Schutz

Juristin will Rechte für die Natur: Gespräch über den Rheindamm

Die Idee klingt naiv, erhält aber immer mehr Aufmerksamkeit: Flüsse, Seen, Berge und Wälder sollen eigene Rechte bekommen. Was das für die Rheindamm-Debatte in Mannheim bedeuten würde

Von 
Stefanie Ball
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Die Rheindammsanierung wird auch die Baumallee in Mitleidenschaft ziehen. Seit Jahren wird gestritten, wie groß der Eingriff in die Natur sein darf. © Christoph BlÜthner

Mannheim. Laura Burgers ist Juristin an der Universität Amsterdam. Sie hat zusammen mit Jessica den Outer ein Buch geschrieben „Das Meer klagt an!“ Damit nehmen die Niederländerinnen Bezug auf das 1972 erschienene Buch „Should trees have Standing?“, „Sollten Bäume klagen können?“. Der US-Amerikaner Christopher Stone hatte anlässlich eines Rechtsstreits um ein Gletschertal in Kalifornien, in dem ein Skiresort gebaut werden sollte, eine Debatte darüber angestoßen, ob der Natur eigene Rechte eingeräumt werden sollten.

Laura Burgers, Juristin an der Universität Amsterdam. © Laura Burgers

Inzwischen hat sich die einstmals theoretische Überlegung in eine weltweite Bewegung entwickelt. In ihrem Buch haben Burgers und den Outer Fallbeispiele gesammelt, die neue Ansätze in der Debatte um die Bewältigung ökologischer Krisen aufzeigen können.

Frau Burgers, in Mannheim sorgt für Streit, wie der bestehende Rheindamm saniert werden soll. Sie plädieren dafür, der Natur selbst eine Stimme zu geben. Was würde das an der Debatte ändern, wenn der Wald auf dem Damm sich selbst verteidigen könnte?

Laura Burgers: Hinter der Idee, die Natur zum Subjekt zu machen und sie nicht länger als Objekt zu betrachten, dessen Besitzer damit machen kann, was er möchte, ist rechtlich betrachtet ein fundamentaler Schritt. Denn wenn wir die Natur als Rechtssubjekt begreifen, dann kann sie ihre Rechte selbstständig einfordern, einklagen und durchsetzen.

Streitfall Rheindamm

  • In Mannheim soll der Rheindamm saniert werden, das ist unstrittig. Die Frage ist nur: Müssen dafür Hunderte Bäume gefällt werden? Das Verfahren ist kompliziert, aktueller Stand ist, dass die Planfeststellungsbehörde – also die Stadt Mannheim – die Einwendungen der Bürger gegen die Pläne des Regierungspräsidiums Karlsruhe – das für die Sanierung zuständig ist – kategorisiert und diese dann zusammen mit den Stellungnahmen der Behörden und Verbände nach Karlsruhe übermittelt. Anschließend findet ein Erörterungstermin statt, bei dem alles auf den Tisch kommt. Erst dann wird eine Entscheidung gefällt. Der Erörterungstermin wird im kommenden Jahr sein.
  • Parallel läuft am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim ein Verfahren, bei dem es um die Erneuerung eines Dammabschnitts südlich von Karlsruhe geht. Auch dort gibt es Streit, wie groß der Eingriff in den Waldbestand sein darf. 

Wie soll das praktisch funktionieren, die Natur kann ja nicht selbst vor Gericht erscheinen?

Burgers: Aber die Betrachtungsweise würde sich ändern. Erhält die Natur Eigenrechte, wird sie mit anderen Interessensvertretern, den Menschen oder Unternehmen, gleichgestellt. Ob das die Welt retten wird, bleibt abzuwarten. Es wird uns aber im Einzelfall helfen, wenn es darum geht, die Natur zu schützen. Bislang wird sie ja nur dann geschützt, wenn es uns Menschen oder einem Unternehmen nützt. Träger von Rechten ist nach unseren Vorstellungen nur der Mensch oder Institutionen, die er geschaffen hat, Organisationen oder Firmen. In der Weltanschauung indigener Völker gibt es diese strikte Trennung zwischen Mensch und Natur nicht.

Welche Länder gewähren der Natur bereits Grundrechte?

Burgers: Ecuador war 2008 das erste Land weltweit, das der Natur Verfassungsrechte eingeräumt hat. Das hat 2021 erstmalig dazu geführt, dass Pläne zum Abbau von Kupfer und Gold gestoppt wurden. Seitdem ist aus der Idee, der Natur Existenzrechte einzuräumen, eine weltweite Bewegung geworden.

Was ist mit europäischen Ländern?

Burgers: In Spanien wurde 2022 eine Salzwasserlagune als Rechtssubjekt anerkannt, das Mar Menor. Es ist Europas erstes Ökosystem mit eigenen Rechten. In Deutschland gibt es ein Volksbegehren, um die Rechte der Natur in den Verfassungen der Bundesländer zu verankern.

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Aber es ist ja auch so schon möglich, dass sich Menschen oder etwa Umweltschutzverbände stellvertretend für Tiere, Pflanzen oder Bäume einsetzen und im Fall des Falles auch vor Gericht ziehen.

Burgers: Ja, in der Praxis ist das möglich. Bei genauerer Betrachtung sind die Interessen, die Umweltschutzverbände schützen können, jedoch immer noch an menschliche Interessen gebunden. Sie werden dann als Ideale des Menschen verstanden. Dies hat praktische Auswirkungen, wenn es um bestimmte rechtliche Anforderungen geht, etwa der „Verhältnismäßigkeit“ oder der Frage, ob ein bestimmter Schaden „vernachlässigbar“ ist. Verhältnismäßigkeit wird gegen menschliche Interessen abgewogen, und auch, ob der Schaden vernachlässigbar ist, wird nach menschlichen Maßstäben berechnet – nicht eben nach denen der Natur selbst.

Die Debatte um den Klimawandel spaltet zunehmend die Gesellschaft. Selbst wenn die allermeisten den Klimawandel nicht in Frage stellen, sind sie von Akteuren wie den Klimaklebern genervt. Wie nehmen Sie das wahr?

Burgers: Als professionelle Juristin würde ich selbst davor zurückschrecken, das Gesetz als Handlungsform zu brechen. Doch davon abgesehen: Der Klimawandel stellt eine existenzielle Bedrohung für die Menschheit darf, da ist es legitim, dass sich Menschen für den Klimaschutz stark machen. Auch mit extremeren Maßnahmen, solange diese Maßnahmen gewaltfrei sind.

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