Fast 60 Millionen

Land schnürt erneut ein Hilfspaket fürs Mannheimer Klinikum

Es ist wieder ein Haufen Geld, das in das defizitäre Uniklinikum Mannheim fließt. Diesmal kommt es vom Land und soll auch den Verbund mit Heidelberg ebnen.

Von 
Steffen Mack
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Das Mannheimer Universitätsklinikum ist unverändert in einer schwierigen Finanzlage. © Christoph Bluethner

Mannheim. Als für Mannheim zuständiger Reporter kommt man normalerweise nicht in den Genuss, eine Pressekonferenz mit dem Ministerpräsidenten im Livestream zu verfolgen. Im Lauf der rund einstündigen Veranstaltung kommt einem vor dem Bildschirm indes der ketzerische Gedanke, ob das tatsächlich ein Verlust ist. Zunächst beantwortet ein mürrisch wirkender Winfried Kretschmann allerhand Journalistenfragen. Die Bandbreite reicht von der AfD über Grenzkontrollen bis zum Wechsel eines Mitarbeiters des Grünen in die Wirtschaft. Danach geht es noch ausgiebig über das von der Landesregierung an diesem Dienstag gewünschte Thema: die Förderung der Raumfahrt.

Ein womöglich noch vielversprechenderer Zukunftszweig für Baden-Württemberg, der mit einer renommierten Forschungsallianz garnierte Verbund des Mannheimer Universitätsklinikums mit der Heidelberger Uniklinik, wird mit keiner Silbe erwähnt. Die federführende Grünen-Wissenschaftsministerin Petra Olschowski sitzt die ganze Zeit schweigend neben Kretschmann. Ihr Sprecher Matthias Schmid bestätigt danach aber dem „Mannheimer Morgen“, dass ein weiteres, in Mannheim sehnlichst erwartetes Hilfspaket geschnürt wurde: „Der Ministerrat hat heute in seiner Sitzung für eine weitere Überbrückungshilfe Landesmittel bis zu 59 Millionen Euro freigegeben.“

Entsteht an der Schafweide ein neuer kleiner Campus?

Oberbürgermeister und Klinikum-Aufsichtsratschef Christian Specht begrüßt auf Anfrage den Kabinettsbeschluss. Die neuerliche Finanzspritze des Landes sei wichtig, um den geplanten Start des Verbunds zum 1. Januar 2026 abzusichern. Der Christdemokrat erinnert daran, dass sich auch die Stadt wieder mit 40 Millionen Euro an dem für dieses Jahr erwarteten Defizit beteiligt. Damit habe sie ihre finanzielle Leistungsgrenze erreicht. „Die Überbrückungshilfe verschafft uns die notwendige Zeit, gemeinsam mit allen Partnern bis zum Jahresende die Grundlage für einen erfolgreichen Verbund zu legen, der die hochwertige medizinische Forschung und Lehre in der Region dauerhaft sichert und den Gesundheitsstandort Deutschland und Baden-Württemberg weiter voranbringt“, so Specht. Auch die Mannheimer Grünen-Landtagsabgeordneten Susanne Aschhoff und Elke Zimmer zeigen sich in einer Mitteilung erfreut.

Nach „MM“-Informationen nimmt der Verbund schon Konturen an, über die der Gemeinderat im nichtöffentlichen Teil seiner jüngsten Sitzung informiert wurde. So soll in der Klinikum-Betreibergesellschaft die Heidelberger Uniklinik 89,9 Prozent der Anteile übernehmen. Bei der Stadt verblieben also nur 10,1 Prozent. Dann wäre ihr Einfluss deutlich geringer, aber ebenso ihre finanzielle Belastung.

Bei der „Neuen Mitte“ könnten sich die Baukosten mit einer Umplanung deutlich reduzieren

Eine gute Lösung deutet sich auch bei der „Neuen Mitte“ an. Geprüft wird, die neue Gebäudekette im Zentrum nicht mehr waagrecht – also parallel zum historischen Hauptgebäude – zu bauen, sondern senkrecht dazu. Dafür müssten allerdings einige auf dem Gelände geplante Forschungseinrichtungen verlagert werden. Dafür prüft die Stadtverwaltung einen neuen Standort: die Schafweide, neben dem neuen SWR-Funkhaus. Dort wollte ein privater Investor Wohnraum errichten, er ist aber abgesprungen. Vorgesehen ist hier nun ein kleiner Campus, der auch ein Boarding House für Studierende und Auszubildende des Klinikums enthält.

