Es ist zwar schon ein Vierteljahrhundert her, doch Swetlana Derksen weiß noch genau, wie schwierig es war, in Deutschland Fuß zu fassen. Alles war fremd, die Sprache unbekannt, die Menschen und Regeln unvertraut, als die Familie der damals Zehnjährigen 1991 als Spätaussiedler aus Russland kam. "Wir mussten so viel kämpfen, vor allem meine Eltern hatten so gut wie alles aufgegeben für eine bessere Zukunft ihrer Kinder", erinnert sich die heute 35-Jährige, "es war ein harter, langer Weg". Doch ein erfolgreicher: Heute ist Swetlana Derksen promovierte Bioinformatikerin, hat einen hoch qualifizierten Job, ist glücklich mit einem Niederländer verheiratet und Mutter der kleinen Noraya, die bald ihren ersten Geburtstag feiert. "Ich habe hier so viel erreicht, Deutschland hat mir so viel ermöglicht - da ist es mir jetzt einfach ein Bedürfnis, anderen beizustehen", sagt sie.
Weitgehend auf sich gestellt
Über die Webseite der Stadt Mannheim stieß sie auf das Projekt "Mannheimer Integrationsbegleiter" des Caritasverbands. Bei einem Gruppentreffen mit anderen Ehrenamtlichen und Zuwanderern im November letzten Jahres traf sie auf Rafila Fetti aus Rumänien, 30 Jahre, alleinerziehende Mutter einer zehnjährigen Tochter und seit drei Jahren, weitgehend auf sich allein gestellt, damit beschäftigt, in der Quadratestadt heimisch zu werden. "Wir haben uns sofort gemocht", sagt Derksen.
Wie Freundinnen
Seitdem treffen sich Swetlana Derksen und Rafila Fetti mindestens einmal die Woche, besprechen anstehende bürokratische, berufliche und private Themen und Alltagsfragen, üben Deutsch, tauschen sich über ihre Erfahrungen als Mütter oder über "typisch Weibliches" aus. "Ich vertraue ihr vollkommen", sagt Fetti in schon ziemlich gutem Deutsch und strahlt ihre "Integrationsbegleiterin" an.
Tatsächlich merkt man den beiden Frauen an, wie gut sie sich verstehen und dass sie sich auf Augenhöhe begegnen. Auch Derksen profitiert vom Kontakt mit Rafila Fetti: "Ich bewundere sie für ihre Energie und Eigeninitiative", sagt sie, "wie sie für sich und ihr Kind kämpft und sich nicht entmutigen lässt." Rafila Fettis Traum ist, sich hier zur Altenpflegerin ausbilden zu lassen, was bisher daran scheiterte, dass sie in Rumänien ein Schuljahr zu wenig absolviert hat. "Ich habe mir alles selbst organisiert, Deutschkurs, Praktika in der Altenbetreuung, habe immer wieder mit den Leuten von der Arbeitsagentur gesprochen", berichtet Fetti verzweifelt. Jetzt hat sie sich wiederum in Eigenregie eine Zusatzqualifizierung besorgt, über die sich möglicherweise doch noch die Tür zur Wunschausbildung öffnen wird. Aufgeben ist keine Option für Rafila Fetti.
Projekt "Mannheimer Integrationsbegleiter"
- Das Projekt wird im bundesweiten "Aktiv-Wettbewerb" 2015 des Bündnisses für Demokratie und Toleranz (BfDT) ausgezeichnet.
- Der mit 2000 Euro dotierte Preis wird heute in Berlin verliehen.
- Das Projekt feiert in diesem Sommer sein zehnjähriges Bestehen und hat bereits rund 700 Migranten und 350 Ehrenamtliche zusammengebracht.
- Weitere Infos unter http://www.caritas-mannheim.de.
- Ein weiterer Preisträger des Aktiv-Wettbewerbs kommt aus der Region: der Judo-Verein Speyer, der sich seit zwei Jahren für Wertevermittlung im Sportverein einsetzt. (hbo)
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