Mannheim. 35 Jahre sind eine lange Zeit. Aus Kindern werden Erwachsene. Die gehen ihren Weg, haben selbst schon wieder Nachwuchs. Und so trifft Gisela Riffner oft auf ehemalige Schützlinge, die sie beim Lernen begleitet hat – zusätzlich zum Unterricht. Seit 35 Jahren arbeitet die Seniorin ehrenamtlich für misha. Hinter dem Kurzwort steht die Mannheimer Inklusions-, Sprach- und Hausaufgabenförderung.
Wenn Gisela Riffner nach Jahren „ihre“ Kinder von der Erich-Kästner-Grundschule trifft und sieht, dass aus ihnen etwas geworden ist, freut sie sich sehr. Es macht sie stolz, einen Beitrag geleistet zu haben, dass sie „als Erwachsene ihr Leben meistern“. Wie bei der Familie mit den vier Mädchen, denen sie seinerzeit bei den Hausaufgaben geholfen hat. Eine ist Erzieherin, die Zweite Krankenschwester, die Dritte im Bauingenieurwesen. „Und die ,Kleine’ hat zuerst Mittlere Reife gemacht, dann ihr Abitur nachgeholt – mit 1,0. Und Medizin studiert“, strahlt Riffner.
Enge Kooperation mit den Schulen
Die Lernbegleiterin gibt einen Einblick in ihre Arbeit bei der Jubiläumsfeier, zu der der Stadtjugendring (SJR) in die Jugendkirche auf dem Waldhof eingeladen hat. Unter seinem Dach ist misha angesiedelt – seit 50 Jahren. Dass in Präsenz gefeiert werden kann, freut SJR-Geschäftsführerin Karin Heinelt besonders, das sei dem Anlass angemessen. Die Idee eines besonderen Förderangebots für Gastarbeiterkinder entwickelte sich Anfang der 1970er Jahre. 1971 gründeten SJR und Gewerkschaftsjugend unter dem Namen „Hausaufgabenhilfe international“ einen Betreuungskreis.
Er ist bis heute aktiv, hat aber im Jahr 2014 seinen Namen in misha geändert. Das ist auch Folge einer inhaltlichen Weiterentwicklung. Aus der ursprünglichen „Hausaufgabenüberwachung“ ist längst eine allgemeine „Sozialisationshilfe“ für Kinder und Jugendliche geworden, wie Bürgermeister Dirk Grunert bei der Jubiläumsfeier betont. Inzwischen sei misha „eines der größten Unterstützungsprogramme außerhalb des schulischen Unterrichts“.
Geschichte
Anfang der 1970er Jahre bilden sich in Mannheim außerschulische Initiativgruppen. Ziel: schulischer Benachteiligung von Gastarbeiterkindern entgegenwirken.
Bei einem Schiffsausflug für Gastarbeiterkinder 1971 entsteht die Idee eines flächendeckenden Förderangebots – Stadtjugendring und Gewerkschaftsjugend gründen einen Betreuungskreis, die „Hausaufgabenhilfe international“.
1976 erfolgt die offizielle Anbindung des Betreuungskreises an den Stadtjugendring. Zu dieser Zeit existieren an 15 Mannheimer Schulen Hausaufgabehilfegruppen für etwa 150 Schülerinnen und Schüler.
1986 entwickelt sich aus der „Hausaufgabenhilfe international“ heraus der „Internationale Mädchentreff“.
Erstmals 2005 ist die Nachfrage nach der Hausaufgabenförderung so groß, dass es Wartelisten gibt.
2014 benennt sich die „Hausaufgabenhilfe international“ um in misha – Mannheimer Inklusions-, Sprach- und Hausaufgabenförderung“.
Bei dem zum Beispiel auch Heide Danisch seit inzwischen 30 Jahren mitarbeitet, davon 20 Jahre auf der Schönau. Hier zieht gleich eine ganze Gruppe von Lernbegleiterinnen an einem Strang. „Wir verstehen uns gut, gehen auf die Kinder ein. Und die Kinder kommen gerne zu uns“, berichtet sie. Neben der Teamarbeit mache sich auch die enge Kooperation mit der Schönauschule bezahlt, das gute Verhältnis zu Rektorin Monika Fuchs und zum Kollegium helfe auch den Kindern.
Enge Zusammenarbeit zwischen Schulen und Lernbegleiterinnen – das ist einer der Grundsätze, nach denen misha arbeitet. Dass das bestens klappt, berichtet Monika Walz-Kurz, Rektorin der Waldhof-Grundschule, im Gespräch mit dem „MM“. Enger Kontakt mit den Klassenlehrerinnen und „schneller Austausch“ sei gewährleistet: „Wir haben nur gute Erfahrungen“ – und es sei deutlich spürbar, dass die Kinder durch misha Fortschritte machten.
Begleiterinnen dringend gesucht
Vor Beginn der Corona-Pandemie hat misha mit fast 120 Ehrenamtlichen etwa 800 Schülerinnen und Schüler in 20 Mannheimer Grundschulen betreut, berichtet Projektkoordinatorin Doreen Schaible. Aber durch die Pandemie sei der Betreuungskreis massiv geschrumpft. „Wir haben leider ganz viele verloren und sind extrem auf der Suche nach neuen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.“ Wer bei misha tätig wird, bekommt eine Aufwandsentschädigung von mindestens sieben Euro pro Stunde. Aber damit, glaubt Heide Danisch, ließen sich insbesondere Jüngere kaum noch finden.
Derzeit kann misha mit seinen noch etwa 50 Ehrenamtlichen rund 17 Schulen betreuen, die Zahl der Schüler wird gerade erfasst. Aber klar ist: Es sind erheblich weniger als vor der Pandemie. Das merkt auch Monika Walz-Kurz. An der Waldhofschule könne misha derzeit noch vier Gruppen mit jeweils rund sechs Kindern beim Lernen begleiten. Die Warteliste sei aber deutlich länger.
Während der Hochphase der Pandemie, so Doreen Schaible, habe man nur noch vereinzelt Schülerinnen und Schüler erreicht; misha erarbeitete ein Konzept zur Sprachförderung am Telefon, im Wesentlichen eine „Eins-zu-Eins-Betreuung“. Das habe zwar funktioniert. Ins Boot geholt habe misha damit aber nur etwa 20 Kinder.
Für viele Ehrenamtliche sei die Telefon-Förderung „eine große Hürde“ gewesen. Andere wiederum seien bei der Betreuung der eigenen Enkel eingespannt gewesen und dadurch ausgefallen. Jetzt hofft das Team, zu dem neben Schaible noch Andrea Fischer, Jürgen Ehmann, Sefa Yeter und Teresa Storz gehören, auf möglichst viele neue Kräfte.
Kontakt per E-Mail an info@misha-mannheim.de.
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