Interview mit Peter Schäfer

Mannheimer Gesundheitsamtschef: Die vielen Atemwegserkrankungen sind das übliche Ausmaß

In Mannheim war er das Gesicht der Pandemie. Peter Schäfer, der Chef des Gesundheitsamts berichtete stets fachkundig über den aktuellen Corona-Stand. Die derzeitige Welle an Atemwegserkrankungen beunruhigt ihn nicht

Von 
Steffen Mack
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Peter Schäfer zeigt beim Interview im Gesundheitsamt eine Verlaufsgrafik von Atemwegserkrankungen. Davon gibt es aktuell viele. © Steffen Mack

Mannheim. Herr Dr. Schäfer, wann wurden Sie zum letzten Mal geimpft?

Peter Schäfer: Im vergangenen Herbst gegen Grippe. Bald lasse ich mich wieder dagegen impfen.

Nächsten Sommer werden Sie 60. Ab diesem Alter wird nun wieder eine Corona-Auffrischung empfohlen. Ist das tatsächlich nötig?

Schäfer: Man braucht einen Schwellenwert, um so etwas öffentlich zu kommunizieren. Letztlich muss jeder selbst entscheiden, ob er sich impfen lässt. Es gibt ja weitere Indikatoren für die Notwendigkeit . . .

Vorerkrankungen, Arbeit in vulnerablen Einrichtungen . . .

Schäfer: Genau, und generell engen Kontakt mit vielen Menschen. Da weiß jeder, ob und welche Risikofaktoren für ihn zutreffen. Wer in diesem Jahr allerdings bereits mit Corona infiziert war, für den ist jetzt keine Auffrischung erforderlich.

Ein Leser hat kürzlich geklagt, er finde keinen Hausarzt für eine Corona-Impfung. Die Nachfrage sei so gering, dass sich das Bestellen für die Praxen nicht lohne, weil sie sonst auf nicht benötigten Ampullen sitzen blieben. Haben Sie so etwas auch schon gehört?

Schäfer: Ja, vor einigen Wochen war das ein Problem. Wir haben dann mit Dr. Berthold, dem Pandemie-Beauftragten der Kassenärztlichen Vereinigung für Mannheim, gesprochen. Er hat Listen mit Interessenten angelegt und diese informiert, sobald sie genügend waren. Derzeit ist das aber offensichtlich nicht mehr nötig. Ein Arzt hat mir berichtet, er habe sogar einen ganzen Impftag angeboten, der gut angenommen worden sei.

Zur Person: Peter Schäfer

  • Peter Schäfer wurde am 10. Juni 1965 in Baden-Baden geboren. In Homburg an der Saar studierte er Medizin.
  • 1991 kam er nach Mannheim und arbeitete in der Kinderklinik der Universitätsmedizin, zuletzt als Oberarzt.
  • 2001 wechselte Schäfer zur Stadt. Seit 2015 leitet er das Jugendamt, 2019 kam durch eine Fachbereichsreform das Gesundheitsamt hinzu.
  • Der 59-Jährige lebt in Neckarau, ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. 

Wenn jemand partout keinen Impfarzt findet, kann er sich dann an Ihr Gesundheitsamt wenden?

Schäfer: Wir impfen als Gesundheitsamt selbst nicht gegen Corona. Es bieten ja auch Apotheken wieder verstärkt Impfungen. Wird jemand gar nicht fündig, kann er sich aber unter gesundheitsamt@mannheim.de an uns wenden, wir unterstützen dann bei der Suche.

Empfohlen wird, Corona- und Grippe-Impfung zusammenzulegen. Erhöht das nicht das Risiko für empfindliche Menschen, sich danach schlecht zu fühlen?

Schäfer: Nein. Ob ein Pieks oder zwei, macht keinen Unterschied.

Bedeuten dann vielleicht umgekehrt getrennte Termine, zwei Mal ein Risiko einzugehen?

Schäfer: Auch nicht, das Risiko bleibt gleichermaßen gering. Praktischer ist es schon aus zeitlichen Gründen, beide Impfungen auf einmal zu machen. Viele Ärzte und Apotheker bieten das an. Und es impfen ja auch einige Betriebe ihre Mitarbeitenden.

Wenn Ihre Neugier das aushält, können Sie auf einen Test getrost verzichten.

Erstmals werden in diesem Herbst auch Impfungen gegen sogenannte respiratorische Synzytialviren empfohlen, kurz RSV. Für wen?

Schäfer: Säuglinge im ersten Lebensjahr, alle über 75-Jährige, über 60-Jährige mit entsprechenden Grunderkrankungen sowie Betreute in Pflegeeinrichtungen.

Atemwegserkrankungen haben offenbar generell stark zugenommen. Ist das bedrohlich?

Schäfer: Ein ganz klares Nein! Das entspricht dem um diese Jahreszeit üblichen Ausmaß. Hinzu kommt nur noch ein gewisser Nachholeffekt, weil sich in der Pandemie durch Masken und andere Schutzfaktoren einige Krankheiten weit weniger stark ausgebreitet haben als sonst.

Wie ist die Lage bei Corona? Da liest man ab und an von neuen Varianten. Sind die gefährlicher?

