Diebstahl-Serie - Land verweist auf bereits bestehende geschlossene Einrichtung – doch die verfolgt primär pädagogische Ansätze

Junge Straftäter nach Stutensee?

Von 
Steffen Mack
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Das Heinrich-Wetzlar-Haus gehört zum nordbadischen Schloss Stutensee und ist für jugendliche Täter anstelle der Untersuchungshaft gedacht. © HWH

Mannheim. Beim Schloss Stutensee im Landkreis Karlsruhe gibt es ein Haus für jugendliche Straftäter. Benannt ist es nach seinem Gründer Heinrich Wetzlar. Den deportierten die Nazis 1943 ins Ghetto Theresienstadt, wo er starb. Zuvor war er Landgerichtspräsident in Mannheim. Nun könnte die von ihm gegründete Einrichtung seiner Heimatstadt, rein theoretisch, bei einem Problem helfen: Dem Umgang mit jener Gruppe unbegleiteter männlicher Ausländer (Uma), die vorwiegend aus Marokko kommen und ständig mit Diebstählen und anderen Straftaten auffallen. Das legt jedenfalls die Antwort des Stuttgarter Innenministeriums auf eine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Boris Weirauch nahe.

Der wollte wissen, wo es geschlossenen Einrichtungen für junge Intensivtäter gibt. Da zählt das Ministerium drei auf: in Stuttgart, in Riegel am Kaiserstuhl und eben im nordbadischen Stutensee. Allerdings dienten sie der Jugendhilfe, sie stünden nicht unter dem „Primat des Schutzes vor einem Ausbruch“.

Nicht fluchtsicher

Was das bedeutet, erklärt Sabine Haid. „Wir gelten als fluchthemmend, nicht als fluchtsicher“, so die zuständige Bereichsleiterin im Schloss Stutensee. „Dass ein Jugendlicher abhaut, kommt immer wieder mal vor.“ Aber Priorität habe ganz klar der Erziehungsgedanke, um künftig von Straftaten abzuhalten.

Dagegen heißt es über jene Täter aus Mannheim, sie seien für pädagogische Konzepte absolut unerreichbar. „Dann bin ich für die falsch“, sagt Haid. Die Unterbringung im Heinrich-Wetzlar-Haus muss auch ein Jugendrichter anstelle von Untersuchungshaft anordnen. Das Problem bei besagten Nordafrikanern ist indes, dass ihre einzelnen Taten dafür meist nicht ausreichen. Mittlerweile sind sie laut Stadt zwar alle mindestens 14 Jahre alt und strafmündig. Jemand hinter Gitter zu stecken, erlaubt das Jugendstrafrecht aber nur bei schweren Vergehen.

Allerdings hat Haid noch eine zweite Gruppe von Jugendlichen, deren Unterbringung nicht strafrechtlich begründet ist. Möglich macht dies das Familienrecht bei einer Selbst- oder Fremdgefährdung. Darauf weist auch das Innenministerium in der Antwort an Weirauch hin, betont aber, dies müsse „aus Gründen des Kindeswohls erforderlich und verhältnismäßig“ sein.

Weirauch fühlt sich bestätigt

Haid betont jedoch, ihre zweite Gruppe sei für kriminelle Uma erst recht völlig ungeeignet. In der habe sie auch nur sechs geschlossene (und acht offene) Plätze, die über viele Monate hinaus an Zwölf- bis 15-Jährige vergeben seien, die keinerlei Straftaten begangen hätten. „Da kann ich leider nichts für Mannheim tun“, bedauert die Bereichsleiterin. Sonst arbeite sie aber gerade mit dem Haus des Jugendrechts immer sehr gut zusammen.

Weirauch sieht sich gleichwohl in seiner Auffassung bestätigt, dass es generell möglich sei, junge Intensivtäter für einen bestimmten Zeitraum in geschlossenen Einrichtungen unterzubringen. „Die Regierung muss betroffene Kommunen hier endlich besser unterstützen, anstatt den schwarzen Peter alleine auf die Städte zu schieben.“ Auch solle der rechtliche Rahmen für Abschiebungen voll ausgeschöpft werden.

Der Brandbrief von Peter Kurz an Thomas Strobl und die Reaktion des Innenministers

23. Oktober: Peter Kurz schreibt Innenminister Thomas Strobl einen Brief, in dem er auf eine Gruppe von zehn bis 15 jugendlichen Straftätern – vorwiegend aus Marokko – hinweist. Der Oberbürgermeister bittet das Land um Hilfe, diese sogenannten Uma (unbegleitete männliche Ausländer) in einer geschlossenen Einrichtung unterbringen zu können.

30. November: Die „Stuttgarter Nachrichten“ berichten über den von Kurz vertraulich gedachten Brief.

1. Dezember: Das Medieninteresse ist auch überregional gewaltig, mehrere TV-Teams kommen ins Rathaus. Kurz sagt: „Wir sind am Ende unseres Lateins.“ Strobl lässt ausrichten, kriminelle Uma seien ein „Problem, das mich schon lange umtreibt“.

6. Dezember: Strobl antwortet Kurz schriftlich, er teile seinen Unmut über die jungen Straftäter. Vor der Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung gebe es jedoch hohe rechtliche Hürden. Entscheidend sei, dass alle Instrumente zur Altersfeststellung genutzt würden.

12. Dezember: Die Stadt hofft laut Sprecher Ralf Walther weiter auf eine geschlossene Einrichtung. Strobls Angebot, Kommunen im Umgang mit straffälligen Uma zu unterstützen, nehme man gern in Anspruch.

22. Dezember: Strobl kritisiert Kurz heftig. Der Sozialdemokrat wolle das Problem nicht ernsthaft lösen, sondern „ducke sich weg, wenn der Wind heftiger wird“. Zudem beklagt der CDU-Minister, dass Mannheim nicht alle Möglichkeiten zur Altersfeststellung ausschöpfe. Stadtsprecher Walther erklärt, man beteilige sich nicht an „parteipolitischem Pingpong“.

28. Dezember: Die Stadt verteidigt ihre Methode, dass Alter von Umas mit standardisierten Gesprächen und nur im Zweifel medizinisch feststellen zu lassen. Selbst Röntgenuntersuchungen ergäben nur eine mögliche Altersspanne von eineinhalb bis zwei Jahren. Sobald ein Täter die Strafmündigkeitsschwelle von 14 Jahren unstrittig erreicht habe, sei sein genaues Alter weniger erheblich. sma

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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