Mannheim. In der Stadt, in der es erfunden wurde, hat das Fahrrad noch Entwicklungsmöglichkeiten: 57 Prozent der Bürgerinnen und Bürger wollen es künftig häufiger nutzen. Das geht aus der bundesweiten Studie „Fahrrad-Monitor“ hervor, an der die Stadt erstmals teilgenommen hat. Demnach ist das Rad das Verkehrsmittel in Mannheim mit dem größten Wachstumspotenzial.
Trotzdem ist das Ausgangsniveau hoch: „Bereits heute fahren die Mannheimerinnen und Mannheimer häufiger mit dem Fahrrad als andere deutsche Großstädter“, sagt Tim Gensheimer vom Sinus-Institut in Heidelberg, das die Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums umsetzte. So nutzten 68 Prozent der Menschen hier ein Fahrrad oder Pedelec mindestens ein paar Mal im Monat. Deutschlandweit sind es 60 Prozent. „Die Ergebnisse und der Vergleich mit anderen Großstädten zeigt: In Mannheim wird häufiger und begeisterter Fahrrad gefahren als in anderen deutschen Großstädten“, bewertet Gensheimer die Ergebnisse. Seine Folgerung: „Die Mannheimerinnen und Mannheimer sind Fahrrad-Fans.“
Kauf demnächst geplant
Als Beleg nennt er die Zahl derer, die in vergleichbaren Großstädten künftig häufiger Radfahren möchte: Die 42 Prozent stehen den eingangs genannten 57 Prozent in Mannheim gegenüber. Zudem planten 33 Prozent der Mannheimer in den nächsten zwölf Monaten den Kauf eines Fahrrads. In anderen Großstädten hätten nur 26 Prozent solche Pläne.
60 Prozent der befragten Mannheimer bewerten die Kommunalpolitik als fahrradfreundlich (Schulnoten 1 bis 3). In anderen Großstädten lag der Wert mit 56 Prozent etwas niedriger. Aus Sicht der Menschen hier punktet das Fahrrad im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln bei Kosten, Umwelt, Gesundheit, Spaß und Parkmöglichkeiten. Genutzt wird es vor allem für Einkäufe und Kurz-Erledigungen (62 Prozent der Radfahrenden hier machen dies mindestens ein paar Mal monatlich), Besuche bei Freunden, Familie und Bekannten (52 Prozent) sowie für Tagesausflüge (43 Prozent). 33 Prozent der Berufstätigen in Mannheim radeln regelmäßig zur Arbeit. In anderen deutschen Großstädten sind es nur 25 Prozent.
Viel Positives liest die Stadt Mannheim aus der Befragung – erkennt aber auch Punkte, die Mannheimerinnen und Mannheimer kritisch bewerten. „Besonders freue ich mich, dass Mannheim im Bundesvergleich in vielen Bereichen über dem Durchschnitt abschneidet, beispielsweise bei der Häufigkeit der Nutzung des Rads oder beim Gebrauch von Lastenrädern“, sagt Ralf Eisenhauer laut Mitteilung der Stadt zu den Ergebnissen. Der für die Verkehrsplanung und die Entwicklung des Radverkehrs zuständige Baubürgermeister (SPD) kündigt an, die Hürden anzugehen, die Menschen laut Studie vom Radfahren abhalten.
Rücksichtslose Autofahrer
So fühlt sich zwar mehr als die Hälfte der Radfahrenden in Mannheim (60 Prozent) im Straßenverkehr sehr sicher bis meistens sicher. Doch die Studie sagt auch, dass sich viele aufgrund „rücksichtsloser Autofahrer“ (65 Prozent), „zu viel Verkehr auf den Straßen“ (63 Prozent) und der „Gefahr von sich plötzlich öffnenden Türen von parkenden Fahrzeugen“ (57 Prozent) (eher) nicht sicher fühlen. Entwicklungspotenzial sahen die Teilnehmenden der Studie beim Radwegausbau und beim Zustand der Radwege, bei der Trennung von Radfahrenden, Fußgängern und Fahrzeugen oder der Anzahl von Fahrrad-Abstellanlagen.
