menge reicht. Eine Vollausstattung aller Schulen in Deutschland dagegen wäre absolut unrealistisch. Spätestens im Herbst sollten alle Räume in Mannheimer Schulen, in denen sonst nicht ausreichend gelüftet werden kann, ein mobiles Luftreinigungsgerät haben.

Wie schätzen Sie die Lage ein – wird es eine vierte Welle nach den Sommerferien geben?

Grunert: Die Infektionszahlen werden voraussichtlich steigen, ob so rasant wie in den Wellen zuvor, halte ich für offen. Vieles wird vom weiteren Impf-Fortschritt abhängen.

Die Ständige Impfkommission, Stiko, hält sich mit einer Impf-empfehlung für Kinder und Jugendliche zurück. Würden Sie Eltern empfehlen, ihre Kinder, auch unter 17-jährige, impfen zu lassen?

Grunert: Die Stiko argumentiert, dass ein Verlauf der Infektion bei Kindern meist so mild ist, dass dies eine Impfung nicht rechtfertigt. Nach dieser Logik ginge es bei der Impfung dann eher um die allgemeine Pandemiebekämpfung und weniger um den individuellen Schutz. Ich würde eindeutig für eine Impfung von unter 17-Jährigen plädieren, nach Rücksprache mit dem jeweiligen Kinderarzt oder Hausarzt. Viele Ärzte in Mannheim machen das ja auch schon.

Das Lüften bleibt weiter ein Thema nach den Sommer-ferien – die Masken und das Testen auch?

Grunert: Wir müssen die Entwicklung im Herbst abwarten. Schnelltests bleiben aber ganz sicher essenzieller Baustein des Infektionsschutzes, und es kann sein, dass wieder Masken – wobei medizinische Masken ausreichend sind – im Unterricht getragen werden müssen. Ziel muss in jedem Fall sein, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten. Deshalb müssen wir versuchen, die Infektionszahlen möglichst niedrig zu halten und die Infektionsketten schnell zu durchbrechen.

Freie Autorin

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