"Das Abwehrspray müssen Sie nach vorn halten und die Klappe nach oben drücken." Frederik Demmer, berät im väterlichen Waffengeschäft zwei Kundinnen. Die beiden jungen Frauen aus Ludwigshafen informieren sich über Möglichkeiten, um sich in einer Gefahrensituation zu wehren. Melanie Dostuni arbeitet in der Gastronomie und ist deshalb häufig nachts unterwegs. "Da fühlt man sich unsicher", sagt sie. Auslöser für den Zeitpunkt des Kaufs seien die aktuellen Vorfälle gewesen. "Köln war das i-Tüpfelchen, das den Anstoß gab."
Nach den Übergriffen von Köln ist die Verunsicherung vielerorts groß. Auch die Anschläge von Paris haben Angst vor Übergriffen geschürt. "Die Unsicherheit hat sich extrem verstärkt", sagt Hans-Jürgen Demmer. "Wir merken einen wesentlich höhren Kundendurchlauf seit Köln." Er vertreibt in seinen Geschäften in der Region, darunter auch in Mannheim, verschiedene Selbstschutzartikel. Die meisten davon kämen nie zum Einsatz. "Wir hoffen, dass sie nicht verwendet werden müssen. Etwa ein Prozent benötigt ein Spray, 99 Prozent fühlen sich mit den Artikeln sicherer", schätzt Demmer. "Wenn das Sicherheitsgefühl gestärkt wird, haben die Artikel ihr Ziel schon erreicht."
Waffe kann an Angreifer fallen
Ein Sprecher der Mannheimer Polizei rät dazu, Selbstverteidigungswaffen nur einzusetzen, wenn der Umgang damit "erlernt und intensiv geübt wurde". Bei unsachgemäßer Handhabung von Sprays bestehe die Gefahr, sich selbst dem Wirkstoff auszusetzen, beispielsweise, wenn man gegen den Wind sprühe. "Jede Waffe kann zudem auch gegen einen selbst eingesetzt werden, wenn sie in die Hände des Angreifers fällt."
Dorothée von Humboldt, die zusammen mit ihrem Mann das Geschäft Waffen Lux betreibt, merkt auch in Heidelberg eine gesteigerte Nachfrage. "Wir haben vor Ort einen enormen Zulauf von Frauen und Vätern mit Töchtern, die sich schützen wollen. Die Menschen haben Angst", betont von Humboldt.
Im ganzen Bundesgebiet ist die Nachfrage nach Selbstschutzartikeln gestiegen. "Der Absatz hat sich im Vergleich zu 2014 verdoppelt", sagt Ingo Meinhardt, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Büchsenmacher und Waffenhändler (VDB). Auslöser seien vor allem die Anschläge von Paris gewesen. "Durch Köln hat sich die Angst weiter konkretisiert." Nicht nur Einzelhändler der Branche nehmen einen Zuwachs wahr. "Wir verzeichnen schon seit September eine erhöhte Nachfrage", sagt Kai Prase, Geschäftsführer des Pfefferspray-Herstellers DEF-TEC Defense Technology in Frankfurt gestern auf Anfrage. Die Lieferzeit betrage mittlerweile fünf bis sechs Wochen, rund 75 000 Pfeffersprays seien bestellt und noch nicht ausgeliefert worden. Sie sind hierzulande frei und ohne Waffenschein erhältlich, sind aber grundsätzlich nur zur Abwehr aggressiver Tiere zugelassen. DEF-TEC vertreibt die Pfeffersprays nicht direkt an die Endkunden, sondern über Internet- und Waffenhändler.
Neben Produkten wie Sprays und Alarmen können in Waffengeschäften auch Schreckschusspistolen frei erworben werden. Wer eine solche mit sich führen möchte, benötigt einen sogenannten kleinen Waffenschein, den man bei den Stadtverwaltungen beantragen kann. "Bei dem Antrag wird unter anderem die Zuverlässigkeit der Person, die persönliche Eignung und Sachkunde sowie das Bedürfnis geprüft", erläutert Florian Bittler, Sprecher der Stadtverwaltung Ludwigshafen. Eine Auskunft über die aktuelle Zahl der Anträge, war gestern nicht mehr möglich. Auch die Stadt Mannheim konnte keine Zahlen nennen.
Keine wesentliche Absatzsteigerung, sondern nur einen sporadischen Zulauf hat Gerhard Trampler in seinem Waffengeschäft in Mannheim zu verzeichnen. "In der Vergangenheit kamen überwiegend junge Frauen, die sich schützen wollten, nun kommen auch ältere", sagt Trampler. Er warnt jedoch davor, den Effekt von Selbstschutzartikeln zu überschätzen und durch Drohungen damit potenzielle Täter zusätzlich zu provozieren.
Zur Verbrechensprävention bietet das Polizeipräsidium Mannheim Selbstbehauptungskurse für Frauen an. Stark nachgefragt waren diese bereits nach dem Mord an der Mannheimer Studentin Gabriele Z. im Jahr 2013. Informationen zu den Kursen gibt das Referat Prävention unter Telefon 0621/1 74 12 01.
Selbstverteidigungswaffen
Im Einzelhandel und im Internet sind verschiedene Selbstverteidigungswaffen frei verfügbar.
Hochleistungstaschenlampen können Angreifer bis zu drei Minuten orientierungslos machen. Schrillalarme sollen Aufmerksamkeit erzeugen und Angreifer erschrecken.
Pfefferspray gilt als Tierabwehrspray und darf lediglich in einer Notwehrsituation gegen Menschen gerichtet werden. Entscheidet ein Gericht, dass es sich nicht um Notwehr gehandelt hat, liegt eine schwere Körperverletzung vor.
Sprays mit CS-Gas werden für den Einsatz gegen Menschen bei Notwehr vertrieben. Bei Zuwiderhandlung liegt eine Körperverletzung vor. akd
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