Zwei sonnengelbe Reifen à 20 Zoll, türkis-farbener Rahmen, rot-weiß karierter Sattelschoner und das wichtigste – ein Fuchsschwanz. Wer Anfang September in den Alpen unterwegs war, muss nicht schlecht gestaunt haben, als eine Radfahrerin auf einem höchst ungewöhnlichen Alpen-Gefährt um die Ecke biegt. Es handelt sich um die Mannheimerin Carolin Bleisteiner, die sich auf ihrem Klappfahrrad einer ganz besonderen Herausforderung stellt.
2017 entdeckt sie dank Mannheimer Freunden ihre Liebe für die kleinen Räder. „Wir haben zusammen Urlaub im Allgäu gemacht. Dort haben sie mir von einem Klappradrennen in der Pfalz erzählt und dass das genau mein Ding wäre“, erinnert sich Bleisteiner. Sie informiert sich weiter, fängt Feuer und kauft ihr erstes eigenes Klappi. Seit dem ersten Cup ist ihr eine ganz besondere Idee immer im Hinterkopf präsent: eine TransAlp-Tour, also eine Alpenüberquerung, mit dem Klapprad.
Strecke ohne Schilder
„Natürlich muss man für so etwas ein bisschen ‚beklappt’ sein“, lächelt Bleisteiner. Und es soll nicht irgendeine Route sein. „In Oberstdorf im Allgäu habe ich 2017 einen Freund kennengelernt, der die Heckmair-Route mit dem Mountainbike gefahren ist“, erzählt sie. „Und weil das Training in diesem Gelände schon gut geklappt hat, habe ich mir gedacht: Warum nicht diesen TransAlp mit dem Klapprad versuchen?“ Dass sie damit einen Rekord aufstellt, war Bleisteiner von Anfang an bewusst. Denn schon mit dem Mountainbike, für das die Strecke eigentlich ausgelegt ist, hat es die Alpencross-Route in sich. Die besondere Herausforderung: Die Strecke ist nicht ausgeschildert. 1989 hat Mountainbike-Pionier Andi Heckmair, Namensgeber der Tour, die Strecke erschlossen. Und sie hat es in sich: Von Oberstdorf in Bayern geht es von Deutschland aus durch Österreich und die Schweiz bis nach Riva del Garda in Italien. Überwunden wird eine Höhendifferenz von 11 672 Metern und insgesamt gute 357 Kilometer – und das abseits der bekannten Straßenpässe. Zum Vergleich: Damit hätte man knapp vier Mal die Zugspitze erradelt, die mit 2962 Metern Deutschlands höchster Berg ist.
„Ich will irgendwo auch Pionierarbeit leisten und es mit dem Klapprad ‚auf die Spitze treiben’“, lacht Bleisteiner. Bis es aber von ihrer Idee im Sommer 2017 zur tatsächlichen Umsetzung kommt, dauert es noch etwas.“Aber wenn ich mir einmal etwas in den Kopf gesetzt habe, dann ziehe ich es auch durch“, lächelt sie. Und so fährt sie am 2. September dieses Jahres los – zehn Kilo Gepäck auf dem 20-Zoll-Rad, das jetzt BMX-Reifen, bergtauglich umgebaute Bremsen und ein sogenanntes „Bergritzel“ hat, das für einen leichteren Tritt sorgt. „Eine meiner Trainingsrouten war die Himmelsleiter in Heidelberg“, erzählt Bleisteiner. „Da ist mir aufgefallen, dass ich für die Tragepassagen der Route unbedingt einen Tragegurt am Klappi brauche.“ Die Maßnahme zahlt sich aus: „Beim vorletzten Part auf dem Passo di Campo musste ich das Klappi vier Stunden hoch und vier Stunden wieder runter tragen.“ Für die Navigation setzt Bleisteiner auf zwei Handys und einen DINA4-Ausdruck der Strecke. „Einmal hätte ich mich beinahe verfahren, bin aber intuitiv zurückgelaufen“, lacht sie.
Auge in Auge mit Murmeltieren
Atemberaubende Landschaften und technisch schwierige Abhänge – die Marathonläuferin, Snowboarderin und Radlerin kommt voll auf ihre Kosten. Besonders schön findet sie, dass sie streckenweise sogar eine Reisebegleitung hat. „Der Fotograf Stefan Lindauer hat mich in Deutschland ein Stück begleitet, und in der Schweiz ist ein Lauffreund von mir dazugestoßen – allerdings mit Mountainbike!“, lacht sie. Dieser Tag sei der witzigste gewesen. „Wir haben so viel gelacht, dass uns das von den Strapazen abgelenkt hat.“ Eine körperliche Herausforderung ist eine solche Tour dennoch. Bleisteiner gibt zu: „Das Ganze war ein großes Risiko, man braucht viel Technik für die Strecke. Vieles habe ich im Vorfeld meinem Umfeld gegenüber nicht kommuniziert, sonst hätte man mich wahrscheinlich gar nicht fahren lassen.“
Für sie geht Anfang September ein Traum in Erfüllung. „Jeder Tag hatte wortwörtlich seine Höhen und Tiefen. Am Chachaunapass gab es einen langen, einsamen Aufstieg, aber das Wetter war wunderschön, und ich habe sogar Murmeltiere gesehen. Am Gipfel war ich so überwältigt, dass mir sogar Freudentränen kamen“, erinnert sie sich. Als Frau mit Klapprad alleine über die Alpen – noch während ihres Trips habe es diverse Skeptiker gegeben, die ihr die Herausforderung nicht zutrauten. Aber: „Ich hatte diesen Plan und habe ihn umgesetzt.“ Bleisteiner möchte mit ihrer Tour eine Botschaft senden: „Oft redet man davon, was man gerne tun würde. Aber man muss es einfach machen.“
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