Mannheim. Das Antidiskriminierungsbüro (ADB) Mannheim steht vor dem finanziellen Aus. Die Stadt Mannheim hat beschlossen, ihre Förderung ab 2026 drastisch zu kürzen. Damit entfällt ein zentraler Teil der Finanzierung. Noch schwerer wiegt: Das Land Baden-Württemberg hat seine Unterstützung an die städtische Beteiligung gekoppelt. Sinkt die eine, sinkt auch die andere, wie Jeasuthan Nageswaran, Leiter des ADB, im Gespräch mit dem „MM“ betont. Eine der wichtigsten Anlaufstellen für Diskriminierungserfahrungen in der Region könnte bald verschwinden.
Seit 2017 bietet das ADB Mannheim Beratung für Menschen, die Diskriminierung erleben, sei es im Beruf, in der Schule, bei Behörden oder im Alltag. Die Fachstelle ist unabhängig, niedrigschwellig und spezialisiert. Sie arbeitet mit einem interdisziplinären Team aus Psychologen, Sozialarbeitern und Sozialwissenschaftlern. Aktuell sind sechs Personen in Teilzeit beschäftigt – das entspricht zwei Vollzeitstellen. Die Finanzierung erfolgt bislang über Fördermittel der Stadt und des Landes.
Hohe Nachfrage, große Wirkung: Beratung im Alltag und in der Arbeitswelt
Die Arbeit des ADB geht weit über klassische Beratung hinaus. Die Fachstelle bietet psychosoziale Unterstützung, juristische Begleitung und vermittelt zwischen Betroffenen und Institutionen. Zwei spezialisierte Anwältinnen stehen Ratsuchenden kostenlos zur Seite. Ihre Stellen werden über das Land finanziert. Die Beratungen sind vertraulich, individuell und oft langfristig angelegt.
Ein Beispiel: Eine Mutter kommt mit ihrem Kind, das eine anerkannte Behinderung hat. Die Schule verweigert die Bereitstellung eines Laptops, obwohl dieser für die Teilhabe am Unterricht notwendig wäre. Das ADB schaltet sich ein, begleitet den Fall juristisch und erreicht, dass das Schulamt eingreift. Das Kind erhält den Laptop und damit Zugang zum Unterricht.
Die Kürzungen treffen uns in einer Phase, in der unsere Arbeit wichtiger denn je ist.
Ein anderes Beispiel betrifft Altersdiskriminierung. Menschen werden nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen oder aus bestehenden Arbeitsverhältnissen gedrängt – allein wegen ihres Alters. In Zusammenarbeit mit den Anwältinnen des ADB konnten Betroffene ihre Arbeitsplätze sichern. Altersdiskriminierung sei ein wachsendes Problem und werde oft unterschätzt. „Irgendwann wird es alle treffen“, verdeutlicht Nageswaran.
Die Nachfrage nach Beratung steigt seit Jahren. 2024 verzeichnete das ADB Mannheim 170 dokumentierte Fälle, mehr als jede andere Stelle in Baden-Württemberg. Die häufigsten Diskriminierungsbereiche sind Arbeit, Bildung und Behörden. Gleichzeitig sinken die Ressourcen. Zwei Mitarbeitende haben das Büro aufgrund der wegfallenden Förderung bereits verlassen, weitere planen den Abschied. Die verbleibenden Kräfte arbeiten unter hoher Belastung. „Die Kürzungen treffen uns in einer Phase, in der unsere Arbeit wichtiger denn je ist“, sagt Nageswaran.
Antidiskriminierung als Standortfaktor
Die Arbeit des ADB hat nicht nur eine soziale, sondern auch eine wirtschaftliche Dimension. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass Diskriminierung nicht nur ein ethisches, sondern auch ein wirtschaftliches Problem ist. Das ADB unterstützt Firmen beim Aufbau interner Beschwerdestrukturen, schult Führungskräfte und bietet Workshops an.
Die MVV Energie AG, die Universität Mannheim und das Nationaltheater gehören zu den Partnern. Auch die BASF hat das ADB beauftragt, Mitarbeitende in der IT-Abteilung zu schulen. Ziel ist es, ein respektvolles Arbeitsklima zu schaffen und gesetzliche Vorgaben umzusetzen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichtet alle Arbeitgeber – vom kleinen Imbiss bis zum Großkonzern – Maßnahmen gegen Diskriminierung zu ergreifen.
Zukunft nur mit Anschubfinanzierung
Langfristig könnte sich das ADB stärker über Unternehmenskooperationen finanzieren. Erste Schritte sind gemacht: Beratungsstunden werden verkauft, Workshops angeboten. Doch um dieses Modell auszubauen, braucht es eine Anschubfinanzierung. „Mit 50 000 Euro im Jahr könnten wir eine halbe Stelle finanzieren und Einnahmen generieren“, sagt Nageswaran. Doch der Gemeinderatsbeschluss zur Streichung der Mittel gilt als nahezu unumkehrbar.
Der Verein hatte für 2023 einen Zuschuss von 90.000 Euro von der Stadt erhalten, der für 2024 auf 142.500 Euro erhöht und für 2025 auf 135.000 Euro gesenkt worden war. Der Gemeinderat hat den Zuschuss für das ADB Ende 2024 bei den Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2025/26 auf 50 000 Euro pro Jahr ab 2026 reduziert. „Der Antidiskriminierungsbüro Mannheim e.V. kann ergänzend zum städtischen Zuschuss weitere Fördermittel einwerben, Mitgliedsbeiträge einnehmen oder Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten – das hat keine Auswirkungen auf die städtischen Zahlungen“, erklärte Stadtsprecher Dirk Schuhmann.
Die drohende Schließung des ADB Mannheim wäre ein Rückschritt – nicht nur für die Stadt, sondern für das ganze Land. „Das AGG wird 2026 20 Jahre alt. Was für ein Signal ist es, dass gerade in diesem Jahr gekürzt wird?“, fragt Nageswaran. Die Nachfrage sei hoch, die Wirkung messbar, der Bedarf ungebrochen. „Wir sind keine neue Initiative, sondern eine gewachsene Struktur. Wenn wir gehen müssen, beginnt alles wieder bei null.“
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