Kopfsache

Mannheimer Trainerin erklärt: Was ist eigentlich Mentaltraining?

Die richtige Einstellung kann in vielen Situationen helfen: Ob beim Einkaufen, in der Schule oder beim Sport. Trotzdem trainieren oft nur Sportler mental. Wo das auch im Alltag hilft und wie das Training funktioniert

Von 
Julius Paul Prior
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Schon zu gut: Triathletin und Sportwissenschaftlerin Sibille Abel muss sich eine schwierigere Herausforderung suchen. Auf dem Therapiekreisel und mit Kirschkernkissen auf dem Kopf kann sie Jonglieren, ohne die Balance zu verlieren. © Julius Paul Prior

Ohne Plan und hungrig einkaufen gehen und deshalb viel zu viele und ungesunde Lebensmittel in den Korb legen. Oder vor jeder Klausur nervös sein. Nicht nur im Profisport, sondern auch im Alltag, auf Arbeit oder in der Schule gilt es, motiviert und vor allem konzentriert zu sein. Trotzdem finden sich fast nur im Sport Menschen, die hierfür mental trainieren. „Im Prinzip kann man Mentaltraining aber für alles nutzen“, sagt Mentaltrainerin Gunda Miethke aus Mannheim. Doch was verbirgt sich eigentlich dahinter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist Mentaltraining?

Mentaltraining ist laut Miethke „ein Baustein“ neben dem körperlichen Training von Sportlern und Sportlerinnen. Es hilft dabei, die trainierte Leistung im Wettkampf auch abrufen zu können oder bei Rückstand im Spiel nicht den Mut zu verlieren. Es geht darum, auf alles vorbereitet zu sein und reagieren zu können. Dafür werden auch die Körperwahrnehmung und die Selbstreflexion trainiert, sodass den Athleten die eigenen Grenzen bewusstwerden. Auch für bessere Konzentration und Motivation können die Übungen helfen.

Mentaltrainerin Gunda Miethke kennt den Wert des Trainings. © Julius Prior

Für wen ist Mentaltraining geeignet?

„Ich sage: alle“, erklärt Miethke. Das Training sei ab der dritten Klasse bis ins hohe Alter sinnvoll – und das nicht nur für Sportlerinnen und Sportler. Wichtig ist nur: Es muss eine Herausforderung geben, auf die hingearbeitet wird. In der Schule wäre es beispielsweise die nächste Klausur, im Job eine Präsentation oder das nächste Projekt.

Ist das eine Wissenschaft oder Esoterik?

Mentalem Training haftet das Image an, esoterisch zu sein. Allerdings stecke dahinter eine Wissenschaft, betont Miethke. Das Esoterik-Image komme von vielen unseriösen Angeboten in der Branche. Bei der Wahl eines Mentaltrainers oder einer Trainerin solle deshalb auf die Ausbildung geachtet werden.

Wie wird man zum Mentaltrainer oder zur Mentaltrainerin?

Um sich Mentaltrainer nennen zu dürfen, benötigt es offiziell keiner Ausbildung. Die Berufsbezeichnung ist kein gesetzlich geschützter Begriff. Eine seriöse Anlaufstelle für die Ausbildung ist beispielsweise der Verein Deutsche Mentaltrainer Akademie. Hier wird auf wissenschaftlicher Grundlage ausgebildet. Für die C-Trainer-Lizenz benötigen Interessierte vier Module, die je 690 Euro kosten. Für die beiden höheren Lizenzen kommt jeweils Berufserfahrung als Voraussetzung hinzu.

Übungen für zuhause

  • Um das Mentaltraining ohne Trainer oder Trainerin zuhause zu starten, gibt es einfache Übungen aus dem Repertoire von Gunda Miethke und ihren Klientinnen:
  • Ohne das Licht anzuschalten durchs Treppenhaus gehen: Das hilft bei der Körperwahrnehmung.
  • Mit geschlossenen Augen und der nicht dominanten Hand die Zähne putzen: einfach mal aus der Komfortzone heraus.
  • An der Ampel zuerst losgehen: Kleine Herausforderungen im Alltag helfen, große Herausforderungen leichter anzugehen.
  • Atemübungen, Entspannungsbilder und Gerüche: Bestimme Vorstellungen oder Gerüche können in einer stressigen Situation beim Entspannen helfen. 

Was kostet eine Stunde mentales Training?

Einen einheitlichen Preis gibt es nicht – das entscheide auch Miethke bei ihren Kundinnen und Kunden individuell. Im Netz finden sich Angebote zwischen 120 Euro bis 250 Euro pro Einheit – etwa 90 Minuten.

Braucht es unbedingt eine Trainerin oder einen Trainer?

Die kurze Antwort, die auch Miethke gibt, lautet: „Nein.“ Die Anleitung könne jedoch bei der Analyse von außen helfen, Fehler zu vermeiden. Auch eine von Miethkes Kundinnen, Sportwissenschaftlerin Sibille Abel, die sich bereits im Studium mit Mentaltraining auseinandergesetzt hat, trainiert deshalb mit Trainerin.

Was kann zuhause ohne Anleitung gemacht werden?

„Ich mache im Treppenhaus das Licht nicht an“, beschreibt Triathletin Sibille Abel ihre Lieblingsübung für den Alltag. Ohne Licht müsse sie sich mehr vorantasten und gehe bewusster vor als mit Licht. Der Effekt: bessere Körperwahrnehmung. Laut Miethke sei es generell effektiv, einfach mal einen Sinn „auszuschalten“. Es sollte eine kleine Herausforderung sein, so die Expertin. Das reiche von „als erster an der Ampel losgehen“ bis „nicht mit der dominanten Hand und geschlossenen Augen Zähne putzen“.

Wie oft sollte Mentaltraining gemacht werden?

„Das muss in den Alltag eingebaut werden“, sagt Miethke. Von einem Modell wie beim Sport oder Lernen eines Instruments hält die Trainerin nichts. Dies sei „nicht effektiv“. Stattdessen sollten die kleinen Übungen, die keine Zeit rauben, in den Alltag integriert werden. Die Stunden mit der Trainerin finden bei Miethke dann zusätzlich zweiwöchig statt, um den Fortschritt zu überprüfen.

Wie lange dauert Mentaltraining?

Miethke antwortet auf diese Frage mit einem Zitat von Golfspieler Tiger Woods: „Es gibt immer Dinge, an denen man arbeiten muss. Man ist nie fertig.“ Allerdings tauscht sie das „muss“ gegen ein „kann“ aus. Denn Zwang sei alles andere als förderlich.

Was bewirkt Mentaltraining im Alltag?

Auch Olympiateilnehmerin und U 23 Europameisterin im Hammerwerfen, Samantha Borutta, wird von Miethke mental trainiert. Sie berichtet: „Ich bin selbstreflektierter und merke, dass ich anders denke.“ Statt auf die Fehler zu achten, schaue sie auf die positiven Dinge. Dann analysiere sie, wie sie die Fehler verhindern kann. Auch bei Abel sei dies der Fall, und: „Ich merke es beim Einkaufen.“ Sie gehe viel bewusster und vorbereiteter in den Supermarkt.

Wobei kann Mentaltraining nicht helfen?

„Mentaltraining ist keine Therapie“, betont Miethke. Wenn es um Krankheiten geht, verweise sie auf Fachkräfte. Zwar gehe es bei Mentaltraining auch viel um Selbstreflexion und Eigenwahrnehmung, allerdings nicht in einer therapeutischen Kapazität. „Wir sprechen nicht über die Kindheit“, sagt Miethke.

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