Kinderbetreuung

Da ist der Wurm drin: Streit zwischen Stadt Mannheim und freien Kita-Trägern

Stadt und freie Träger streiten über Förderanteil der Kommune. Für Eltern könnte das Folgen haben.

Von 
Sebastian Koch
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Rückwirkende Förderung oder perspektivische Unterstützung? Freie Träger von Kitas und Krippen und die Stadt liegen mit ihren Vorstellungen weit auseinander. © dpa

Mannheim. Für Andrea Gerth ist klar: Ihr politischer Einsatz gilt nicht ihrem Vorteil, sondern dem der Eltern. „Als Träger von Kitas profitieren wir nicht davon, wenn die Stadt die Zuschüsse erhöht“, sagt die Fachberaterin für Kindertageseinrichtungen des Paritätischen dieser Redaktion. „Vom Zuschuss profitieren Eltern.“

Wenn am Donnerstag im Bildungsausschuss über die „Neue Förderung des laufenden Betriebs von Tageseinrichtungen für Kinder freier Träger“ diskutiert wird, geht es darum, mit wie viel Prozent die Kommune Kitas in freier Trägerschaft unterstützt. Über die Höhe des Zuschusses hat sich ein Streit zwischen den freien Kita-Trägern – die Kirchen sowie der Paritätische und die gewerblichen Träger – und der Stadt entwickelt. Es geht indirekt auch darum, wie hoch künftig der Elternanteil bei der Kostendeckung in freien Kitas sein wird.

In einer gemeinsamen Stellungnahme zur Förderung des laufenden Kita-Betriebs werfen die Verbände dem zuständigen Dezernenten Dirk Grunert (Grüne) vor, einen seit drei Jahren ausgehandelten Kompromiss zwischen Stadt und Trägern, der in einem Eckpunktepapier festgehalten worden sei, kurzfristig „verworfen“ zu haben und dem Ausschuss stattdessen einen Vorschlag zu unterbreiten, der im Vergleich zum Eckpunktepapier eine geringere kommunale Förderung der freien Kitas beinhaltet.

So sieht, laut Trägern, das mit dem Jugendamt ausgehandelte Papier vor, dass die Stadt Kitas in freier Trägerschaft rückwirkend zum 1. Januar 2022 mit 70 Prozent fördert. Über weitere Punkte würde die kommunale Förderung „maximal 78 Prozent“ erreichen. Der Kostendeckungsgrad durch Elternbeiträge liege bei 20 Prozent – die restlichen zwei Prozent kämen vom Land.

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Große Defizite

„Das Eckpunktepapier ist der Kompromiss und das Verhandlungsergebnis“, erklärt der evangelische Dekan Ralph Hartmann dieser Redaktion. Das Ergebnis sei eine „deutliche Verbesserung“ gewesen, mit dem die Verbände, die laut Hartmann „seit Jahren bei den Kitas große Defizite“ verzeichnen, „gut leben“ konnten. Auch Hartmanns katholischer Amtskollege, Dekan Karl Jung, teilt dieser Redaktion mit, dass „wir für den laufenden Betrieb unserer Kitas in 2022 bereits finanzielle Defizite ausweisen müssen“. Alle freien Träger hätten drei Jahre über „notwendige Veränderungen“ der Förderungen mit der Stadt gesprochen, erklärt Eckhard Berg, Geschäftsführer der Katholischen Gesamtkirchengemeinde Mannheim. Das Ergebnis sei ein Kompromiss gewesen. „Der Vorschlag entspricht nicht diesem Eckpunktepapier, zum Beispiel ist darin keine rückwirkende Förderung vorgesehen.“

Die Stadt sieht im Eckpunktepapier kein Ergebnis. Das Papier sei eine „Zusammenstellung der gebündelten Forderungen der Träger – also die Forderungen an die Stadt – und kein Verhandlungsergebnis mit der Verwaltung“, heißt es auf Anfrage. „Das Jugendamt hatte die verschiedenen Wünsche der unterschiedlichen Träger lediglich zu einer abgestimmten gemeinsamen Position der Träger koordiniert.“ Der erste Austausch zwischen Stadt und Trägern zur Neuverhandlung habe zudem nicht vor drei Jahren, sondern im Mai 2021 stattgefunden. Zuvor habe es unter der Leitung des Jugendamts verschiedene fachliche Arbeitsgruppensitzungen gegeben.

Anstieg um 40 Prozent?

Was schlägt die Stadt vor? Sie bietet eine Erhöhung der gesetzlich vorgeschriebenen 63 Prozent bei Kindergärten auf 75 Prozent an – bis September 2027. Ab 1. Januar 2023 soll die Basisförderung zunächst 68 Prozent betragen – die Träger hatten dagegen mit der rückwirkenden Förderung von 70 Prozent gerechnet. Die Verwaltung will nach eigenen Angaben auch in Bau und Betrieb von Kinderhäusern einsteigen, „da es Träger gibt, die es nicht mehr schaffen, ihre eigenen Gebäude instand zu halten“, heißt es. „Auch das stellt eine finanzielle Entlastung dar.“

Die Träger bewerten das anders. Vor allem die im Eckpunktepapier vorgesehene, im Vorschlag aber nicht berücksichtigte rückwirkende Förderung bereite ihnen Probleme. Sollte der Vorschlag umgesetzt werden, „entsteht eine Deckungslücke, die von der Elternschaft der Kinder in den Kitas der freien Träger erbracht“ oder „durch Leistungsanpassungen und Einsparungen kompensiert werden müsste“, schreiben die Verbände.

„Sollte der Ausschuss den Vorschlag so beschließen, werden wir unsere Elternbeiträge umgehend deutlich erhöhen müssen“, sagt Hartmann. „Das beläuft sich auf etwa 40 Prozent.“ Auch Berg kündigt höhere Beiträge an. Jung ergänzt: „Des Weiteren müssten wir uns als Träger darüber Gedanken machen, ob wir zukünftig die gleiche Anzahl an Kindertagesstätten mit der Anzahl der von uns zur Verfügung gestellten Plätze wie aktuell weiter betreiben können.“

Andrea Gerth vom Paritätischen fürchtet, dass erhöhte Beiträge zu weniger Auslastung führten. „Die Preise werden steigen und die Schere zwischen den Beiträgen für städtische Kitas und denen, die die freien Träger erhöhen müssen, wird weiter auseinandergehen.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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