Mannheim. Es liest sich wie ein Schreckensszenario, organisierte massive sexuelle Misshandlungen an Minderjährigen, das Protokoll einer professionellen Vernetzung zur Befriedigung krankhafter Neigungen. Auf mehreren Seiten hat Staatsanwältin Tina Haltrich die Ermittlungsergebnisse gegen einen 44-jährigen Mannheimer und zwei gesondert verfolgte Personen – einen Mann aus Australien und eine Frau von den Philippinen – zusammengefasst. Um 9.20 Uhr, kurz nach Eröffnung der Verhandlung am Landgericht, beginnt sie, die Details zu verlesen.
Partnerin fürs Leben
Der Angeklagte sitzt ihr gegenüber. So lange die Pressefotografen im Saal knipsten, trug er Schildkappe, Sonnenbrille und Regenjacke, hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, bot keine Einblicke. Jetzt hat er den Sichtschutz abgelegt, sitzt da mit gesenktem Blick. Er trägt ein blaues Oberhemd, eine graue Hose und schwarze Schnürstiefel. Wofür sich der 44-Jährige verantworten muss, legt nun die Staatsanwältin offen. Im Jahr 2012 soll er zum ersten Mal über das Darknet, einem anonymen Bereich im Internet, der nur über bestimmte Zugangsprogramme erreichbar ist, Kontakt zu den Philippinen aufgenommen haben. Er fragte nach Mädchen unter 14 Jahren für sexuelle Handlungen und mehr. „Er wünschte sich eine Partnerin in diesem Alter“, sagt Haltrich. Um die Ernsthaftigkeit seines Ziels zu untermauern, habe er seinen Kontaktleuten Geld überwiesen, insgesamt fast 6000 Dollar.
Laut Anklage wusste er, dass dieses Geld auch zur Produktion kinderpornografischer Videos genutzt wird. So soll er unter anderem einen Film finanziert haben, in dem ein einjähriges Mädchen an einen Stock gefesselt massiv misshandelt und penetriert wurde. Zwei Mal habe der Angeklagte die Philippinen besucht, immer mit dem Ziel, ein Mädchen für seine Zwecke zu erhalten. Nach Angaben der Ermittler gaben ihm seine Mittelsleute, was er wollte. Tata hieß das erste Mädchen, 13 Jahre alt. Es soll mit Valium betäubt worden sein, damit sich der 44-Jährige an ihr befriedigen konnte. Beim nächsten Asienbesuch soll der Mannheimer ein Haus für sich, seine Mittelsleute und ein neues Mädchen gemietet haben. Barbie, elf Jahre alt.
Weil sie durch das Valium nicht komplett bewusstlos gewesen sei, habe er keine sexuellen Handlungen an ihr vorgenommen, berichtet die Staatsanwältin. Fotos soll er dennoch gemacht haben. Eindeutige. Doch die Lage in dem Haus und mit den Mittelsleuten habe sich zugespitzt, der 44-jährige habe bemerkt, dass sich mit seinen Geschäftspartnern nicht sein eigentlicher Wunsch nach einer dauerhaften minderjährigen Partnerin erfüllen würde. Überstürzt sei er abgereist und nach Mannheim zurückgekehrt, heißt es.
Jahrelange Ermittlungen
Erst später, im Zuge der Ermittlungen gegen die Mittelsleute, sei die Leiche von Barbie in dem damals gemieteten Haus gefunden worden. Auch die Staatsanwältin muss jetzt kurz durchatmen: „Sie war einbetoniert im Küchenboden.“ Der Angeklagte schluchzt lauf auf, lässt minutenlang seinen Tränen freien Lauf. 2016, nach langen Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft, wurde er dann in Mannheim festgenommen. Er kooperierte mit den Behörden, kam nach kurzer U-Haft wieder auf freien Fuß – und ist es bis heute.
Der Vorsitzende Richter Michael Pfau schildert den Ermittlungsverlauf: Demnach gab 2016 die Generalstaatsanwaltschaft den Fall an die Kollegen nach Mannheim ab. Dort wurden „Nachermittlungen“ angestellt und Anfang 2018 Anklage erhoben. „Aufgrund starker Auslastung der Kammer wurde der Fall nicht weiter gefördert“, merkt Pfau an, erklärt, er habe im Sommer 2019 verhandeln wollen, dann hätten ihm aber Haftsachen vorgelegen, die vorrangig behandelt werden mussten. Verteidiger Steffen Lindberg spricht von einer rechtsstaatlichen Verfahrensverzögerung, findet, dass sich diese Tatsache strafmildernd auswirken müsse. Er mache niemanden einen persönlichen Vorwurf: „Das ist Ausdruck personeller Unterbesetzung“, betont er in der Verhandlungspause.
Für seinen Mandanten gibt Lindberg eine Erklärung ab, in dem alle Vorwürfe umfassend eingeräumt werden. Der Angeklagte bedauere die Taten und wolle nun für alles die Verantwortung übernehmen.
Wer ist der Angeklagte und warum ist er auf freiem Fuß?
- Der Angeklagte lebt in Mannheim. Vor Gericht gab er an, Privatier zu sein. Er habe von seiner Mutter Immobilien geerbt, die er verwalte.
- Der 44-jährige besuchte in seiner Kindheit mehrere Mannheimer Gymnasien, schaffte aber keinen Abschluss. Den holte er an der Abendakademie nach. Eine Ausbildung machte er nicht. Nach eigenen Angaben lebte er 14 Jahre in einer Beziehung. „Dann wollte ich etwas Jüngeres“, erklärte er dem Richter.
- Fragen zu seinen sexuellen Neigungen beantwortete der Angeklagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
- Der Haftbefehl gegen den 44-Jährigen wurde außer Vollzug gesetzt, weil der Beschuldigte von Anfang an geständig war. Er musste seinen Pass abgegeben und meldet sich wöchentlich auf einem Polizeirevier.
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