Studie - Wuppertal Institut zeigt Weg auf, den Kohlendioxid-Ausstoß der Stadt und ihrer Bewohner auf null zu fahren

Klimawandel – Mannheim kann Energiewende bis 2050 schaffen

Von 
Thorsten Langscheid
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Mannheim. Grüner Strom, grüne Fernwärme, mehr öffentlicher Nahverkehr, mehr Radverkehr – eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie zeigt Wege auf, wie Mannheim bis 2050 seinen Ausstoß an Kohlendioxid auf null herunterfahren kann. Am Montag stellten Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz, MVV-Chef Georg Müller sowie Professor Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts, und Karin Arnold vom Forschungsbereich Systeme und Infrastrukturen des Instituts die im Auftrag der MVV erarbeitete „Energierahmenstudie Mannheim – Wege zur Klimaneutralität“ vor.

Zentrales Ergebnis der Untersuchung ist: „Es geht“ – vollständige Klimaneutralität sei in den kommenden drei Jahrzehnten erreichbar, auch für eine industriell geprägte Stadt, wie Fischedick erläuterte: Die Studie schaffe „eine wissenschaftliche Grundlage für die Umsetzung konkreter Klimaschutzmaßnahmen in der Stadt und den dafür notwendigen breiten gesellschaftlichen Dialog.“ Sie helfe somit, die „zentralen Richtungsentscheidungen in den kommenden Jahren auf solider Basis treffen zu können“.

GKM-Aus in den 2030er Jahren

Die Forscher des weltweit renommierten, von Ernst-Ulrich von Weizsäcker 1991 gegründeten Instituts haben dabei keine Prognose abgegeben, sondern eine „Wenn-dann-Analyse“ angefertigt. „Entscheidungen“, so Mit-Autorin Karin Arnold, „muss die Politik treffen.“ Ein wesentlicher Bestandteil der Betrachtungen ist die Außerbetriebnahme des Großkraftwerks (GKM) im Laufe der 2030er Jahre. Mannheim würde dadurch vom Energie-Exporteur ins Umland zum Importeur.

Für Karin Arnold, Mitautorin der Studie, ist das keine überraschende Erkenntnis. Die „Energiewende“, die eigentlich auch eine Dezentralisierung der Energieversorgung sei, bringe dies mit sich, „Hier ist ein gewisses Umdenken erforderlich“, sagte sie. Denn es sei klar, dass erneuerbare Energien aus Wind und Sonne in ausreichender Menge auch für den industriellen Bedarf eben nur „in der Fläche“ und nicht in den Städten produziert werden könne.

Dass sich Stadt Mannheim und MVV bereits seit Jahren für Nachhaltigkeit und Klimaschutz einsetzen, unterstrich Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD). Im „Leitbild Mannheim 2030“ beispielsweise richtet sich Mannheim an den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen aus. Die Studie des Wuppertal-Instituts helfe, die „Handlungsfelder für ein klimaneutrales Mannheim zu definieren und weiter zu konkretisieren“ so Kurz. Wesentliche Ergebnisse der Studie sind:

Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen (grüner Strom): Mannheim kann langfristig mehr als doppelt so viel grünen Strom erzeugen als private Haushalte und Gewerbe verbrauchen. Dabei setzen die Wuppertaler Forscher auf die Nutzung von Sonnenenergie und plädieren für eine Photovoltaik-Offensive der Stadt Mannheim. Die Solarstrom-Potenziale reichen jedoch insgesamt nicht aus, um auch die gesamte industrielle Stromnachfrage vor Ort zu decken.

Wie die meisten deutschen Großstädte wird daher auch Mannheim nach der Abschaltung des GKM auf Importe von Elektrizität angewiesen sein. Manfred Fischedick: „Somit ist das Gelingen der bundesweiten Energiewende eine wesentliche Voraussetzung für die Klimaneutralität Mannheims.“

Fernwärme: Die Fernwärmenachfrage kann vollständig mit lokalen grünen Energien gedeckt werden. Dabei ersetzt die Wärme aus dem Müllheizkraftwerk („thermische Abfallbehandlung“), aus Biomasse, Flusswärmepumpen, sogenannter Tiefengeothermie und industrieller Abwärme vollständig die bisherige Wärmeproduktion aus dem GKM. Karin Arnold: „Wir empfehlen, den Blick auf die beträchtlichen geothermischen Potenziale in der Region zu legen“, diese seien ein wesentlicher Standortfaktor gegenüber anderen Kommunen. Gleichzeitig müsse der Bedarf für Heizenergie runter. Deswegen empfiehlt das Wuppertal-Institut „eine deutliche Forcierung der Gebäudesanierung.“

Verkehrswende: Die Umstellung der Verkehrssysteme spielt bei der Erreichung der Klimaziele eine große Rolle. Denn gesetzt den Fall, die lokale Energiewende funktioniert wie angenommen, droht der Verkehr zum CO2-intensivsten Sektor zu werden. Der Wechsel von Verbrennungs-Antrieben zum Elektroauto sei dabei „der wichtigste, aber nicht der einzige Hebel zur Emissionsreduzierung“. Um die Stadt lärm- und abgasfrei zu machen, empfiehlt die Studie zudem eine begleitende Umsetzung der Verkehrswende durch die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Radverkehrs.

Die Studie bringe „gute Nachrichten für alle, denen der Klimaschutz in Mannheim und in der Region am Herzen liegt“, so MVV-Chef Müller. Man müsse „schon heute weitreichende Entscheidungen treffen“ – nicht zuletzt, um die wirtschaftliche Grundlage des Unternehmens zu erhalten. Denn der menschengemachte Klimawandel rüttle an den Grundfesten dessen, was die Energiewirtschaft im 20. Jahrhundert aufgebaut habe, so Georg Müller.

  • Klimaneutralität bedeutet, dass nur noch unvermeidbare Mengen an Kohlendioxid (CO2) ausgestoßen und diese wenigen Emissionen voll ausgeglichen werden können.
  • In der Energierahmenstudie beschreiben die Wuppertaler Forscher ein ambitioniertes, aber realisierbares Klimaschutzszenario, das die lokalen Potenziale, Bedarfe und Herausforderungen Mannheims berücksichtigt
  • Sie geben Handlungsempfehlungen für konkrete Maßnahmen, die neben dem Kohleausstieg für das Erreichen der Klimaneutralität bis spätestens 2050 erforderlich sind.
  • Der Energieversorger MVV befasst sich seit 1997 mit der Reduzierung seines CO2-Ausstoßes. Damals wurde das erste Programm zur Minderung des Treibhausgases aufgelegt.
  • Auch die Stadt Mannheim arbeitet seit Jahren an diesem Ziel und hat sich zuletzt den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen verpflichtet (Leitbild Mannheim 2030).
  • Die Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie kann man auf der Homepage der MVV herunterladen.
  • Der Link lautet mvv.de/de/ueber-uns/nachhaltigkeit lang

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