„Die Forderungen der Befragten können wir gut nachvollziehen“, sagt Eisenhauer. Die Gründe, die für ein Unsicherheitsgefühl auf dem Rad angegeben wurden, seien aber kein Mannheimer Problem, sondern würden überall als solches gesehen. Die Stadt verweist bei ihrer Argumentation auf die bundesweiten Ergebnisse der Befragung. Wie das Dezernat von Eisenhauer weiter mitteilte, versucht die Stadt, die Lücken im Radverkehrsnetz zu schließen. Sie setze aber auch auf den Ausbau von Fahrradstraßen, bei denen Radfahrer Vorrang haben. Im nächsten Jahr kommen die Luisenstraße (Neckarau) und der Alte Postweg (Käfertal) hinzu. Außerdem beginnt der Bau des Radschnellweg-Teilabschnitts R 15 zwischen Vogelstang, Wallstadt, Käfertal und Innenstadt.
Die Studie der „Fahrrad-Monitor“
- Für die Studie des Heidelberger Markt- und Sozialforschungsinstituts Sinus wurden von Mai bis August 2021 insgesamt 300 Mannheimerinnen und Mannheimer zwischen 14 und 69 Jahren als zufällig ausgewählte und repräsentative Stichprobe am Telefon und online zu ihrem Nutzungsverhalten in Bezug aufs Fahrrad befragt.
- Der „Fahrrad-Monitor“ (Auftraggeber ist das Bundesverkehrsministerium) beschreibt alle zwei Jahre das subjektive Stimmungsbild der Radfahrenden in Deutschland.
- Seit 2017 werden auch einzelne Bundesländer, Regionen oder Kommunen erforscht. Dieses Angebot nutzten 2021 nach Angaben der Stadt Mannheim vier Städte und Gemeinden sowie fünf Bundesländer in Deutschland.
- Mannheim nahm zum ersten Mal teil. Der Radverkehr in Mannheim werde stetig ausgebaut und optimiert. Umso wichtiger sei es, „dass auch diejenigen zu Wort kommen, die die Wege bereits nutzen“, begründete Bürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD) im Juni die Teilnahme. stp
Bei besonders stark befahrenen Straßenabschnitten würden bei der Planung von Radstreifen – falls möglich – bauliche Sicherheitsbarrieren angebracht. Als Beispiel nennt die Stadt die geplante Protected Bike Lane (geschützte Radspur) am Luisenring. Zudem werde die Anzahl an Radbügeln erweitert, zuletzt beispielsweise in der Fressgasse und Kunststraße.
Der ADFC Mannheim sieht den bundesweiten deutlichen Trend zu mehr Radverkehr auch in Mannheim und hofft auf weiteren Rückenwind aus Gemeinderat und Verwaltung bei der Förderung des Radverkehrs. „Beim letzten ADFC Fahrradklima-Test 2020 mit Vergabe von Schulnoten wurde die Frage nach dem Sicherheitsgefühl mit 4,4 bewertet – das war lediglich knapp ausreichend“, nimmt der Vorsitzende Gerd Hüttmann Stellung zu den Ergebnissen der Studie. Ein ähnliches Ergebnis habe es auch in den letzten vier Umfragen der Jahre 2018 bis 2021 gegeben. „60 Prozent Radfahrende mit einem guten oder sehr guten Sicherheitsgefühl im Fahrrad-Monitor bedeuten also auch 40 Prozent mit einer sehr schlechten Bewertung ihrer Sicherheit“, so Hüttmann. Beide Umfragen zeigten daher „deutlich, dass ein nennenswerter und aus Gründen des Klimaschutzes dringend erforderlicher Zuwachs an Radfahrenden in Mannheim nur erreicht werden kann, wenn das Radfahren spürbar sicherer wird“, so Hüttmann.
Der Vorsitzende erklärt, dass ein wesentlicher Grund der Unsicherheit in beiden Studien in Konflikten mit Kraftfahrzeugen gesehen werde. „Zu knappes Überholen von Radfahrenden und damit das gefährliche Abdrängen in den Bereich der geöffneten Autotüren sowie das Abbiegen von Kraftfahrenden ohne Schulterblick sind sehr häufig genannte Konfliktursachen.“
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