"Ein Hoch auf Hier" - Rainer Holzhauser liebt die Kurpfalz mit den Wasserturm - und schreibt Mundart-Gedichte darüber

Krank vor Heimweh nach Mannheim

Von 
Florian Balle
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Heimatverbunden: Mundart-Dichter Rainer Holzhauser vor seinem geliebten Wasserturm, in der Hand sechs Bände seiner selbstverlegten Buchserie.

© Balle

Rainer Holzhauser ist ein echter Monnemer. 1952 erblickte er im Städtischen Krankenhaus das Licht der Welt, zehn Jahre lang hat er in der Neckarstadt gelebt, bevor er 1962 nach Käfertal zog, wo er noch heute wohnt. Er schreibt Bücher, die Titel tragen wie "Kurpälzer Lieweserklärung". Die in Reimform geschriebenen Gedichte beleuchten im breiten pfälzer Dialekt "Das Badisch Pfälzische Himmelreich". Und nicht nur das: Ein Gedicht kritisiert etwa den ehemaligen Oberbürgermeister Gerhard Widder, der gegen den Wiederaufbau "des alde Kaufhaus" (so der Titel des Gedichts) am Paradeplatz war.

In den vergangenen vier Jahren hat Holzhauser 1400 Gedichte geschrieben. Die besten von ihnen sind in sechs Büchern gesammelt - ihre Titel beginnen allesamt mit "Kurpälzer . . .".

Am Montag erschien ein Buch unter dem Titel "Kurpälzer Erinnerung", das die "Kurpälzer"-Serie abschließt. Darin erzählt Holzhauser aus seinem Leben - und liefert ein gutes Stück Stadtgeschichte mit. "In der Neckarstadt waren lauter Ruinen, in denen wir Kinder damals gespielt haben", erinnert sich Holzhauser. "Aber es gab einen Spielplatz, eine Indianerlandschaft mit Hängebrücke, das war toll".

In aller Früh an den Schreibtisch

Ein Gedicht zu schreiben dauere für Holzhauser zwischen zehn und 30 Minuten. "Ich setze mich morgens um 6 Uhr an den Schreibtisch und schreibe ein, zwei Achtzeiler", berichtet Holzhauser aus seiner Schreibwerkstatt. Auf die Themen stößt der Mundart-Dichter im Internet oder durch unsere Zeitung. Seine Texte stellt der 63-Jährige auf Facebook online und wartet auf Reaktionen. "Das ist ein guter Stimmungsmesser", erklärt Holzhauser. "Manchmal bekomme ich bis zu 80 Zuschriften von Leuten, die sich gerne mit mir gemeinsam erinnern."

Auch tagesaktuelle Themen greift er in seinen Texten auf - und begegnet einem Vertreter der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, der bei einem Vortrag weiße Goofy-Socken trug, mit dem gleichen Spott wie halbstarken Pokemon-Spielern: "Unerklärlich hockt die Meute / am Wasserturm den Rasen lang / weil manchmal auf der Jagd nach Beute / man im Lauf nicht kämpfen kann", heißt es da. "Dass hier am Wasserturm wilde Gangs zu Pokemon-Jägern werden, da hört bei mir die Vernunft auf", ergänzt der 62-Jährige.

"Gedichte zu schreiben fällt mir unglaublich leicht, wahrscheinlich, weil ich schon ewig Büttenreden schreibe", so Holzhauser, der mit Orden und Auszeichnungen von Karnevalsvereinen überhäuft wurde. Zur Fasnacht nahm er auch Marco mit, einen seiner beiden Söhne: Bereits als Fünfjähriger stand er an einer selbst gezimmerten Bütt. Als Marco 18 Jahre alt war, wurden andere Dinge wichtiger - heute ist er 30 und hat selbst vier Kinder.

Lehre bei Haniel am Rheinkai

Vater Rainer blieb dem Büttenredenschreiben treu. Die tiefe Bindung zu seiner Stadt ist zu spüren: "Wenn ich mal zwei, drei Wochen lang weg war, wurde ich richtig krank." Erst, wenn er den Wasserturm aus der Ferne gesehen habe, sei es ihm besser gegangen, so beschreibt Holzhauser vollkommenernst. Auch Holzhausers gesamtes Berufsleben fand - von einigen Ausflügen abgesehen - in Mannheim statt: Während seiner Lehre bei der Haniel-Spedition arbeitete Holzhauser im Block 9 am Rheinkai, packte Getreidesäcke und entnahm daraus Proben.

1976 ging Holzhauser zu Alstom, damals BBC, und leitete dort Projekte im Transportbereich. Der Speditionskaufmann, der heute in Altersteilzeit arbeitet, freut sich auf mehr Zeit für seine Hobbys: Neben Büttenreden und Gedichte-Schreiben gibt es da - vorübergehend - noch das Männerballett.

Beim Ballett "viel Bein gezeigt"

So ganz ernstgenommen hat Holzhauser den grazilen Tanzsport nie: "Wir sind als Baby verkleidet sitzend auf die Bühne gerobbt", erzählt er. Auch sonst habe er "viel Bein gezeigt." Das sei aber nur "zur Gaudi" gewesen.

Auch schon bei der Band "Disco Express", bei der Holzhauser von 1980 bis 1986 Gitarre spielte, hätten alle gewusst, "dass bei uns der Punk abgeht." Die Formation ging mit 3,5 Tonnen Showequipment, Nebel-Blitz und Licht- und Showeffekten auf Tour.

Mit Humor und kurpfälzer Dialekt hat Holzhauser auch das Gedicht, das er unserer Zeitung zu ihrem 70. Geburtstag widmet (rechts abgedruckt) gespickt. Ein echter Monnemer eben.

70 Johr "MM"

Rainer Holzhauser mit seinem Gedicht über das "MM"-Jubiläum

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