Jubiläum

Mannheimer Ursulinen-Gymnasium hatte 1947 einen schweren Start

Kein Haus, keine Möbel, kein Geld: Als die Ursulinen-Schwestern 1947 ihr Projekt Schulneugründung starteten, waren die Herausforderungen groß. 75 Jahre später ist das Ursulinen-Gymnasium fest etabliert

Von 
Bertram Bähr
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© Ursulinen-Gymnasium

Mannheim. Eigentlich soll die Schule am 1. September 1947 eröffnet werden. Aber die Möbel sind noch nicht da. „Dreimal wurde der Schulanfang um eine Woche verschoben, bis man endlich Ersatzmöbel beschafft hatte“, heißt es in der Festschrift zu 60 Jahre Ursulinen-Gymnasium. Am 22. September 1947 ist es dann soweit: Die neue Bildungseinrichtung startet mit 102 Mädchen in zwei Klassen in den Räumen des ehemaligen Fröbelseminars auf dem Lindenhof.

Es ist, gut zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, die Geburtsstunde des späteren Ursulinen-Gymnasiums (UGS). Und eigentlich ein Kooperationsprojekt - oder, wie es in der Festschrift heißt: „Aus der Tradition zweier alter Schulen entstand eine neue. Es handelte sich dabei nicht eigentlich um eine Neugründung, es war geradezu eine Auferstehung“, schreibt die langjährige Schulleiterin, Schwester Maria Geyer (1971-1996). Die Katholische Mädchenrealschule - so nannte sich seit 1926 das 1898 gegründete Luiseninstitut in Mannheim - und das Lyzeum des Ursulinenklosters Schweidnitz finden jetzt zusammen, um die Ursulinenschule zu gründen.

Seit 1987 nimmt das frühere Mädchen-Gymnasium, an dem der erste Jahrgang 1961 Abitur machte, auch Jungen auf. © Ursulinen-Gymnasium

Begegnung im Flüchtlingslager

Die Luisen-Stephanienhaus-Stiftung, Trägerin der Mädchenrealschule, versucht gleich nach Kriegsende, die von den Nazis verbotene katholische Mädchenbildung zu reaktivieren. Aber die Dominikanerinnen in Speyer sehen sich mangels geeigneter Lehrkräfte außerstande, in Mannheim tätig zu werden.

Da trifft es sich gut, dass ein Pfarrer 1946 im Münchner Flüchtlingsdurchgangslager Schweidnitzer Ursulinen getroffen und ihnen vorgeschlagen hat, nach Mannheim zu kommen. So lädt Stadtpfarrer Karl Schäfer Ende 1946 die Oberin der Ursulinen ein. Sie sind durch den Terror der Nazis, den Krieg und die Vertreibung heimatlos geworden und suchen einen neuen Mittelpunkt, eine zentrale Wirkungsstätte. Nach schwierigen Verhandlungen übernehmen die Ursulinen die Aufgabe, die neue Schule aufzubauen - in einer Zeit der Ungewissheiten, des Umbruchs, der Not.

„Es war ein hartes Leben, das die Menschen ganz forderte. Und es wurde sobald nicht leichter“, schreibt Schwester Maria Geyer: „Die Schwestern kamen ja nicht als Heimatsuchende in ein heiles, vom Wirtschaftswunder zum Blühen gebrachtes Mannheim, sondern in eine Stadt, die in Trümmern lag, deren Bewohner zum Teil noch in Bunkern und Kellerlöchern hausten.“

Wird das Vorhaben gelingen? „Unter solchen Umständen eine Schule zu eröffnen, ohne Häuser, ohne Möbel, ohne Geld, grenzte wahrlich an Vermessenheit - und das als ,Fremde’ aus dem Osten“, so Schwester Maria: „Und doch: Die Mannheimer halfen! Ein besonderer Dank muss an die Mannheimer Marktfrauen gehen, die einmal einen Kohlkopf, das nächste Mal ein paar Karotten stifteten.“

Werbung von der Kanzel herab

Und die Schülerinnen kommen, ein bisschen vielleicht auch dank der Geistlichen, die kräftig Werbung machen, wie sich Christa Jacob, geborene Zorn, in der Festschrift zu 50 Jahren Ursulinen-Gymnasium erinnert: „1947 wurde in Käfertal im Gottesdienst von der Kanzel herunter vom Pfarrer gesagt, wenn man Kinder im entsprechenden Alter habe, die man auf ein Gymnasium schicken möchte, so sollte man doch die Schule der Schwestern unterstützen. Und da hat mich meine Mutter gleich angemeldet. Ich glaube, ich war die Allererste, die da ankam.“

