Mannheim. „Sie kommen traurig, aber wenn sie hier sind, dann wird auch oft gelacht.“ Christian Gräber steht hinter dem Tresen des Café Engel am Mannheimer Hauptfriedhof. „So wie bei der Trauergesellschaft, die jetzt gleich kommt“, sagt er. „Die bringen einfach ihren eigenen Schnaps mit“, sagt Gräber und muss unweigerlich lächeln. Doch sein Café Engel ist bald Geschichte. Zumindest in seiner jetzigen Form.
Zusammenarbeit klappte nicht
Denn Gräber berichtet, dass ihm zum 31. Dezember dieses Jahres von seinem Verpächter gekündigt wurde. Ein Burger-Lieferservice, der schon länger die Küche des Café Engel mitbenutzt, möchte nun einen Burger-Laden in den Räumlichkeiten eröffnen.
Wir sprechen am Telefon mit Can Pamuk, dem der Lieferservice gehört. Ja, er werde einen Burger-Laden dort eröffnen, bestätigt er. Übereinstimmend berichten Gräber und Pamuk unabhängig voneinander, dass sie versucht hatten, zusammen vor Ort zu arbeiten, das aber nicht geklappt habe.
„Werde nicht viel verändern“
Pamuk sagt: „Ja, ich weiß, es gibt viele, die sich hier treffen und die den Kaffee und den Kuchen lieben. Wir werden auch weiter Kaffee und Kuchen für sie haben“, betont er. „Wir haben guten Kaffee und Kuchen“, sagt der Gastronom. Seine Stimme klingt bewegt. Auf Nachfrage, ob der Burger-Laden dem Ort zum Trauern gerecht werde, sagt Pamuk: „Ich werde nicht viel verändern, auch nicht an der Inneneinrichtung. Ich selbst finde sie auch schön und liebevoll eingerichtet.“
Er fügt hinzu: „Ich kenne die Leute hier, und sie kennen mich. Auch von der früheren Zeit aus der Küche.“ Er selbst sei ein erfahrener Gastronom, Gastronomie läge in seiner Familie, erzählt er. Marc Schneider, der auch Christian Gräber die Gaststätte verpachtet hat, habe ihn gefragt, ob er übernehmen wolle.
Gastronomen buhlen um die Räumlichkeiten
Das Café Engel sei sein Herzensprojekt, betont derweil Christian Gräber im Gespräch mit dem „MM“. Wer mit beiden spricht, merkt: Hier gibt es unterschiedliche Sichtweisen, die beiden Gastronomen scheinen um das Recht auf das Cafe zu buhlen. „Wir empfangen so an die 15 Gesellschaften im Monat“, sagt Gräber. Das Café Engel hat eine lange Tradition, früher hieß es „Gasthaus Zur Letzten Träne“. Es sei ein Ort, der einen Abschied in „liebevoller Atmosphäre“ möglich mache, sagt er.
Bekannt für Frauenfrühstück, Vernissage und Co.
„Wir haben viele Veranstaltungen“, bekannt sei das Café zum Beispiel für seine Konzerte, etwa mit Harfenklängen oder dem Frauenfrühstück. „Auch Vernissagen oder Stammtische finden bei uns statt.“ Doch als Hauptaufgabe bleibe: „Wir wollen den Menschen weiter einen Ort zum Trauern geben“, so Gräber. Das sei wichtig, sagt er und verweist auf eine Unterschriftenliste „mit mehr als 150 Unterschriften für den Verbleib des Café Engel“, die an der Örtlichkeit ausliegt.
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Nur kurzes Statement zur Kündigung
Von Marc Schneider, von dem Gräber das Café gepachtet hat, kommt auf „MM“-Anfrage nur ein kurzes Statement: „Ein gut laufendes Café, gefüllt mit Leben, hätte ich nicht gekündigt“, schreibt er.
Währenddessen herrscht im Café Engel selbst friedliche Stimmung. In vielen Ecken und Winkeln stehen Engelsfiguren. Flügel mit Federn hängen an einem Stuhl vor einem Piano, am Tresen schaut ein Engel ganz nachdenklich. Der Tisch für die Trauergesellschaft ist eingedeckt. Dann füllt sich langsam der Raum mit den Gästen der Trauergesellschaft. Sie nehmen still an den Tischen Platz, und ihre Blicke sind bedrückt.
Renovierungsbedarf angemerkt
Gräber mutmaßt derweil, dass ihm gekündigt wurde, weil er auf den Renovierungsbedarf in den Räumlichkeiten hingewiesen habe. Er schreibt in einem Brief, der dieser Redaktion vorliegt, an den nach seinen Angaben Eigentümer des Gebäudes: „Nach aufwendigen Renovierungsarbeiten mit einem neuen Parkettboden, Stuckarbeiten und einer kleinen Bühne starteten wir mit viel Engagement unser Projekt ,Café Engel’.“
Und weiter: „Leider kam vier Wochen nach der Eröffnung Corona. Jetzt haben wir drei Lockdowns hinter uns gebracht, und trotzdem ist unsere Leidenschaft ungebrochen.“
Gräber schreibt zudem, dass er das Café Engel gerne weiterführen und dafür selbst die notwendigen Reparaturen übernehmen würde. Dies allerdings nur, wenn er die Gaststätte direkt beim Eigentümer der Immobilie pachten könne, betont er. Er habe aber darauf keine Rückmeldung bekommen. Auch auf „MM“-Anfrage kommt keine Rückmeldung vom Eigentümer.
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