Mannheim. Minusgrade, Schneefall und gefrierender Regen: Der Wintereinbruch samt Glatteisgefahr hat auch Mannheims Straßen nicht verschont. Somit ist der Winterdienst der Stadt schon am frühen Mittwochmorgen gefordert. „Seit 4 Uhr sind wir vorbeugend mit unseren Großstreuern unterwegs“, sagt Werner Knon, Abteilungsleiter der Stadtreinigung, gegen 5.45 Uhr am Telefon. „Aber wir stehen Gewehr bei Fuß.“ Kurz darauf sollte es dann richtig losgehen. Rund eine Stunde später fängt es über der Quadratestadt an zu schneien. „Alle Mannschaften sind draußen“, sagt Knon gegen 7.15 Uhr bei einem weiteren Telefongespräch.
In Mannheim ist die Stadtreinigung für den Winterdienst zuständig. Neben der Säuberung der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze sowie die Leerung der Abfallkörbe im Stadtgebiet müssen die Mitarbeiter bei winterlichen Verhältnissen auch für die Sicherheit auf den Verkehrswegen sorgen.
Glatteis, Eisglätte oder Schneeglätte? Die Unterschiede
- Eisglätte: Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) ist diese Form der Glätte besonders tükisch, weil Laien mit ihrem Auftreten nicht rechnen. Zudem muss vor dem Eintretten der Eisglätte nicht unbedingt Niederschlag fallen. Eisglätte entsteht durch Gefrieren von Schmelzwasser oder Wasseransammlungen auf Straßen und Wegen.
- Glatteis: Der DWD definiert Glatteis als spontanes „Gefrieren von unterkühltem Regen oder Sprühregen am Erdboden, an Gegenständen oder Pflanzen“. Es kann aber auch auftreten, wenn die Tröpfchen nicht unterkühlt sind, aber auf unterkühlte Gegenstände oder unterkühlten Boden fallen.
- Schneeglätte: Sie tritt nach der Definition des Deutschen Wetterdienstes dann auf, wenn eine Schneedecke auf Straßen und Wegen durch den Verkehr zusammengepresst oder durch Fußgänger festgetreten wird und die durch den Druck kurzzeitig verflüssigte und anschließend erneut gefrorene Oberfläche glatt ist.
- Reifglätte: Ist laut DWD auf Gehwegen und Straßen zu beobachten, wenn Reif durch Begehen oder Straßenverkehr zusammengepresst wird und die durch den Druck kurzzeitig verflüssigte und anschließend erneut gefrorene Oberfläche glatt ist. Hierzu kann der Reif sich auf Straßen und Brücken selbst gebildet haben oder von Bäumen auf die Straße herab gefallen sein.
Abteilungsleiter Knon lässt an diesem Morgen wegen der Witterungsbedingungen alle zur Verfügung stehenden Kräfte ausrücken. Bereits am Vortag hatte der Deutsche Wetterdienst vor der Glättegefahr gewarnt.
Keine Rutschgefahr auf Mannheims Straßen
„Gegen 6 Uhr sind sie alarmiert worden, um 7 Uhr waren sie spätestens auf der Straße“, erläutert Knon. Die sogenannten maschinellen Mitarbeiter sind insgesamt mit 14 Groß- und elf Kleinstreuern im Einsatz. Zudem sind zahlreiche manuelle Kräfte unterwegs, die beispielsweise Geh- und Radwege per Hand bestreuen oder mit Schieber und Besen von Schnee und Eis befreien.
Einer von Knons Mitarbeitern ist Deniz Kaya. Er ist einer der unsichtbaren Helden des Alltags, die dafür sorgen, dass auf Mannheims Straßen im Winter möglichst keine Rutschgefahr herrscht. An diesem Morgen fährt er einen der Großstreuer. Seit 4 Uhr ist er bereits unterwegs. Ihm steht am Vormittag seine dritte Tour des Tages bevor.
Gegen 9.15 Uhr muss Kaya auf die Friesenheimer Insel. Dort gilt es, den ABG-Kompostplatz und die Müllverbrennungsanlage der MVV zu bestreuen. Vorher muss er aber noch vom Betriebshof in der Käfertaler Straße zum nahe gelegenen Salzlager, um sein Fahrzeug mit dem Streugut zu befüllen. Es ruckelt und wackelt ziemlich im Großstreuer, die Sitze sind aber gut gefedert.
Am Depot - in dem laut Knon insgesamt 1000 Tonnen Salz gelagert werden können - angekommen, fährt Kaya unter ein Silo. Er steigt aus und betätigt mehrmals einen Hebel, sodass das Salz austritt und auf der Ladefläche des Fahrzeugs landet. Dann kann es weitergehen. Vorher muss er aber noch zweimal kurz anfahren und stark bremsen, damit sich das Salz auf der Ladefläche gut verteilt, erklärt Kaya.
