Mannheim. Es ist 20 Uhr, passend für einen Kurs an der Abendakademie. Der Jodelkurs beginnt. Ich erfahre gleich die erste Überraschung. „Jodeln kommt eigentlich aus Südafrika“, sagt Lehrerin Birgit Widmann.
Die gebürtige Südtirolerin lebt seit einigen Jahren in Mannheim. Sie ist Musicalsängerin, hat Auftritte von Hamburg bis Düsseldorf, spielte hier beim Joy Fleming-Musical mit. Doch heute geht es um ihre Wurzeln in Südtirol.
„Das Juchizn ist entstanden, wenn man bei uns jemand anderen am Berg sieht“, erklärt sie. „Dann ruft man rüber: ,Juuuuuaaaachi!‘“. Wow. Das hat gesessen. Es ist Wahnsinn, wie diese kleine und zarte Frau so eine Wahnsinns-Stimme mit einer Druckkraft haben kann. Die Kursteilnehmerinnen schauen sich an. Jetzt sind sie dran. „Eins, zwei, drei“, zählt Widmann und ab geht’s. Aus zögerlichem Juchizn wird ein Stimmenmeer, das einen gedanklich in die Alpen katapultiert.
„Sooo, nun bitte ich euch, euch einfach mal richtig brummend und murmelnd über das zu beklagen, was bei euch so in den letzten Wochen schief gelaufen ist“, sagt Widmann. „Haaaa geeeeeh, i mooooog nimmmer“, legt sie vor und stapft im Kursraum auf und ab. Wir fünf anwesenden Frauen tun es ihr gleich.
Schnackeln, Juchizn und Co.: Jodeln an der Mannheimer Abendakademie
Am Anfang habe ich wirklich Hemmungen. Aber dann kommt ein richtiges Klagelied aus mir heraus. Widmann treibt uns an, weiter und lauter zu motzen. Sie erklärt, dass wir mit dieser wehleidigen Stimme die sogenannte Bruststimme erreichen. Die Kombination dieser mit der hohen Kopfstimme, die höhere und hellere Töne erzeugt, macht das Jodeln aus, so Widmann.
„Eigentlich will man beim Singen den Unterschied der beiden Stimmen nicht so deutlich machen“, sagt Widmann. Doch beim Jodeln erst recht. Sie demonstriert es: Wie eine Achterbahn rauscht die Gesangssilbe vom „iiiiiiii“ ins „dijoooooo“ bei ihr in die Bruststimme. Und zurück.
So entsteht das typische Gejodle. Der Übergang heißt auch Schnackeln. „Beim Jodeln wollen wir genau das erreichen: Ho-la-di-roooooooooooooo!“, singt sie als Beispiel vor. Die Silben haben es in sich. Wir müssen uns ganz schön viel für die kommenden Jodler merken. „Entschuldigung, heißt das di-ri oder di-li“, fragt eine Teilnehmerin. Eine andere prustet einfach mittendrin los, als sie sich verjodelt. Die anderen grinsen und versuchen zu helfen. Die Stimmung ist ausgelassen. Es wird viel gelacht.
Silbenaussetzer vorprogrammiert: Wo bleibt meine Souffleuse?
„Ich glaube ich brauche eine Souffleuse“, sage ich, nachdem ich schon wieder den Faden verliere und anstatt „di-ri“ - „eh-hi“ singe. Nie hätte ich gedacht, dass die Mehrzeiler mich so (über-)fordern. Ich merke nach etwa zehn Minuten singen, dass ich das Ganze echt anstrengend finde. Alles vibriert und bebt und mir ist ganz heiß.
Jetzt müssen wir auch noch bei jedem Jodler in die Hocke gehen. Aber, wow: Das bringt echt etwas. Die Töne kommen viel kontrollierter aus mir heraus. Und irgendwie klarer. Und ich habe das Gefühl, ich kann sie besser halten. Jetzt müssen wir Kanon singen. Man merkt, dass einige richtig kämpfen, andere, die Chorvorerfahrung haben, leiten unseren Gesang unbewusst an.