Das Ursulinen-Gymnasium

  • Rund 630 Schülerinnen und Schüler besuchen das Ursulinen-Gymnasium (UGS). Es ist ein staatlich anerkanntes Privat-Gymnasium in Trägerschaft der Erzdiözese Freiburg und führt nach acht Jahren zum Abitur.
  • Fester Bestandteil am Standort in A 4,4 ist christliche Wertevermittlung. Die Teilnahme am katholischen oder evangelischen Religionsunterricht ist verpflichtend.
  • Das UGS erhebt ein monatliches Schulgeld. Im Vergleich zu anderen Privatschulen liegt es mit 40 Euro (20 Euro für das zweite Kind) sehr niedrig. Als Grund gibt das Gymnasium an, man wolle „die Breite der Gesellschaft ansprechen“.
  • Eine Besonderheit am UGS ist eine Einstiegsklasse mit musikalischem Profil (Streicher- oder Bläserklasse mit zusätzlichem Instrumentalunterricht in den Jahrgangsstufen 5 und 6).
  • Fester Bestandteil der Schullaufbahn ist ein zweiwöchiges Sozialpraktikum für ältere Schüler.
  • Zum 75. Jubiläum der Schule kommt am Mittwoch, 19. Oktober, Erzbischof Stephan Burger. Er leitet um 10 Uhr einen Gottesdienst in der Jesuitenkirche und diskutiert im Anschluss mit Schülern.
  • Zum Jubiläumsprogramm gehört eine Vortragsreihe. Sie startet am 11. Januar 2023 mit dem Innsbrucker Theologen Christian Bauer und wird am 22. März 2023 mit dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof fortgesetzt.
  • Wegen der anhaltenden Corona-Pandemie habe man sich für ein abgespecktes Jubiläumsprogramm entschieden, teilt Schulleiter Alexander Stöckl mit.
  • Groß gefeiert werden soll stattdessen das 80. Jubiläum in fünf Jahren – dann mit einem umfassenden Programm, das sich durchs ganze Schuljahr zieht.

Not herrscht damals überall. Und den städtischen Schulen geht es nicht besser als den Ursulinen. Auch das Vereinigte Mannheimer Mädchenrealgymnasium (Elisabeth und Liselotte) leidet „unter Raumnot und ist in einem schwer beschädigten Gebäude untergebracht“, wie Schwester Maria Geyer berichtet: „Die Schülerinnen erhielten Schichtunterricht. Auch sie hatten keine Schulbücher. Hefte gab es damals nur gegen Rückgabe eines vollgeschriebenen Heftes. Vokabeln musste man so gründlich lernen, dass sie dauerhaft eingeprägt waren, ebenso grammatische und mathematische Regeln.“ Allüberall „ging es abenteuerlich zu, aber gelernt wurde trotzdem“.

Parallel intensivieren sich die Bemühungen um eine eigene Schule. Zwischenzeitlich, ab September 1950, steht der Umzug in die vom Krieg gezeichnete Pestalozzischule an. An der Jesuitenkirche wollen die Schwestern schließlich loslegen und ein Gebäude errichten.

Auf „Bettelreise“ in Amerika

Das Projekt ist teuer, 700 000 D-Mark werden gebraucht. Um Geld zusammenzubekommen, reist Schwester Benedicta in die USA und Kanada, geht auf erfolgreiche „Bettelreise“. Die Katholiken aus Übersee spenden mit rund 200 000 D-Mark einen sehr soliden Grundstock. Die Stadt Mannheim beteiligt sich mit 100 000 Mark, der Rest wird über ein Darlehen finanziert. Und so entsteht bis September 1953 neben der Jesuitenkirche in A 4, 4 das neue Schulgebäude samt Internat.

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Seitdem ist viel passiert. 1954 trennen sich die Ursulinen vom bisherigen Träger, der Luisen-Stephanienhaus-Stiftung. Verstärkt werden jetzt neben den Nonnen „weltliche“ Lehrkräfte eingestellt. Ab 1957 nennt sich die Bildungseinrichtung Ursulinen-Schule, später Ursulinen-Gymnasium. In diesem Jahr beginnt der Aufbau der Oberstufe, 1961 legt der erste Jahrgang sein Abitur ab.

1987 ist das reine Mädchen-Gymnasium Vergangenheit, ab sofort werden auch Jungen aufgenommen. 1994 übergeben die Ursulinen ihr Gymnasium schließlich in die Trägerschaft der Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg - in der Gewissheit, dass das Abenteuer Schul-Neugründung einen erfolgreichen Abschluss gefunden hat.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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