Schäfer: Ebenfalls ein klares Nein. Aktuell haben wir es vorwiegend mit den Omikron-Sublinien JN.1 und KP.2 zu tun, denen sind die Impfstoffe bereits angepasst.

Aber wird das Infektionsgeschehen überhaupt noch erfasst? In den meisten Fällen testen Ärzte doch gar nicht mehr auf Corona. Wenn jemand über entsprechende Symptome klagt, sagen sie: „Bleiben Sie daheim und machen Sie einen Test, ich schreibe Sie schon mal krank.“ Die Diagnose lautet dann nur „Atemwegserkrankung“.

Schäfer: Was ist daran schlimm? Hauptsache, der Betreffende hält sich von anderen fern, bis er keine Symptome mehr hat.

Zum Selbstschutz finde ich Masken auch für jene völlig legitim, die keiner Risikogruppe angehören.

Nach dieser Logik ist auch kein Selbsttest mehr erforderlich. Mit Symptomen sollte man anderen ohnehin nicht zu nahe kommen.

Schäfer: Stimmt. Wenn Ihre Neugier das aushält, können Sie auf einen Test getrost verzichten. Falls aber die Beschwerden schlimmer werden oder nach einer Woche noch nicht besser sind, sollte man seinen Arzt konsultieren.

Man sieht verstärkt wieder Menschen mit FFP2-Masken. Ratsam?

Schäfer: Wenn man Symptome hat, unbedingt. Alleinlebende müssen dann ja häufig trotzdem für Einkäufe raus. Und zum Selbstschutz finde ich Masken auch für jene völlig legitim, die keiner Risikogruppe angehören. Vielleicht hatten sie ja mal eine Infektion mit schwerem Verlauf und wollen eben alles tun, um eine erneute Ansteckung zu vermeiden.

Aber auch, wenn es im Alltag egal sein mag, ob jemand Corona hat oder eine andere Atemwegserkrankung: Wie können Sie es erfahren, wenn sich das Virus plötzlich wieder stärker ausbreitet?

Schäfer: Dafür gibt es nach wie vor Indikatoren, unter anderem Abwasseruntersuchungen und sogenannte Beobachtungspraxen, die das Infektionsgeschehen erfassen . . .

Lassen Sie uns bei kurz beim Abwasser bleiben: In Baden-Württemberg wird es nur in Karlsruhe und Stuttgart untersucht. Was ist, wenn sich in Mannheim ein Hotspot entwickelt, etwa durch Reise-rückkehrer mit neuer Variante?

Schäfer: Dann würden wir das letztlich in den Krankenhäusern merken.

Testen die Kliniken ihre Patienten nicht auch nur noch sporadisch auf Corona?

Schäfer: Bei entsprechenden Anzeichen tun sie das schon noch. Das ist auch nötig, um Infizierte isolieren zu können.

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Wie viele Corona-Patienten gibt es aktuell in Mannheimer Kliniken?

Schäfer: Die genauen Zahlen fragen wir nicht mehr regelmäßig ab. Aber mit den Hygienebeauftragten der Krankenäuser sind wir in ständigem Kontakt und würden hören, wenn es eine größere Infektionswelle gäbe. Generell melden vulnerable Einrichtungen, also auch Pflegeheime, jede Virus-Infektion mit mehr als zwei Betroffenen, selbst Magen-Darm.

Für wie wahrscheinlich halten Sie es denn, dass sich die Corona-Lage kurz- bis mittelfristig noch mal drastisch verschärft?

Schäfer: Das kann ich mir nur schwer vorstellen. Eher rechne ich längerfristig mit einem neuen Erreger, den noch niemand auf dem Schirm hat.

Ist Deutschland dafür heute besser vorbereitet als vor der Pandemie?

Schäfer: Wir Gesundheitsämter auf alle Fälle, da wurde sehr viel getan. Eine stärkere Digitalisierung gibt es aber auch in Unternehmen und Bildungseinrichtungen, darunter Schulen. Daher könnte man heute in vielen Bereichen flexibler reagieren.

Schulen und Kitas über Monate dicht, Kontaktverbot mit allen außer engsten Angehörigen, allein Geschäfte zur Grundversorgung geöffnet, möglichst nur noch Homeoffice - das alles ist erst drei, vier Jahre her. Immer noch ein unfassbarer Albtraum, oder?

Schäfer: Absolut. Aber gefühlt liegt es für viele wohl länger zurück, als es tatsächlich her ist. Vor fünf Jahren, was in der Erinnerung nicht viel ist, gab es Corona noch gar nicht.

Manche meinen heute gar, das ganze Impfen wäre nicht nötig gewesen. Mit den milderen Virusvarianten hätte man die Pandemie auch so in Griff gekriegt. Das ist eindeutig ein Irrglaube, oder?

Schäfer: Das ist es definitiv! Auch wenn Geimpfte sich noch anstecken können, sind sie vor einem schweren Verlauf deutlich besser geschützt. Andernfalls wären Krankenhäuser und Pflegeheime kollabiert. Lockerungen waren erst möglich, als es einen ausreichenden Immunschutz in der Bevölkerung gab. Die Impfungen sind ein Segen gewesen.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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