Mannheim. Irgendwann hört die Musik auf zu dudeln, alle Lichter gehen aus, nichts blinkt mehr. Klingt nach einem ganz normalen Abend auf der Mannheimer Oktobermess - doch alles wie immer ist am vergangenen Freitag auf dem Neuen Messplatz in der Neckarstadt dann doch nicht. Denn im beliebten Riesenrad sitzt noch jemand. Genauer gesagt, zwei junge Männer. Und zwar in der Gondel ganz oben, immerhin 48 Meter über dem Boden.
Einer von ihnen ist Tim Bügenburg, der seine Geschichte ein paar Tage nach der vielleicht nicht wilden, aber dennoch unvergesslichen Fahrt, ziemlich entspannt erzählt. „Erst mal haben wir gelacht, dann waren wir verwirrt und dann, ja klar, Panik“, schildert der 18-Jährige seine Eindrücke aus der obersten Gondel im „Grand Soleil“ der Wormser Schaustellerfamilie Göbel.
Als sich das Riesenrad zunächst nicht weiterdreht, denken er und sein gleichaltriger Freund Ronny James sich noch nichts dabei. Dass etwas nicht stimmt, hätten sie erst realisiert, als auch alle Lichter ausgegangen waren. „Wir wussten nicht, ob wir Feuerwehr oder Polizei rufen sollten“, sagt Bügenburg.
„Die Leute haben applaudiert“
Nach fünf Minuten sehen sie, geht die Schilderung weiter, dass unten noch Menschen stehen. „Also haben wir um Hilfe gerufen“, so der Ludwigshafener. Auch mit den Taschenlampen ihrer Smartphones können die beiden auf sich aufmerksam machen. Die Menschen auf dem Messplatz alarmieren den Sicherheitsdienst, der wiederum meldet den Vorfall Christine Igel und die Geschäftsführerin der veranstaltenden Event & Promotion ruft den Betreiber an, der den Strom wieder anstellt. Gemütlich fährt das Riesenrad eine halbe Umdrehung, Tim Bügenburg und Ronny James steigen aus. „Der Betreiber hat sich entschuldigt und die Leute haben applaudiert“, sagt Bügenburg.
Mitternacht ist es da. Eine halbe Stunde hingen der Ludwigshafener und sein Mannheimer Freund in der Kabine fest. Aber wie konnte es überhaupt dazu kommen? Bügenburg, der gerade bei der RNV eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker macht, erzählt von einer Mess-Besucherin, die den beiden gegen 23.30 Uhr ein Ticket für das Riesenrad erst verkaufen will, es ihnen dann aber schenkt.
Also hätten sich die beiden noch ein zweites Ticket gekauft, um eine Runde zu drehen. „Als wir eingestiegen sind, war ganz oben ein Pärchen“, so der 18-Jährige weiter. Eine halbe Runde später steigt das Paar aus - und das Riesenrad wird in den Nachtmodus versetzt.
Haben sie sich versteckt?
„Grundsätzlich sollte so etwas natürlich nicht passieren“, sagt Betreiber Sebastian Göbel. Es gebe eine Kontrollfahrt, bevor das Riesenrad geschlossen wird. Hat das Personal die beiden übersehen oder haben sie sich bewusst in der Gondel versteckt? Tim Bügenburg weist das zurück. „Auf gar keinen Fall. Außerdem“, sagt er, „ist mein Kumpel zwei Meter groß. Wie sollte er sich in so einer Gondel verstecken?“
Am Mittwochnachmittag hört sich das seitens des Betreibers schon wieder etwas anders an. Der Inhaber des Riesenrads, Tobias Göbel, bedauerte den Vorfall und räumte einen Fehler ein: "Normalerweise machen wir noch eine Kontrollfahrt und schauen, ob noch einer drin ist", sagte er der dpa. In dem Fall habe er das nicht gemacht, weil er sich aufgrund des Ticketverkaufs für die letzte Fahrt um 23.30 Uhr sicher gewesen sei, dass alle Fahrgäste ausgestiegen seien. Die zwei Jungs hätten die Tickets nicht bei ihm gekauft, sondern sie schon vorher gehabt. Göbel geht davon aus, dass die beiden fünf bis zehn Minuten bei ausgeschalteter Anlage in der Höhe waren. Er betonte: "So etwas ist noch nie vorgekommen und wird auch nie wieder vorkommen."
"Ausblick schon spektakulär"
Ihr Video von dem ungewöhnlichen Zwischenfall wurde im sozialen Netzwerk TikTok jedenfalls millionenfach angesehen. Darin sieht man, wie jemand den schon fast dunklen Messplatz filmt. Im Hintergrund Gelächter.
„Der Ausblick war schon spektakulär“, gibt der 18-Jährige zu. Nach ihrer Rettung seien er und sein Kumpel nach Hause gegangen. Angst vor Riesenrädern hat er wegen des Erlebnisses auf der Oktobermess jetzt aber nicht: „Ich fahr’ die immer noch gern.“
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