Mannheim. Andrei Berbescu und Murphy sind zum Reinschnuppern hier. Der Foxterrier begrüßt einen auf dem Gelände am Neckarkanal mit energischem Bellen. Sein Herrchen sagt, es gehe ihm darum, dass der Vierbeiner ein bisschen besser höre. Dafür besuchen die beiden erstmals den Anfänger/Rüpel-Kurs beim Verein der Hundefreunde (VdH) Mannheim-Feudenheim.
Der wird vom 1. Vorsitzenden Uwe Götzinger geleitet. Er begrüßt die Teilnehmer und ruft: „Leckerli raus, wir gehen rückwärts.“ Die Tiere sollen an der Leine folgen. Murphy macht das recht gut. Auch wenn er zwischendurch mal kurz unterbricht, um den Reporter zu maßregeln. „Weniger bellen, mehr konzentrieren“, mahnt Berbescu.
Zwei andere Hunde verlieren bald die Lust an den Übungen. Sie reißen sich los und jagen einander mit hinterher schleifenden Leinen über den Platz. Andere würden wohl auch gern mitmachen und stimmen wütendes Gebell an. Mit Leckerli sind die beiden Ausreißer bald wieder eingefangen, es geht weiter.
Anstieg vor allem in der Pandemie
Auf dem Areal sind gleichzeitig zwei weitere Kurse. Einer für Fortgeschrittene, einer für Hundesport. Bei ihnen geht es braver zu. Das Interesse an den VdH-Angeboten sei schon immer groß, sagt Götzinger. „Aber Corona hat es nochmal getoppt“.
Dass sich viele Menschen in der Pandemie vierbeinige Gefährten zugelegt haben, zeigt sich an Zahlen. Laut Stadtsprecherin Désirée Leisner sind dieses Jahr in Mannheim erstmals mehr als 12 000 Hunde gemeldet, damit kommt rechnerisch einer auf 27 Menschen. 2012 waren es noch knapp 8500 Hunde. Seither geht nach oben, zuletzt steil.
Entlastung für Tierheime gefordert
Das ist ein bundesweites Phänomen. Beim Deutschen Tierschutzbund heißt es, die immens gestiegene Nachfrage nach Haustieren sei verständlich. Diese brächten Freude, „sie schenken Wärme, Zuneigung und bieten Ablenkung und Beschäftigung in schwierigen Zeiten. Dinge, nach denen sich viele Menschen insbesondere während des Lockdowns gesehnt haben“, so Sprecherin Nadia Wattad.
Doch gebe es da auch Kehrseiten, etwa den zwischenzeitlich explosionsartig gestiegenen illegalen Welpen-Handel. Vor allem hätten sich viele Käufer nicht ausreichend überlegt, was da auf sie zukomme. Das habe zu völlig überfüllten Tierheimen geführt. Hier seien die Kommunen in der Pflicht, mit ihren Rekordeinnahmen aus der Hundesteuer zu helfen.
Bei uns sind wie vor Corona hauptsächlich Hunde aus schlechter Haltung untergebracht, die von der Stadt beschlagnahmt wurden.
Im Mannheimer Tierheim hat sich die Lage laut Leiter Thomas Gebhardt mittlerweile etwas gebessert. „Bei uns sind wie vor Corona hauptsächlich Hunde aus schlechter Haltung untergebracht, die von der Stadt beschlagnahmt wurden.“ So gerade wieder ein Kangal. Mit dem riesigen Hirtenhund, in der Türkei ursprünglich zur Abwehr von Bären und Wölfen gezüchtet, seien seine Besitzer völlig überfordert gewesen.
Den Melderekord in Mannheim sieht Gebhardt „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“. Als Hundefreund freue er sich, aber ihm fielen auch viele sich schlecht betragende Hunde auf. Über Wild jagende Vierbeiner oder unerfreuliche Begegnungen mit Radfahrern, Joggern und Spaziergängern wird auch in Leserbriefen wiederholt geklagt.
Das Problem ist eigentlich immer am anderen Ende der Leine.
Götzinger vom VdH Feudenheim sieht ebenfalls vermehrt schlecht oder gar nicht erzogene Hunde. Zumal im Lockdown nur Einzelunterricht möglich gewesen sei, darunter leide das Sozialverhalten. Der Trainer betont indes: „Das Problem ist eigentlich immer am anderen Ende der Leine.“ Mit ausreichend Erziehungsarbeit sei überall Besserung möglich. Dafür müssten Herrchen oder Frauchen aber einige Zeit investieren. In der Regel empfehle er mindestens eineinhalb Jahre zweimal pro Woche Hundeschule. Vielen - Menschen wie Tieren - mache es aber so viel Freude, dass sie noch lange weiter kämen und sich etwa für den Turniersport begeisterten.
Ohne Ende Leckerli beim Hundetraining
Das hat Andrei Berbesun mit Murphy nicht vor. Ihm gehe es nur um den Grundgehorsam, sagt er. Im Anfänger/Rüpel-Kurs macht Götzinger ihn auf Fehler aufmerksam: besser aufrecht stehen bleiben, Anweisungen nicht wiederholen („er hat dich schon gehört“), seinem Hund auch mit Gesten deutlich machen, wo es lang gehe und wer der Bestimmer sei. Und, ganz wichtig, jedes Mal wieder ein Leckerli zur Belohnung.
Nach einer Viertelstunde geht Berbescus Vorrat zur Neige, ein anderer Kursteilnehmer hilft ihm aus. Götzinger mahnt: „Was ihr hier verfüttert, ziehen wir nachher beim Abendessen wieder ab. Nicht, dass wir alle Möpse kriegen.“ Klar, wie bei Kindern gehören zur Erziehung auch Ernährungsfragen. Und Anfänger und Rüpel gibt es natürlich überall. Berbesun will jedenfalls wieder kommen. Murphy nach unfassbar vielen Leckerli vermutlich ebenso.
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