Mit der Umplanung könnten sich die Kosten für die „Neue Mitte“ reduzieren, weil sich die Bauzeit verkürzen ließe und weniger Interimslösungen notwendig wären. Bisher wurde über einen städtischen Anteil von 500 bis 600 Millionen Euro spekuliert, das würde dann wohl deutlich weniger.

Gehofft wird auf endgültig Grünes Licht für den Verbund im Sommer

Den Plänen zufolge bleibt das Klinikum universitärer Maximalversorger, es sollen auch keine Hauptabteilungen oder Kliniken geschlossen werden. Um Synergieeffekte – auf die besonders Grünen-Gesundheitsminister Manne Lucha großen Wert legt – zu schaffen, würden aber bestimmte hochspezialisierte Behandlungen nur noch an einem Standort angeboten, also in Mannheim oder in Heidelberg. Ferner könnten Einrichtungen wie die Küche oder die Lagerhaltung zentral angesiedelt werden und auch kleinere Krankenhäuser der Region versorgen.

Zugesagt wurde, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird. Die beiden Fakultäten werden voraussichtlich zusammengelegt, die Studiengänge Marecum und Heicumed bleiben jedoch an beiden Standorten in der bisherigen Größenordnung erhalten. Auch die staatlichen Mittel dafür sollen in unveränderter Höhe weiterfließen. Laut Ministeriumssprecher Schmid wäre die verschmolzene Fakultät dann die größte in ganz Deutschland. Nicht nur in der Medizin, sondern fachübergreifend.

Im neuen, verkleinerten Aufsichtsrat des Mannheimer Klinikums wird die Stadt dem Vernehmen nach nicht mehr den Vorsitz und nur noch einen Sitz haben. Bei einem Drittel Arbeitnehmervertreter soll es bleiben.

Die Hoffnung ist, dass der Verbund noch vor der Sommerpause des Landtags endgültig beschlossen wird. Dann könnte er wie geplant Anfang nächsten Jahres seine Arbeit aufnehmen. Und aus der Pressekonferenz mit Kretschmann bleibt immerhin ein hübscher Satz in Erinnerung: „Wenn man Ziele formuliert, muss man es koppeln mit Maßnahmen, um sie zu erreichen.“

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Der Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrats des Universitätsklinikums, begrüßte auf Anfrage den Kabinettsbeschluss. „Die Unterstützung des Landes ist wichtig, um den Betrieb des Universitätsklinikums Mannheim bis zum geplanten Start des Verbunds mit dem Universitätsklinikum Heidelberg am 1. Januar 2026 abzusichern. Die Stadt Mannheim beteiligt sich erneut mit 40 Millionen Euro an dem erwarteten Defizit und hat damit ihre finanzielle Leistungsgrenze erreicht. Die Überbrückungshilfe verschafft uns die notwendige Zeit, gemeinsam mit allen Partnern bis zum Jahresende die Grundlage für einen erfolgreichen Verbund legen, der die hochwertige medizinische Forschung und Lehre in der Region dauerhaft sichert und den Gesundheitsstandort Deutschland und Baden-Württemberg weiter voranbringt. Dafür hat vor wenigen Tagen das Sozialministerium die wettbewerbsrechtlichen Grundlagen geschaffen.“

Nach Informationen dieser Redaktion soll der bei der Stadt Mannheim verbleibende Anteil an der Klinikum-Betreibergesellschaft nur noch 10,1 Prozent betragen, Heidelberg 89,1 Prozent übernehmen. Auch für eine deutliche Senkung der Baukosten bei der „Neuen Mitte“ wurde offenbar eine Lösung gefunden.

Die Krankenhäuser und ihre Allianz



klinika Mannheim und Heidelberg bemühen sich seit 2020 um eine Fusion.

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Um die Klinika wurde eine Health + Life Science Alliance“ gegründet, zu der auch die Uni Heidelberg, das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim sowie aus Heidelberg das Deutsche Krebsforschungszentrum, das Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung und das Europäische Molekularbiologie-Laboratorium gehören.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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