Reaktionen - Mannheim ist nach Stuttgart wieder zweitgrößte Stadt in Baden-Württemberg – das Netz reagiert humorvoll auf die Nachricht / Hintergrund zu Einwohnerzahlen

Mannheim vor Karlsruhe: Frotzelei und Fakten rund ums neue Städteranking

Von 
Lea Seethaler und Steffen Mack
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Blick in das Herz der Quadratestadt – die nun Karlsruhe größenmäßig überholt hat. © Bernhard Zinke

Mannheim.Mannheim ist eh eine verkannte Stadt!“, schreibt Annette Mühlböck bei Facebook unter der Nachricht des „MM“, dass Mannheim nach neuen Zahlen des Statistischen Landesamts Karlsruhe im Größenranking wieder überholt hat. Verkannt - das sei Mannheim unverständlicherweise - obwohl es als Industriestadt „so viele Arbeitsplätze“ und als Shoppingstadt „viele auch große Geschäfte“ biete, findet Mühlböck. Zudem sei die Kurpfalzmetropole Universitätsstadt, es gebe „schöne Parkanlagen“. „Topfeben und übersichtlich“ sei es hier, fasst Mühlböck zusammen, was die Stadt für sie liebens- und lebenswert mache.

Ehrgeiz und Frotzelei

Hans Lobenstein kommentiert unterdessen: „Ich weiß nicht, was ihr in Mannheim Miete bezahlt, aber hier in der schönen Gemeinde Ketsch zahle ich 760 Euro warm für 90 Quadratmeter.“ Dazu postet er ein Bild mit urlaubsmäßigem Blick aufs Wasser. Facebook-Nutzer Wolfgang Müller schreibt zur Nachricht des „MM“ nur: „Alles andere ist wider die göttliche Ordnung.“ Oliver Benjamin Hemmerle geht noch einen Schritt weiter und gibt sich im Netz gleich mal ambitioniert: „Wichtiger als das Überholen unserer badischen Nachbarstadt ist das Ein- und Überholen der Schwabenmetropole!“, frotzelt er. Stuttgart nämlich liegt auf Rang eins als größte Stadt im Land. Lena Lux macht indes ironisch klar, dass Mannheim wohl weiter wachse: „Bald kommen die ganzen Lockdownbabies dazu“, schreibt sie.

Fernab von Facebook äußert sich Oberbürgermeister Peter Kurz auf Anfrage zum Ranking: „Wir freuen uns natürlich, dass Mannheim jetzt wieder Platz zwei in Baden-Württemberg einnimmt.“ Überraschend sei diese Entwicklung „nicht ganz“, so Kurz. Denn die Bevölkerungsprognose zeige, dass Mannheim eine „wachsende Stadt ist und dass sich der Wachstumstrend der vergangenen Jahre fortsetzt“. Insbesondere trage auch die Entwicklung auf den Konversionsflächen dazu bei, betont Kurz. Langfristig werde entscheidend sein, „ob der nächste Zensus das Ergebnis von 2011 wesentlich korrigiert“, macht das Stadtoberhaupt deutlich.

Der Oberbürgermeister bezieht sich auf die umstrittene Haushaltsbefragung 2011, nach der das Land die Mannheimer Einwohnerzahl schlagartig um 23 000 nach unten korrigierte. Die Stadt hat ebenso wie andere vergeblich versucht, den Zensus juristisch wieder zu kippen. Nach eigenen Berechnungen entgehen ihr damit pro Jahr rund 23 Millionen Euro an Finanzmitteln aus Berlin und Stuttgart. Das Bundesverfassungsgericht wies die Klagen gegen die Erhebung zwar 2018 ab. Die Richter gaben der Politik mit auf den Weg, die methodischen Einwände - angeblich wurden vor allem Großstädte benachteiligt - beim nächsten Zensus zu berücksichtigen. Der ist eigentlich für 2021 geplant. Aber auch das steht nun natürlich unter Corona-Vorbehalt. Insofern könnte Kurz mit dem alten Zensus vielleicht noch länger leben müssen.

Für Frank Mentrup, Oberbürgermeister von Karlsruhe, hat die Veränderung indes einen „höchst aktuellen und eindeutig auszumachenden Grund.“ Die Corona-Pandemie wirke sich vor allem auf die Universitätsstädte im Land aus. „Online-Vorlesungen, eingeschränkte Austauschprogramme, Risikogebiete und Quarantäne - das alles ließ und lässt die Einwohnerzahlen in den Hochschulstandorten schrumpfen“, so der frühere SPD-Fraktionschef im Mannheimer Gemeinderat. Je höher der Anteil der Studenten an der gesamten Bevölkerungszahl, desto größer sei der absolute Verlust. „In Karlsruhe war der Rückgang deshalb im ersten Halbjahr 2020 auch der höchste in ganz Baden-Württemberg - mehr als doppelt so hoch wie etwa in Mannheim“, so Mentrup. Er findet allgemein: „Wettbewerb unter den Städten um Lebensqualität und Attraktivität ist zu begrüßen“ - dieser komme vor allem den Menschen zugute, die in den Städten wohnen.“

Unterschiedliche Zahlen und der Streit um den Zensus

  • Nach aktuellen Daten des Statistischen Landesamts leben in Mannheim 309 119 Menschen.
  • Die Stadt dagegen beziffert ihre Einwohnerzahl, ebenfalls offiziell, mit 321 261.
  • An den unterschiedlichen Stichtagen (Stadt: 31. Dezember 2019, Land: 31. Juli 2020) liegt dieser gewaltige Unterschied nicht.
  • Hintergrund ist der Streit um den Zensus 2011. Im Zuge der deutschlandweiten Haushaltsbefragung wurde die Mannheims Einwohnerzahl auf einen Schlag um 23 000 nach unten korrigiert. Damit fiel die Stadt auch erstmals seit 1961 im landesweiten Vergleich hinter Karlsruhe zurück.
  • Dem Zensus wurden von einigen Großstädten methodische Schwächen vorgeworfen, die sie benachteiligten. Entsprechende Klagen, auch von Mannheim, wies das Bundesverfassungsgericht allerdings 2018 ab.
  • Die Stadt entnimmt ihre Zahlen unverändert dem Einwohnermelderegister. Das Statistische Landesamt stützt sich dagegen auf den Zensus. Da es jedoch Zu- und Wegzüge, Geburten und Todesfälle aus Mannheim stets miteinrechnet, haben sich die Werte seither angenähert. (sma)

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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