Mannheim. Beim Kleingartenverein Mannheim-Süd unweit des Stollenwörthweihers ist an diesem Samstag viel los. Viele Hobbygärtner nutzen das herrliche Wetter, um ihre Grünanlage zu pflegen, Setzlinge einzupflanzen – oder um die Seele baumeln zu lassen. Überall blüht es: Wer die Anlage betritt, scheint sich in einer anderen Welt zu befinden. Fernab des Lärms fühlt man sich fast ein wenig wie im Märchen. Die Menschen grüßen freundlich. Manche von ihnen flanieren auf Pfaden, die blumige Namen wie „Fliederweg“ tragen. Die Anlage gewann 2018 beim Kleingartenwettbewerb der Stadt.
Die Corona-Zeit hat dafür gesorgt, dass sich Gartenarbeit aktuell besonders großer Beliebtheit erfreut. „Momentan will jeder einen Garten haben“, sagt Alexander Kubiak. Doch die Warteliste ist lang, gibt der erste Vereinsvorsitzende zu Bedenken. „Wir haben 80 Gartensuchende.“ 958 Gärten verpachtet der Verein. Mit seinem Teint sieht der 46-Jährige aus, als käme er frisch vom Strandurlaub. Doch die Bräune verdankt der Vereinschef der Zeit, die er im Garten verbringt. Und dort ist er mit seiner Frau Bianca täglich. „Wir sind Selbstversorger“, erzählt er, während er Chow-Chow-Hündin Lulu über das kuschelige Fell streichelt. Gemüse und Obst kauft er nicht im Laden, sondern baut an, was ihm und seiner Frau schmeckt.
Die Kubiaks legen beim Anbau Wert darauf, keine Pestizide zu verwenden. Auf diese Weise wisse man genau, was man esse. „Es schmeckt auch ganz anders als im Supermarkt“, sagt Bianca Kubiak, die einen Teil der Pflänzchen auf der Fensterbank vorgezogen hat. So findet man auf dem rund 220 Quadratmeter großen Stück etwa Obstbäume, Salat, Erdbeeren, Zwiebeln, Knoblauch, Kräuter im Gewächshaus sowie Spargel, den er auf dem Grundstück des Nachbarn angebaut hat. Hochbeete seien aktuell stark im Kommen, weiß Kubiak. Sein ganzer Stolz ist die selbst gebaute Outdoorküche. Das Ehepaar pachtet den Garten seit zwölf Jahren. „Ich suche immer die Natur“, sagt er. Seine Frau ist Stadtkind und kam durch ihn auf den Geschmack. Auch ihren Sommerurlaub verbringen die beiden dort. Was von der Ernte übrigbleibt, wird eingekocht. „Ich mache gern Likör und Apfel-Cider“, so Kubiak.
Alexandra und Daniel Fähle genießen mit ihren Kindern Theo und Helena den Samstag in ihrem Garten und bearbeiten das Beet. Sie haben eigentlich ein Haus mit Garten gesucht, erzählt die Lindenhöferin. „Wir wollten für die Kinder einen Platz zum Spielen.“ Seit 2018 pachten sie ihr Stück. Während der Corona-Zeit sei es ein großer Vorteil, einen Garten zu haben: „Das hat unseren letzten Sommer echt gerettet.“ Ihr Mann pflichtet ihr bei. „Es ist hier wie ein kleiner Urlaub.“
Bei Anneliese Münch ist Arbeit angesagt: Unkraut jäten, Blumen gießen. Seit 1972 ist die inzwischen 81-Jährige Mitglied. Damals war sie schwanger, erzählt sie und lacht fröhlich. „Mit dickem Bauch ich habe ich hier gearbeitet.“ Auch in der Gegenwart lässt es sich die flotte Seniorin nicht nehmen, jeden Tag in ihren Garten zu gehen. „Soll ich denn daheim auf der Couch sitzen?“, fragt sie. „Da werde ich nur schlaff.“ Sie liebt es, mit Gartennachbarn Smalltalk zu halten. „Wir verstehen uns alle so gut“, sagt Münch. „Wenn Corona nicht wäre, würde es mir noch besser gehen.“
Seit 40 Jahren fast jeden Tag hier
Ein paar Gehminuten entfernt sitzen Lioba und Kurt Hecht in ihrem Garten, den sie seit 1995 pachten. „Ich liebe Blumen“, erzählt die 81-Jährige. Viele schöne Momente verbinden sie mit dem Stück Grün. Das Paar liebt die Zeit in der Natur. „Und zu sehen, wie alles sprießt und wächst“, sagt Kurt Hecht.
Tulpen, Narzissen und Vergissmeinnicht zieren den Garten von Monika Linke. „Für den Nutzgarten ist es noch zu früh“, sagt die Mannheimerin, die seit 40 Jahren fast jeden Tag in ihrem Garten ist. Nach den Eisheiligen am 15. Mai pflanzt sie Zucchini, Tomaten und Bohnen an. Was von der Ernte übrig bleibt, kommt ihren Nachbarn zugute. Der Garten bedeutet für sie Entspannung, Erholung und Ausgleich. „Ich bin froh, wenn ich mich hier im Freien oder Grünen aufhalten kann.“
Bei Sven Wahle verbreiten Räucherstäbchen den süßen Duft von Vanille, eine kecke Kohlmeise sucht im Vogelhäuschen nach Futter, und Gartenzwerge zieren die Parzelle. „Zur Corona-Zeit ist es ein Stück Freiheit“, erklärt er. Das Stück hat er letztes Jahr mit seiner Frau Martina übernommen, als der Schwiegervater starb. Die Wahles haben unter anderem Obstbäume und Salat, Paprika und Tomaten. „Die Klassiker“, sagt er. „Grundsamen bestelle ich meist bei Händlern.“
Elke Werner geht ihren Kindern zu Hand. „Wir wollen uns zum ersten Mal der Permakultur annähern“, sagt die zierliche Frau. „Eine Pflanze bedingt die andere, das heißt, sie schützt oder nährt sie.“ Ihren eigenen Garten umgibt märchenhaftes Flair: Fast erwartet man, dass Dornröschen irgendwo ein Nickerchen hält. Inmitten der zauberhaften Idylle hält Werner zwei Bienenkisten mit rund 60 000 der Insekten. Sie imkert nicht, sondern bedient sich lediglich am Teil des Honigs, den die Bienen nicht selbst nutzen. Die Tiere findet sie faszinierend. „Sie sind ein wertvoller Bestäuber.“ Gleichzeitig beruhige sie das sonore Summen. Es gibt ihr außerdem Kraft, von Hand mit der Erde zu arbeiten: „Die Seele und der Geist werden wieder aufgefüllt.“
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