Mannheim. „Es geht heute nur um euch, ihr seid heute wichtig!“ Kurz vor dem Start der nächsten Gruppe werden die Läuferinnen von einer Animateurin nochmals so richtig hochgepuscht: „Ihr seid heute die wahren Engel, Muddy Angels.“ Da reißen die Läuferinnen – auf Deutsch sind Muddy Angels matschige Engel – die Arme hoch, die Hände zu Victory-Zeichen geformt und schreien sich die Kehle aus dem Hals, das Adrenalin fließt. Sie können es kaum erwarten, dass auf dem Maimarktgelände endlich der Startschuss fällt.
Und dann, wenige Meter nach dem Start, befindet sich bereits das erste Hindernis: Durch hüfthohes Wasser müssen die Frauen. Bei der Hitze eine willkommene Abkühlung, die einige der Frauen zu einer spontanen Wasserschlacht animiert. Schon da ist klar, dass es bei dem Lauf mehr um Party und Spaß geht als um Leistung. Aber das wurde den Teilnehmerinnen schon vor dem Start gesagt: „Ihr bestimmt euer Tempo.“ Spätestens beim ersten Schlammhindernis gibt es Stau: Zunächst trauen sich manche Frauen nicht hinein, und dann wollen sie siegesgewiss und von Glückshormonen überschwemmt kaum wieder raus aus dem Schlamm.
Es ist bereits die zweite Veranstaltung dieser Art in Mannheim. Knapp 8000 Läuferinnen nehmen am Samstag und Sonntag beim Muddy Angel Run auf dem Maimarktgelände teil, wie Julia Heinen vom Organisationskomitee mitteilt. Im Vordergrund steht der Spaß, mit dem die Frauen in den mit Schlamm, Wasser und Schaum gefüllten Hindernisbecken hüpfen. Aber es geht auch um das Thema Brustkrebs, auf das mit dem Lauf in lockerer Atmosphäre aufmerksam gemacht werden soll.
„Mama hat Spaß auf der Strecke“
„Die Läuferinnen sind zu 100 Prozent unsere Zielgruppe, deswegen laufen auch nur Frauen mit“, sagt Heinen. Außerdem: „Bei Männern geht es immer nur um Leistung“, und das sei bei dieser Veranstaltung eben nicht ausschlaggebend. „Die Frauen wollen auch so ein bisschen unter sich sein. Das geht nicht, wenn Männer mitlaufen.“ Heinen beschreibt den Lauf als eine Flucht aus dem Alltag, einen Tag unter Freundinnen oder Kolleginnen, als: „Mama hat Spaß auf der Strecke.“ Das bestätigt eine Läuferin: „Ich weiß nicht, ob ich mitlaufen würde, wenn Männer dabei sind. Das passt dann nicht mehr. Das ist etwas für uns, und das ist gut so.“ Eine Kollegin ergänzt: „Wir sind Frau, wir schaffen das!“ Und da ist es wieder, das Victory-Zeichen.
So ganz unter sich sind die meisten Schlamm-Engel aber nicht: „Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein starker Mann“, sagt der Ehemann einer Läuferin aus dem Freudenberg-Team. Mit ihrer Fotoausrüstung jagen viele Männer ihren Frauen neben der Strecke von Hindernis zu Hindernis hinterher, sie fotografieren, filmen und feuern an. Im Ziel halten einige von ihnen obendrein eine Kühlbox mit kaltem Sekt parat. Auch Thorsten und Manuel haben ihre Frauen vom Team der Lampertheimer Schlammpaddler bei jedem Hindernis fotografiert: „Die haben alle paar Meter ein erfrischendes Schlammbad, während wir in der Hitze fast umkommen.“ Der ausgeprägte Wunsch nach Abkühlung lässt sie fantasieren und sie überlegen, sich beim nächsten Lauf als Frauen zu verkleiden, um mitmachen zu können. Manuel: „Ich werde dann zur Manuela.“ Und was wird aus dem Bart? Manuel verweist auf Travestiekünstler Conchita Wurst: „Das bekommen wir hin.“
Der Veranstalter hat bei der Hitze für die Besucher kurzfristig Schattenplätze und Wasserschläuche aufgebaut. Für die Läuferinnen gibt es zusätzliche Wasserhindernisse und Erfrischungsstationen auf der fünf Kilometer langen Strecke. Die Stadt hat zudem die Veranstaltung am Sonntag eingeschränkt: „Bis 13 Uhr müssen alle Läufer im Ziel sein“, berichtet Heinen.
„Von der Hitze haben wir nichts gespürt,“ sagt eine überglückliche Läuferin aus dem Team Running Gag im Ziel. Sie bestätigt, dass es auf der Strecke genügend Trinkgelegenheit und Kühlwasser in den Hindernissen gab. Noch klebt alter Schlamm auf ihrer Stirn, aber gedanklich ist sie schon wieder auf der Strecke: „Ich werde nächstes Jahr wieder mitlaufen.“
Katherin Switzer und Laufveranstaltungen für Frauen
- Laufveranstaltungen waren noch bis in die 70er Jahre eine reine Männerdomäne: Der weibliche Körper könne beispielsweise einen Marathonlauf nicht leisten, hieß es damals.
- Das änderte sich mit der Amerikanerin Katherin Switzer, die sich 1967 beim Boston Marathon als Mann anmeldete und startete.
- Als die Organisatoren mitbekamen, dass eine Frau mitlief, versuchten sie, Switzer aus dem Rennen zu nehmen. Aber Switzers Freund, der ebenfalls mitlaufende Footballspieler Tom Miller, verpasste dem Renndirektor einen Bodycheck und gewährleistete, dass keiner mehr seine Freundin anrührte, bis sie im Ziel ankam.
- Katherin Switzer war die erste Frau, die einen Marathon offiziell beendete. Sie wurde damit zur Ikone für die Gleichberechtigung von Frauen im Ausdauersport. dle
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-kopfueber-ins-schlammbad-und-gut-gelaunt-ueber-die-ziellinie-_arid,1477705.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html