Mannheim. Vorigen Sommer war Jörg Finkler für die AfD noch sehr aktiv. Als ihr Bundestagskandidat saß er in Mannheim bei Wahlforen, trat bei Kundgebungen auf und lächelte von zig Plakaten. Doch mittlerweile hat Finkler die Partei verlassen, wie er nun auf Anfrage bestätigt. Er sei schon vor einigen Monaten ausgetreten, habe das aber „nicht an die große Glocke hängen“ wollen.
Zu den Gründen möchte der Polizist am liebsten nichts sagen. Entlocken lässt er sich nur einen Satz: „Die AfD hat sich bundespolitisch aus meiner Sicht nicht zu ihrem Vorteil verändert.“ Der Fraktion im Gemeinderat wolle er jedoch weiter angehören, weil die anderen Mitglieder - der Vorsitzende Bernd Siegholt, Ulrich Lehnert sowie Rüdiger Ernst, der Chef des Kreisverbands - ebenso wie er fest in der bürgerlichen Gesellschaft verankert seien.
Finkler hat immer wieder betont, dass er zu den Moderaten in der Partei zähle. Nach seiner Wahl in den Gemeinderat im Mai 2019, bei der er die meisten Stimmen aller AfD-Kandidaten holte, äußerte er sich im Gespräch mit dem "Mannheimer Morgen" sehr kritisch über den radikalen Flügel. Wegen dieser Leute habe seine eigene Mutter schon zu ihm gesagt: „Jörg, du bist jetzt ja bei den Nazis!“ Etwa in Thüringen und Sachsen, wo die Landesverbände als besonders extrem gelten, wäre er der AfD nach eigenem Bekunden nie beigetreten.
Diese Aussagen brachten dem gebürtigen Saarländer intern einige Kritik ein. Bei den folgenden Vorstandswahlen bekam er ein recht schwaches Ergebnis. Gleichwohl stieg Finkler später zum stellvertretenden Kreisvorsitzenden und dann zum Bundestagskandidaten auf. Bei seiner Nominierung im Februar 2021 nannte er die AfD „die letzte politische Hoffnung“. Dass diese nicht mehr so gut abschneide, sei in erster Linie den anderen Parteien und den Medien anzulasten, die „ein Zerrbild“ von ihr zeichneten. Doch müsse auch die AfD stärker darauf achten, bürgerliche Wähler nicht abzuschrecken. Mitunter sei eine „zurückhaltendere Politik“ sinnvoll.
Berufliche Gründe?
Offen bleibt, inwieweit berufliche Gründe bei seinem jetzigen Rückzug eine Rolle spielen. Dazu will Finkler gar nichts sagen. Öffentlich bekannt ist nur, dass er Anfang 2020 Ärger mit dem damaligen Polizeipräsidenten Andreas Stenger bekam. Auslöser war ein Facebook-Post, bei dem ein Nazi definiert wurde als „jemand, der eine Diskussion gegen einen Linken gewonnen hat“. Finkler beteuerte, er habe nur satirisch darauf hinweisen wollten, dass von manchen Linken immer gleich die „Nazi-Keule“ geschwunden werde. Sein Facebook-Profil nahm der Stadtrat nach der Kritik komplett vom Netz.
Besonders für Staatsdiener ist die Radikalisierung der Partei oft ein Problem, gerade wegen der Überwachung durch den Verfassungsschutz. Selbst ohne disziplinarische Folgen macht es sich etwa für Polizisten und Lehrer nicht sonderlich gut, sich für die AfD zu engagieren.
Dass Finkler aus der Partei ausgetreten ist, aber für sie kommunalpolitisch aktiv bleibt, dürfte mögliche Bedenken seiner Vorgesetzten indes nur bedingt lindern. Würde er aber als Einzelstadtrat weitermachen, wären ihm alle Ausschüsse verschlossen. Und seine bisherigen Mitstreiter verlören ohne ihn den Fraktionsstatus. Mit dann nur noch drei Stadträten würden sie lediglich als Gruppierung eingestuft, was einige Nachteile mit sich brächte. Einen hauptamtlichen Geschäftsführer beispielsweise bekäme die AfD nicht mehr bezahlt. Nach dem Tod von Robert Schmidt, der Ende Februar nach langer Krankheit verstarb, hat diesen Job mittlerweile der Kreisvorsitzende Rüdiger Ernst inne.
Auf Anfrage bezeichnet Ernst Finklers Parteiaustritt zwar als bedauerlich, aber auch als nachvollziehbar. Der 49-Jährige habe das alles sehr transparent und fair gemacht. Es gebe keinen Grund, mit ihm in der Fraktion nicht weiter zusammenzuarbeiten. Zumal die Ziele und Inhalte der AfD auch unverändert von Finkler vertreten würden.
In der vergangenen Wahlperiode erwischte es die Partei in Mannheim hart, als sie über Nacht komplett aus dem Gemeinderat flog: Im Zuge der bundesweiten Abspaltung des etwas liberaleren Flügels traten alle vier Stadträte aus. Drei machten als Gruppierung weiter, einer zunächst als Einzelstadtrat. Mittlerweile sind alle vier weitgehend aus der Lokalpolitik verschwunden, nur Gerhard Schäffner arbeitet noch auf Teilzeitbasis für die jetzige AfD-Fraktion.
Finkler wiederum ist trotz seines Parteiaustritts auch im Kreisvorstand noch präsent. Doch nur virtuell, auf der wenig aktuellen Homepage wird er nach wie vor als stellvertretender Vorsitzender geführt.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mannheimer-afd-stadtrat-joerg-finkler-ist-aus-der-partei-ausgetreten-_arid,1962305.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html