Uns wird Talent bescheinigt: Stolz im Jodelkurs der Abendakademie Mannheim
Ich denke nach. Warum verdammt schwitze ich so? Ich bin wahrlich stimmuntrainiert. Einmal habe ich in meinem Leben gesungen. Dann sagte jemand, ich klänge wie Lena Meyer-Landrut. Daraufhin hab‘ ich nie wieder geträllert.
Doch Widmann sieht das ganz anders. Sie findet, dass wir Talent haben. Sie will unbedingt den Kurs mit uns fortführen. Sie findet unseren Stimmmix und das Niveau trotz Unterschiedlichkeiten passend.
Und das fällt auch mir auf: Beim Jodeln kann man sich sehr gut einfügen, egal, welche Leistungsstufe man hat.
Es geht weiter. „Holodiri, Holadiro“, schallt es durchs Zimmer. „Sorry, eine Frage, aber wann atmest du?“, fragt eine Teilnehmerin. „Vor dem Di-ri muss man nochmal atmen, oder?“, fragt eine weitere. „Also ich atme da nicht“, sagt Widmann und geht die Töne noch einmal bewusst durch. Wieder schallendes Gelächter.
Trinkpause.
Warum sind die Frauen heute hier im Kurs? „Ich habe eine Oma aus Bayern“, sagt eine Teilnehmerin. Nun kann sie die Tradition in der Quadratestadt aufleben lassen. „Wir sind befreundet und jodeln immer in der Küche“, sagt eine weitere.
Die Teilnehmerinnen sind nicht nur Mannheimerinnen, auch aus Worms ist etwa eine Frau dabei.
„Eeeee-hi, Eeeeeeee-hi“, wiederholt Widmann wieder. „Eeeee-hi-tiiiii, Eeeeeoooo-i-tiiiii“, schallen die Frauen zurück.
Der nächste Kurs wird schon geplant: Erfolgreiches Jodeln an der Abendakademie
„Privat hör‘ ich die Kastelruther Spatzn“, sagt Widmann. „Im Zug, wenn ich zu Auftritten fahre, da denken sicher alle ,Die hat nen Vogel‘, wenn ich meine Kopfhörer drinhabe und mitwippe“, sagt die 33-Jährige, die an der Abendakademie auch Gesangsunterricht gibt.
„Aber mein Papa war in der Dorfkapelle. Meine Schwester und ich, wir haben’s einfach im Blut. Haben es aufgesogen. Wir haben schon damals beim Tischabräumen auf Festen mitgeholfen und die ganze Musik gehört und dann ging das richtig los mit der Musikbegeisterung.“
„Ach, es gibt so einen schönen Andachts- und Weihnachtsjodler, ich such’ euch die raus“, sagt Widmann. Die Frauen nicken eifrig und schauen schon einmal in ihre Kalender. Man merkt, dass Widmann mit Leidenschaft dabei ist – diese schöne Tradition in die Mannheimer Quadrate zu vermitteln.
Sie zückt ihr Notizbüchlein und die anwesenden Damen tragen ihre Nummern ein. Für den Kurs und zum Vernetzen. Denn auch dank uns wird jetzt einen weiteren Kurs geben, weil wir so gut harmoniert haben, weitere Teilnehmer herzlich willkommen. Es gibt doch keine universellere Sprache als die Töne und Klänge, wurde an diesem Abend wieder einmal klar.
Für Interessierte – Kursanmeldung Abendakademie:
Nächster Jodelworkshop, 7. 10. 2025
Adresse: U1, 16-19
Per Telefon unter 0621 1076-150 (nur Anmeldung, keine Beratung)
Hier geht es zum gesamten Programm der Mannheimer Abendakademie für die nächsten Monate. www.abendakademie-mannheim.de
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