Porträt - Christian Borth wuchs in Feudenheim auf, lebte sieben Jahre in Paris und kehrte als gefragter Fotograf in seine Heimat zurück – mit einem neuen Blick auf die Stadt

„Mannheim ist ähnlich wie New York“

Von 
Angela Boll
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© Christoph Bluethner

Im Fokus zu stehen, das liegt ihm nicht. Christian Borth hat lieber selbst die Dinge im Blick. Er wirkt scheu im ersten Moment. Zurückhaltend, so als wolle er sein Leben schildern, ohne Teil davon sein zu wollen. Zugleich bewegt er sich selbstbewusst, fällt auf durch seinen Stil – eine Mischung aus Edelmann und Schulbub. Er wählt den Holzstuhl, setzt sich, hinten ins Eck. Man kennt ihn im „Café Prag“, weiß, dass der Fotoapparat, den er beiläufig, wie eine gerade abgenommene Mütze in der linken Hand hält, sein Lebenselixier ist.

Die kleine Olympus hat er immer dabei. Sie darf nach einiger Zeit auf dem Stehtisch neben dem Cappuccino ihren Platz einnehmen, auch sie gehört zu der Geschichte, die Christian Borth nun erzählt. Mit 39 erlebt er gerade so etwas, wie ein vorgezogenes Happy End, eine Phase, wofür andere ein Leben lang schuften: „Ich bin angekommen, und ich muss mich nicht mehr verbiegen. Es ist gerade sehr gut so, wie es ist.“ Angekommen ist Christian Borth da, wo er 1982 geboren wurde. In Mannheim. „Hier ist meine Basis und es fühlt sich so an, als ob sie das auch bleibt.“

Mit seiner Freundin Marion hat sich Borth im Haus des Großvaters in Feudenheim dieses maßgeschneiderte Reich geschaffen. „Eine Ruheoase“ mit Garten, Terrasse und einer „tollen Hausgemeinschaft“. Vor drei Jahren kehrte Borth in seine Heimat zurück und möbelte sich das Nest seiner Kindheit auf. Die sieben Jahre davor war er flatterhaft unterwegs gewesen, lebte mit einem niederländischen Künstler in einer WG in Paris – in einem Loft in China Town nahe der Seine. Von hier flog er aus, um die Welt kennenzulernen. Längst gehörte damals schon die Kamera zu seinem Leben. „Zu meiner Anfangszeit in Paris fehlte mir noch meine Handschrift. Ich übte meinen Beruf sehr deutsch aus. Korrekt. Beherrschte nur das Handwerkszeug.“

Die ersten Fotos schoß Borth mit 19. Ungelernt und ziellos war er unterwegs, vor allem im Filsbach-Viertel. Knipste mit der Nikon, die er von seinem Bruder zum Abi bekommen hatte. Er leistete Zivildienst im Filsbach-Café, kochte, spielte, lichtete ab, worüber er stolperte, und lernte dabei den Mannheimer Fotografen Alexander Grüber kennen. Über eine Zukunft als Sport- und Mathelehrer dachte er zu diesem Zeitpunkt noch nach, aber nicht mehr lange. Immer mehr gefiel ihm die Perspektive hinter der Kamera. Er lernte noch das analoge Arbeiten, vergaß im Labor die Zeit oder brachte Filme zum Entwickeln. „Schon damals hatte ich die Fähigkeit, beim Fotografieren den Kopf frei zu kriegen. Ich schlenderte und fing dabei meine Bilder ein.“

Mit abgeschlossener Ausbildung und der ersten Mappe unter dem Arm zog er 2003 nach Frankreich. Sechs Monate wollte er bleiben, um an seiner Leidenschaft feilen. Heute sagt Christian Borth: „In Paris hat meine Fotografie erst angefangen.“ Ganz klein sei er gewesen, als er den Profis assistierte, aber es habe sich toll angefühlt – „mittendrin“.

Der Cappuccino im „Café Prag“ bleibt beim Erzählen nahezu unbeachtet, nur ab und zu schiebt Borth mit dem Löffel den Milchschaum zur Seite. Seine Zurückhaltung hat er längst abgelegt. Aufrecht und gestikulierend unterstützt er nun die Worte, die plötzlich wie unter Freiheitsdrang fließen. Borth hat sich eingelassen auf die ungewohnte Situation im Mittelpunkt, taucht regelrecht ab in die vielen Erlebnisse der vergangenen Jahre.

Und? Wie sieht sie heute aus? Die Handschrift, die seine Werke ausmacht? „Für ein perfektes Bild muss es rundum Spaß machen“, erklärt Borth. „Wenn ich Mode fotografiere, versuche ich, ein Universum um das Produkt zu schaffen.“ Er sei nicht der Fotograf, der viele Anweisungen gebe: „Ich warte auf den richtigen Moment. Das braucht Zeit und Ruhe.“ Er retuschiere so gut wie nichts: „Ich will Authentizität.“

Mailand, Paris, New York – den Reiz der Mode-Metropolen kennt er, immer wieder führen ihn Aufträge an bekannte Kulissen. Dabei sei ihm gerade in den vergangenen Jahren eines bewusstgeworden: „Mannheim ist ähnlich wie New York. Nur fällt es den Menschen nicht auf. Und das macht es so wunderbar: Die Leute verstellen sich nicht.“ Die faszinierendsten Begegnungen habe er in Mannheim gemacht: „ehrlich, bodenständig, geradeaus.“Aus diesen Momenten sei unter anderem die Serie für „Mannheim Connected“ entstanden. Ein Herzensprojekt. Denn es zeigt die Verbundenheit mit seiner Basis, die Liebe zu den Menschen und zu ihren Geschichten, in denen sich Borth komplett zurücknehmen darf.

Leben und Wirken

  • Christian Borth wurde 19. Februar 1982 im Mannheimer Klinikum geboren.
  • Er wuchs mit seinem sechs Jahre älteren Bruder in Feudenheim auf. Der Vater starb, als Christian Borth 16 Jahre alt war. Mittelpunkt der Familie war lange der Frisörsalon „Borchardt“ der Mutter in Feudenheim.
  • Borth besuchte zuerst die Johann-Peter-Hebel-Schule und ging dann aufs Liselotte-Gymnasium. 2001 machte er Abitur.
  • Aktuell und noch bis 27. Februar sind im Mannheimer Capitol Fotografien von Christian Borth zu sehen.
  • Am Samstag, 22. Februar, ist Christian Borth mit anderen Künstlern der Prince House Gallery in Q6/Q7, 1. OG, von 14-19 Uhr zu Gast. 

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

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