Kayas Fahrzeug ist mit einer Menge Knöpfe ausgestattet. In der Mitte des Zweisitzers befindet sich eine Steuereinheit, mit der der 35-Jährige beispielsweise die Streumenge oder das Streubild einstellen kann. Zudem zeichnet das Gerät den Fahrtweg auf. So kann später auch nachvollzogen werden, wann Kaya wo war und gestreut hat, oder wann der Schieber vorne am Fahrzeug, der mit einem Joystick gesteuert wird, im Einsatz war. Den brauch Kaya diesmal nicht - es liegt ja kein Schnee.
Diffenébrücke und Kreisverkehr werden gestreut
Neben anderen Informationen werden auf dem Display des Geräts auch die Außen- und die Bodentemperatur angezeigt. Anhand der Daten kann Kaya abschätzen, mit welcher Menge Salz er streuen muss. Die Steuereinheit schlägt 15 Gramm pro Quadratmeter vor, die aus dem Drehteller hinten am Fahrzeug ausgespuckt werden sollen. „Zu wenig bei den Wetterverhältnissen“, sagt Kaya. Er erhöht die Menge auf 25 Gramm pro Quadratmeter.
Am Kompostplatz angekommen, beginnt er mit dem Streuen. „Streuer ein“, sagt das Gerät in der Mitte des Fahrzeugs. Kaya hat sich für die maximale Streumenge entschieden, das sind 40 Gramm pro Quadratmeter, erklärt er. Auch das Streubild verstellt er: erst von sechs Metern Breite auf sieben und später noch einmal auf acht Meter. Schneller als 50 Kilometer in der Stunde dürfe er nicht fahren, erläutert Kaya nebenbei, sonst stimme das Streubild nicht. Dann geht es weiter zur Müllverbrennungsanlage.
Auf dem Rückweg zum Betriebshof streut Kaya vorsichtshalber noch die Diffenébrücke und einen Kreisverkehr. Man merkt, dass dem Familienvater von drei Kindern sein Job wichtig ist und er ihn gerne macht. „Jeder Tag ist eine Freude“, betont er und sagt, dass es bereits mit 13, 14 Jahren sein Traumberuf gewesen sei. „Mein Vater hat einen Kiosk betrieben. Die Mitarbeiter der Stadtreinigung haben dort immer Pause gemacht und haben mir den Beruf schmackhaft gemacht“, erklärt Kaya.
Auch die Fahrzeuge hatten es ihm damals angetan. Heute sagt er: „Selbst am Wochenende will ich zur Arbeit und kehren.“ Auch wenn er spazieren sei, könne er nicht abschalten: „Wenn ich Laub sehe, dann mache ich mir Gedanken, wie ich das wegmachen kann.“
Rufbereitschaft nach der Schicht
Bis etwa 10 Uhr ist Kaya etwa 50 bis 60 Kilometer mit dem Großstreuer gefahren und hat dabei etwa zwei bis drei Tonnen Salz verstreut, schätzt er. Noch bis 12.30 Uhr geht seine Schicht. Richtig beendet ist sein Arbeitstag dann aber nicht. Denn bevor es am Donnerstag um 4 Uhr wieder losgeht, ist er in Rufbereitschaft. Dass er nach seiner Schicht noch mal ausrücken muss, erwartet Kaya aber nicht. Er habe schon Schlimmeres erlebt. „Wir haben schon vor dem Schnee gestreut“, betont er. „Das hat uns den Allerwertesten gerettet. Was runtergekommen ist, hat sich dadurch schnell gelöst.“
Wieder am Betriebshof angekommen, hat Kaya aber keine Pause: „Du musst weiter nach Wallstadt. Im Norden hat es angezogen“, sagt ein Kollege. Werner Knon rechnet damit, dass am Ende des Tages etwa 90 bis 120 Tonnen Salz verstreut sein werden. Bis zum Morgen waren bereits rund 60 Tonnen Streugut auf dem Asphalt gelandet, schätzt er. Knon hatte nach den Warnmeldungen und aufgrund des Wetterberichts „mit einer schlimmeren Situation gerechnet“. Dennoch: Auch in den nächsten Tagen werden er und seine Mitarbeiter wieder in den Startlöchern stehen, um Mannheims Straßen bei entsprechenden Wetterbedingungen wieder rutschfrei zu halten.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Glatteis und Schnee: Chaotische Warnungen verunsichern