Mannheim. Die Demokratie steht unter Beschuss. Um das zu realisieren, muss man nicht erst über den Atlantik schauen, wo Präsident Donald Trump die USA zu einer Autokratie umbaut. Auch in Deutschland ist mit der AfD in den vergangenen Jahren eine Partei erstarkt, die antidemokratische Tendenzen verkörpert und in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Es ist umso wichtiger, sich mit dieser Entwicklung auch wissenschaftlich auseinanderzusetzen – das machen die fünf staatlichen Mannheimer Hochschulen in diesem Frühjahrssemester. Sie schaffen damit einen bemerkenswerten Schulterschluss, denn sie wollen sich, wie Heiko Paulheim vom Lehrstuhl Data Science und Prorektor für Digitalisierung, Gleichstellung und Diversität betonte, in die Diskussion einbringen und klar zur Demokratie positionieren.
Diskussionsabend in Mannheim: „Demokratie auf dem Prüfstand“
Startpunkt für die Reihe war am Mittwoch ein Diskussionsabend im Mannheimer Schloss unter dem Titel „Demokratie auf dem Prüfstand. Wer bestimmt den Diskurs?“ unter der Leitung von MM-Chefredakteur Karsten Kammholz. Vier Wissenschaftler der Universität Mannheim beleuchteten diese Fragestellung aus ganz unterschiedlichen Perspektiven.
Immer wieder wurde deutlich, was einst der britische Premierminister Winston Churchill betont hatte: „Demokratie ist die schlechteste Staatsform – mit Ausnahme aller anderen.“ Und dennoch, so zitierte Kammholz angesichts des Erstarkens der AfD den Publizisten Michel Friedmann, „ist es sehr kurz vor zu spät“. Die sich abzeichnende Koalition aus Union und SPD müsse laut Friedman funktionieren, um die Demokratie zu restabilisieren.
Die Demokratie ist auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt angewiesen
Svenja Behrendt, Juniorprofessorin für Öffentliches Recht, betonte, dass die Einhaltung der Grundrechte eine Vorbedingung für die Demokratie sei. Dabei gehe es vor allem um das Austarieren unterschiedlicher Interessen in der Gesellschaft. „Der Meinungsaustausch ist essenziell, damit man sich auch mit anderen Ansichten auseinandersetzt“, betonte sie. Dabei müsse die Meinungsbildung auf der Wahrheit aufgebaut sein. „Die Demokratie ist auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt angewiesen“, sagte die Juniorprofessorin. Dabei müssten auch persönliche Einschränkungen in gesellschaftlichem Interesse akzeptiert werden – doch das sei nicht mehr überall der Fall.
In der Demokratie müsse man in Kauf nehmen, dass es auch andere Meinungen als die eigene gebe. „Sonst kann ich nicht in einer Demokratie leben“, betonte auch Sabine C. Carey vom Lehrstuhl für Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen. Doch einer Umfrage zufolge stimmen 47 Prozent der Befragten der These „zu“ oder „eher zu“, dass ein Kompromiss „ein Verrat am eigenen Volk“ sei. Sie zeigte auch auf, dass 69 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass die Menschenrechte in Deutschland „geschützt“ oder „eher geschützt“ seien. Hingegen stimmten aber 60 Prozent „zu“ oder „eher zu“, dass Menschenrechte für Kriminelle eingeschränkt werden sollen, bei illegal ins Land gekommenen Personen lag dies dieser Wert bei 52 Prozent. „Artikel 1 des Grundgesetzes ,Die Würde des Menschen ist ,unantastbar‘, gilt auch für die, die sich nicht ans Recht halten. Das muss man sich nicht verdienen.“
Die nächste Veranstaltung
Der nächste Beitrag im Rahmen der Vortragsreihe findet am Montag, 7. April, um 18 Uhr in der Dualen Hochschule statt. Dann geht es um das Thema „Wenn Diskussionen aus den Fugen geraten – Tipps für die Rückkehr zum konstruktiven Dialog“.
Philipp Müller vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft plädierte dafür, dass es bei der Beschreibung, wie sich demokratiefeindliche Tendenzen verbreiten, nicht ausreiche, nur die Inhalte und deren Auswirkung zu untersuchen. Es gehe auch darum, „den Blick auf die dahinterliegenden Medienstrukturen zu richten“ – also etwa auf Marktanteile, Eigentümerstruktur oder Finanzierungsform.
Wichtige Rolle der Medien in einer Demokratie
Man könne am Beispiel von Donald Trump gut erkennen, wie Medien dessen Aufstieg beeinflusst hätten, sei es etwa der Fernsehsender Fox News, das christliche Radio oder Tageszeitungen, die von reichen Personen gekauft worden wären und deren politische Ausrichtung diktieren. Auch Tageszeitungswüsten, also Regionen, in denen es keine Lokalzeitung mehr gibt, hätten Trumps Aufstieg bedingt, da dort Internetportale mit antidemokratischen Meinungen das Vakuum gefüllt hätten. Kammholz berichtet, dass es in Brandenburg inzwischen den ersten großen Landkreis gebe, in dem es keine gedruckte Tageszeitung mehr gibt.
Auch die Sozialen Medien nahm der Abend in den Blick. Paulheim skizzierte den Filterblasen-Effekt, bei dem die eigene Meinung bestärkt und die Meinungsheterogenität unterschätzt wird, oder den „Engagement-Bias-Effekt“, bei dem sich emotional aufgeladene Beiträge durch Kommentare und Reaktionen stärker verbreiten würden und damit zu einer größeren Polarisierung beitrügen.
Er plädierte dafür, die Zielfunktion der Algorithmen anzupassen, damit nicht mehr die Dauer der Nutzung der Plattformen und damit das Ausspielen von Werbung im Fokus stehe, sondern die Neutralität und das breite Spektrum der verschiedenen Meinungen: „Wir haben das im Labor ausprobiert, und wir haben gesehen, dass man relativ gut eingreifen kann“, sagte er. Hierdurch käme man aus seiner Filterblase heraus. Allerdings sei das nicht im Interesse der Unternehmen.
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