Bildung - 53 Schüler und Schülerinnen erhalten Stipendium vom Land / 14-jährige Syrerin und 20-jähriger Grieche aus Mannheim dabei

Junge Talente werden vom Land gefördert - auch zwei Mannheimer erhalten Stipendium

Von 
Katja Geiler
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Reham Kouzoo. © Bjoern Haenssler

Obwohl sie erst 14 Jahre alt ist, blickt Reham Kouzoo schon jetzt auf ein bewegtes Leben zurück: Vier Jahre lang hat die gebürtige Syrerin ohne Eltern gelebt. „Meine Eltern waren in der Türkei, meine Brüder hier in Deutschland, aber getrennt von mir. Am Anfang lebte ich in einer Pflegefamilie, dann in einer Aufnahme in Bretten“, sagt Reham. Mittlerweile besucht sie die achte Klasse des Moll-Gymnasiums, ihren Eltern gelingt 2019 die Einreise und die Familie ist wieder vereint. Deutsch lernt die junge Syrerin ohne Sprachkurs, im Schulalltag. „Am Anfang hatte ich nicht viel Anschluss. Ich hatte Angst, auf Leute zuzugehen. Doch ich wollte Freunde, deshalb war ich darauf angewiesen, die Sprache zu lernen.“

Für begabte Schülerinnen und Schüler wie Reham, die auf dem Weg zum Abi oder zur Fachhochschulreife noch zusätzliche Herausforderungen des Alltags zu meistern haben, gibt es Unterstützung: das Stipendienprogramm Talent im Land (TiL), getragen von der Baden-Württemberg Stiftung, Josef Wund Stiftung und Menold Bezler Stiftung.

Was die Stipendiaten bewegt

Gleich zwei Mannheimern ist es gelungen, dieses Stipendium samt finanzieller Unterstützung zu ergattern: Neben Reham wird auch der 20-jährige Mario Petrov gefördert, der die 12. Klasse des Friedrich-List-Gymnasiums besucht. Er wurde in Griechenland geboren, lebte eine Zeit lang in Bulgarien und ist seit 2016 in Deutschland.

In einem Festakt im Neuen Schloss in Stuttgart wurden die beiden mit 51 weiteren Stipendiaten von den Geschäftsführern der Stiftungen und Kultusministerin Theresa Schopper gewürdigt und offiziell ins Stipendienprogramm aufgenommen. Die 39 Schülerinnen und 14 Schüler sind ausgesprochen vielfältig, 22 sind in Deutschland geboren, die anderen stammen aus 15 verschiedenen Geburtsländern. Die Altersspanne reicht von zwölf bis 21. Aus der Rhein-Neckar-Region kommen vier Teilnehmer: Vejin Cingöz aus Heddesheim, Rima Mirzai aus Dielheim, Reham Kouzoo und Mario Petrov aus Mannheim.

Stipendiumprogramm für Schülerinnen und Schüler

Talent im Land (TiL) ist ein Stipendienprogramm für Schülerinnen und Schüler ab Klasse 7, die Abi oder Fachhochschule-Reife anstreben und deren Leben bisher nicht reibungslos verlaufen ist, zum Beispiel aufgrund von Flucht oder sozialen Problemen.

Nun wurde in einem Festakt in Stuttgart der 2021er-Jahrgang offiziell ins Stipendienprogramm eingeführt. TiL gibt es seit 2003, getragen von drei Stiftungen.

Schüler, auf die die Auswahlkriterien zutreffen, können sich vom 1. Februar bis 15. März 2022 online bewerben.

Im Jahrgang 2021 gab 53 Stipendiaten, davon vier aus der Rhein-Neckar-Region, zwei davon aus Mannheim.

Beide Stipendiaten sind sozial oder politisch engagiert und interessiert an Themen wie Klimawandel, Gleichberechtigung der Frauen, Chancengleichheit in der Gesellschaft und Hilfe in Krisenregionen. kge

Was die beiden Mannheimer besonders bewegt? Ein Thema, das der 14-jährigen Reham am Herzen liegt, ist der Klimawandel: „Wir sind mittendrin, es gibt kein Entkommen. Wir sollten jetzt anfangen zu handeln, nicht erst 2030 oder 38. Es gibt ein Riesenproblem, und wir müssen die Lage Stück für Stück verändern.“ Auch die Gleichberechtigung der Frauen ist der Schülerin wichtig. „Zwangsheirat, Verstümmelung, häusliche Gewalt, das alles sind Dinge, die es nicht geben sollte. Viele Menschen haben noch Stereotype, wie Frauen, Küche, Kinder. Davon sollten wir uns losreißen.“

Der 20-jährige Mario setzt sich vor allem für eine gerechte Gesellschaft mit Chancengleichheit ein. „Wir sollten Menschen helfen, die Armut erlebt haben, die nicht die Unterstützung bekommen haben, die ich bekam. Wir sollten das Sozialsystem fördern.“ Mit ihren Vorstellungen erfüllen die beiden auch nicht nur die Auswahlkriterien für das Stipendium wie gute schulischen Leistungen und außerschulische Ambitionen wie zum Beispiel Musik oder Kunst. Sondern eben auch soziales und politisches Engagement. Mario interessiert sich aber auch für Architektur und Stadtplanung, bei der bezahlbare Wohnungen der Hauptaspekt sind.

In seiner Freizeit nimmt der 20-Jährige an Mapathon-Veranstaltungen teil. „Dabei werden anhand von Satellitenbildern Karten hergestellt, zum Beispiel von Orten, wo es eine Naturkatastrophe gegeben hat. Anhand der Karte kann man dann schauen, wo Menschen gewohnt haben.“ Sein zweites Hobby ist das Zeichnen, er besucht die Malschule von Christine Behrens.

Das Stipendium, das ihn und Reham nun für den weiteren Lebensweg unterstützen soll, beinhaltet eine monatliche finanzielle Unterstützung für schulische Dinge und extra Zuschüsse für Klassenfahrten, Nachhilfe oder außerschulisches Engagement. Hinzu kommen ein Seminar- und Workshopangebot und Begleitung durch eine Person von Talente im Land. Zusätzlich werden die Teilnehmer Teil eines Netzwerks aus Stipendiaten und Alumni, die sich auch nach dem Schulabschluss gegenseitig unterstützen.

Ärztin werden und Politikstudium

Was sich die beiden für die Zukunft wünschen? Wenn Mario einen Wunsch frei hätte, würde er sich wünschen, dass die Menschen mehr aufeinander achten, auch auf Menschen aus anderen Ländern. Auch mehr Achtsamkeit im Bezug auf den Klimawandel fände der 20-Jährige wichtig. Der angehende Abiturient möchte nach seinem Abschluss Politikwissenschaft oder Wirtschaft studieren. Und die 14-jährige Reham? Wenn die Schülerin einen Wunsch frei hätte, würde sie sich wünschen, dass es keinen Hass mehr auf der Welt gibt. „Dann könnten wir alles erreichen“, sagt Reham. Sie will nach dem Abitur Medizin studieren.

Freie Autorin Ich schreibe am liebsten über kulturelle Events wie Lesungen, Theaterstücke und Konzerte in Ludwigshafen und der Region.

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