Mannheim. „Tanzen für die Tafel!“ hieß es am Mittwoch in der Quadratestadt. Denn spontan wurde am Morgen auf einer Pressekonferenz im Rathaus angekündigt: Jochen Brühl, Vorsitzender der Tafel Deutschland, wettet mit Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz, dass am Abend um 17.30 Uhr mindestens 200 Menschen eine Tanz-Choreografie auf dem Mannheimer Marktplatz aufführen.
Der Wetterlös bei der Aktion: „Lebensmittelspenden - und somit benötigte Unterstützung für armutsbetroffene Menschen“, so die Tafel. Genauer hieß das: Sollte Jochen Brühl und damit die Tafel die Wette gewinnen, kommt der Wetterlös in Form von 24 Tonnen Lebensmittelspenden von Rewe und Penny. Direkt nach Mannheim. Direkt zu den hiesigen Tafeln.
Tafel-Chef wettet mit Mannheimer OB Peter Kurz: "Die Tafeln sind am Limit"
Und ja: es klappte. Das berichtete ein „MM“-Mitarbeiter vor Ort. Rund 400 Menschen seien da gewesen und hätten auf den Song „I’m Good (Blue)“ von David Guetta getanzt. Der Tanz wurde vorgeführt und konnte dann von allen mitgetanzt werden. Das freudige Treffen aber hatte einen ernsten Hintergrund: Denn die Mannheimer Tafel hat, wie alle Tafeln in Deutschland, Unterstützung aktuell extrem nötig.
Hubert Mitsch, Mannheims Tafel-Chef, sagte: „Wir brauchen diese Lebensmittel dringend. Durch Pandemie, Krieg und Inflation ist die Anzahl an Kundinnen und Kunden in den vergangenen Jahren bei uns stetig gestiegen.“ Auch Brühl betonte: „Die Tafeln sind aktuell am Limit, die etwa 60 000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer gehen physisch und psychisch an ihre Belastungsgrenzen, so auch in Mannheim.“ Er setze auf die Solidarität der Menschen vor Ort, sagte er vorab: „Gemeinsam können wir die Wette gewinnen (...) und ein Zeichen gegen Armut setzen. In diesem Sinne: Mannheim tanzt, die Tafel gewinnt!“
OB Peter Kurz: „Verliere Wette gerne“
Peter Kurz sagte ebenso vorab: „Gerne habe ich die Schirmherrschaft für die Stadtwette übernommen, eine Wette, die ich übrigens gerne verlieren werde, damit der Wetterlös den Tafeln zugutekommen kann.“ Denn die Tafeln böten „ein niederschwelliges Angebot für Armutsbetroffene, das von ihnen wertgeschätzt und angenommen wird.“ Die Wette bildete indes den Auftakt für das Bundestafeltreffen, welches jedes zweite Jahr von einer anderen Tafel ausgerichtet wird und dieses Mal vom 6. bis 8. Juli in Mannheim stattfindet.
Dort gibt es viele weitere Aktionen beim Zusammenkommen von etwa 1 000 Personen aus Tafeln, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Dabei übernimmt Kurz die Schirmherrschaft. Beim Treffen wird dann zudem die Wette bei der „Langen Tafel“ aufgelöst, einer großen Zusammenkunft.
Tafeln in Mannheim: „Verteilungskampf“ jeden Tag
Mitsch freute sich derweil, dass durch das Treffen der Blick auf „Mannheim in der Tafellandschaft“ gerichtet werde. Er sprach von einem täglichen „Verteilungskampf“ vor den hiesigen Ausgabestellen. Diese seien eine Herausforderung für die Ehrenamtlichen. Da seien Kunden, die Panik bekämen, wenn zu viele Leute vor der Tafel stehen - aus Angst, „dass sie nichts mehr von den Lebensmitteln kriegen“.
2020 habe man hier 46 000 Einkäufe verzeichnet. Im Jahr 2023 allein in den ersten drei Monaten schon 22 000 Einkäufe. Es kämen vor allem Geflüchtete, Studis, Rentner und Familien „mit fünf bis sechs Kindern“, berichtete er.
Tafeln in Mannheim
- Die Tafeln in der Stadt Mannheim (Neckarstadt, Alphornstraße 8; Rheinau, Plankstadter Straße 28; Schönau, Rastenburgerstraße 43), Hockenheim, Schriesheim und Edingen-Neckarhausen sind alle in Trägerschaft des Kreisverbands des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Mannheim.
- Spendenkonto: DRK-Kreisverband Mannheim e.V., Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE82370205000005367800, BIC: BFSWDE33XXX, Spende- und Unterstützungsmöglichkeiten für die Tafel gibt es auch im Netz unter www.bit.ly/42I9ZxB
Brühl betonte, er finde es gut, dass sich in Mannheim der OB der Schirmherrschaft der Aktion annehme. Die Tafel zeige allgemein: Es gibt ein Engagement - „aber sie zeigt auch, was offensichtlich nicht gut funktioniert“. Es sei Aufgabe von Politik und Gesellschaft, ausreichend Bezüge zu ermöglichen, damit die Menschen sich versorgen können. „Es kann nicht sein, dass Behörden Geflüchtete erstmal zur Tafel schicken und sagen: ,Bevor der Geldbezug geklärt ist, geht mal zur Tafel.’“ Man könne sich „nicht zurücklehnen“. Die Erhöhung des Bürgergeldes sei nur ein kleiner Schritt.
Tafeln fordern Lebensmittelrettung im Gesetz
Peter Kurz betonte indes: Durch die Arbeit der Tafeln werde dem „immer noch erschreckend hohen Ausmaß der Vergeudung und Entsorgung verzehrbarer Lebensmittel in unserem Land entgegengewirkt.“ Die Entwicklung von Strategien zum Vermeiden von Lebensmittelverschwendung auf kommunaler Ebene zu unterstützen, sei auch im Leitbild Mannheim 2030 verankert.
Jochen Brühl sagte, die Tafeln forderten ein Lebensmittelrettungsgesetz: „Wir brauchen Haftungssicherheiten, Klärung, was die Lebensmittelabgabe betrifft. Es kann nicht sein, dass die Vernichtung von Lebensmitteln heute noch günstiger ist, als diese zu spenden.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mannheimer-tanzen-auf-dem-marktplatz-und-gewinnen-24-tonnen-lebensmittel-_arid,2082778.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.tafel.de
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[3] https://www.drk-mannheim.de/angebote/tafel-und-second-hand/tafel.html