Mannheimerin am Sarg der Queen

Mannheimerin am Sarg der Queen: Fünf Sekunden Stille in Westminster Hall

Wie sich die Mannheimerin Christa Kalker von der Queen verabschiedete und wenige Stunden später zufällig in die Generalprobe für die Beisetzung geriet

Von 
Angela Boll
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Die „glitzernde Krone“ und die „faszinierenden Insignien“ auf dem Sarg der Queen in Westminster Hall in London. © dpa

So richtig glauben kann es Christa Kalker immer noch nicht. Die Studentin aus der Gartenstadt hat es tatsächlich geschafft, sich in London in der Westminster Hall am Sarg von Queen Elizabeth II., von der, wie sie selbst sagt, „berühmtesten und faszinierendste Frau der Welt“ zu verabschieden. Doch die Geschichte dieses London-Trips hat nicht nur diesen einen, etwa fünf Sekunden langen Höhepunkt, sondern noch weitere royale Überraschungen, die nicht geplant waren.

Es lohnt sich also, mit der 25-Jährigen noch einmal auf die Reise zu gehen, beginnend am Donnerstag, 8. September, als Christa Kalker über Instagram erfuhr, dass der Gesundheitszustand der Queen besorgniserregend sein soll. „In dem Moment dachte ich sofort daran, nach London zu fliegen“, erzählt Kalker. Die BWL-Studentin liebt die britischen Royals, verfolgt intensiv deren Geschichten, tauchte spätestens durch die Netflix-Serie „The Crown“ in das Leben der Windsors ein. Schon 2015 war sie auf den Spuren der Queen unterwegs und scheute nicht die Menschenmassen beim majestätischen Besuch in Frankfurt. „Immerhin von weitem konnte ich sie damals sehen“, erzählt sie, „und ihr winken“.

Pünktlich zur Aufbahrung

Aber zurück zu besagtem Donnerstag. Die Idee für den London-Besuch war kaum geboren, da erfuhr Christa Kalker beim Autofahren übers Radio vom Tod der Queen. Und während die Welt in eine Art kollektive Schockstarre verfiel, raste Christa Walker nach Hause, um zielstrebig ein Angebot einer Billigflugairline zu erhaschen. Immer den zehntägigen Trauerablauf für die Queen im Kopf, plante sie, zur Aufbahrung in London sein zu müssen. Am sechsten Tag nach dem Tod der Queen, 14.22 Uhr, so stand es geschrieben, sollte sich der Trauerzug mit dem Sarg der Queen vom Buckingham Palace zur Westminster Hall in Bewegung setzen. Das war Kalkers D-Day. 14. September, Ankunft in London kurz nach 11 Uhr, 26 Euro. Perfekt. Ein letzter Klick – damit war der Hinflug gebucht. „Mit der Planung von Rückweg oder Übernachtung habe ich mich nicht aufgehalten“, erwähnt Kalker nebenbei.

Generalprobe nachts um 4 Uhr: Die Matrosen im Gleichschritt. © Christa Kalker

Dafür denkt sie an alles andere. Sie weiß genau, dass sie sich beschränken muss. „Handtaschen durften nicht größer sein als 40x30x20 Zentimeter, um in die Westminster Hall zu kommen“, das hatte Kalker nachgeschaut. Mini-Wechsel-Outfit, Handy, wenige Hygieneartikel – damit setzte sie sich am Mittwochmorgen in den Flieger. Mit Brezeln, Keksen und Wasser deckte sie sich dann am Hauptbahnhof in London ein, „denn mir war klar, dass ich stundenlang, vermutlich über Nacht in der Schlage würde warten müssen.“ Während weltweit die Trauerprozession zur Westminster Hall übertragen wurde, versuchte sie noch, über die Seitenstraßen sich einen Platz im Publikum zu sichern, aber „keine Chance, alles war abgesperrt“. An der Westminster Hall angekommen, erkannte sie dann schnell das Ausmaß der bereits wartenden Menge. Zwei bis drei Kilometer weit musste Christa Kalker marschieren, um sich erstmal am Ende der Schlange anzustellen – und zwar mit der Startnummer 4567.

Mit der Nummer 4567 reiht sich Christa Kalker vor Westminster Hall ein. © Christa Kalker

Mit Armband markiert konnte sie so auf die Toilette und wieder zurück auf ihre Position. „Das ging alles viel schneller, als ich dachte“, berichtet Kalker, Nach knapp sechs Stunden musste sie am Eingang der Westminster Hall Kekse und Brezlen abgeben (keine Lebensmittel!), wurde durchleuchtet und musste sogar ihre Cremedose zurücklassen („krasser als am Flughafen“), dann ging’s die Stufen hoch, noch einmal um die Ecke und dort stand er: der Sarg der Queen. „Komplette Stille“, habe geherrscht, „alle waren andächtig.“ Etwa fünf Sekunden lang stand Christa Kalker in dem überwältigenden Saal allein vor dem Sarg und „es war traurig und dennoch ein schöner Moment“. Sie versuchte, alle Bilder „wie aufzusaugen“, zum Beispiel „die Krone, die so wahnsinnig geglitzert hat, aber auch die faszinierenden Insignien und die acht Wachsoldaten, die sich nicht rührten“. Rückwärts lief sie dann zum Ausgang, schaute noch mal alles an und man ließ ihr geduldig diesen Moment. Dann war’s vorbei.

Überraschende Showeinlage

Kalker stiefelte nun beseelt durch die Nacht zum Pub. Sie aß, trank, und buchte den Heimflug für den nächsten Morgen – dachte bei sich, „schau ich doch noch mal am Buckingham Palace vorbei“. Nachts um vier. Und so lief sie ahnungslos mitten in die Generalprobe für die Beisetzung der Queen, das größte Staatsbegräbnis unserer Zeit. „Mir war sofort klar, was da los ist, ich habe die Matrosen gesehen, die den Fake-Sarg gezogen haben, aber auch die Platzhalter für die Royals. In erster Reihe drei Männer und eine Frau – die Kinder der Queen.“ Beste Unterhaltung für die Royalistin, die mit dieser Showeinlage – und so darf man es mit allem Respekt bei dem Schauspieleinsatz wohl nennen – nicht gerechnet hatte. Schließlich brach der Morgen an und Christa Kalker wieder auf. Die echte Trauerfeier verfolgte sie vor dem Fernsehen. Sie sah sich die Sondersendungen an, erkannte die Matrosen wieder, aber auch die Musik. „Diese starken Trompetenklänge“, die sie noch von der Nacht in London kannte. Und nun?

Sie vergisst, ein Selfie in der wartenden Menge zu machen. © Christa Kalker

Es lebe der König! „Charles wird einen Weg finden müssen zwischen Moderne und Tradition“, ahnt Kalker, und: „Ich glaube allerdings, William wird dann der bessere König werden.“ Zwei Krönungen, für die sich eine Reise nach London bestimmt wieder lohnt.

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

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