Mannheim. Eine junge Frau wird letzten Juni von ihrem gewalttätigen Ex-Partner bis in die Wohnung verfolgt, kann sich noch auf die Straße retten und bittet eine Passantin um Hilfe. Die damals 20-jährige Corinna Führer zögert nicht, sondern steht der Frau zur Seite, hilft ihr, die Polizei zu verständigen, und wartet mit ihr gemeinsam auf deren Eintreffen.
Mannheimerin hilft Frau in Not und erhält Auszeichnung
Obwohl der Mann seiner Ex-Partnerin bedrohlich nahekommt, lässt Führer sich nicht einschüchtern und stellt sich sogar zwischen die beiden. Für ihr mutiges Eingreifen hat die heute 21-Jährige am Montag die Auszeichnung „Beistehen statt Rumstehen“, erhalten, die gemeinsam vom städtischen Verein Sicherheit in Mannheim (SiMA) und dem Polizeipräsidium Mannheim verliehen wird.
„Es ist nicht selbstverständlich, dass eine 20-jährige Frau ein derart couragiertes und selbstloses Verhalten an den Tag legt“, lobte Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) die Preisträgerin und sprach ihr im Namen aller Mannheimerinnen und Mannheimer seinen Dank aus. Überreicht wurde der Preis außerdem von Polizeipräsident Siegfried Kollmar und Sicherheitsdezernent Volker Proffen (CDU), der Specht am Montag in seiner Funktion als erster Vorsitzender des Vereins „SiMA“ ablöste.
Corinna Führer war zufällig vor Ort
Für Corinna Führer sei ihr Handeln selbstverständlich gewesen: „Wer bin ich, dass ich da einfach ablehne, zu helfen?“, sagte sie bei der Übergabe. „Ich fühle mich natürlich trotzdem geehrt, diese Auszeichnung zu erhalten.“ Freuen darf sie sich über eine Urkunde, einen Buchpreis sowie einen Gutschein für ein Ticketportal.
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Wie Führer im Gespräch danach erzählt, sei es Zufall gewesen, dass sie noch auf dem Heimweg war, als die Frau auf sie zueilte. Nach einem langen Arbeitstag war Führer, damals noch Studentin in Mannheim, sehr erschöpft und ließ sich für den Weg von der Haltestelle bis nach Hause besonders viel Zeit. „Ich wäre an der Stelle längst vorbei gewesen, wenn ich nicht so getrödelt hätte“, sagt sie.
Verfolgt von ihrem Ex-Partner habe die junge Frau ihr schon aus der Ferne zugerufen, sie solle die Polizei alarmieren. Die duale Studentin konnte die Situation in diesem Moment noch nicht überblicken, woraufhin sie der hilfesuchenden Frau kurzerhand ihr Handy überreichte, um selbst die Polizei informieren zu können.
Mann bespuckt und beleidigt Ex-Freundin - Helferin bleibt dort
Eine Streife sei unglaublich schnell vor Ort gewesen, doch in der Zwischenzeit habe der Mann nicht davon abgelassen, seine Ex-Partnerin zu beleidigen und versucht, sie zu bespucken. Führer habe zwar registriert, dass sich seine Aggression nicht gegen sie als Helferin richtete. „Aber auch mich hat er angesprochen, seine Ex-Freundin vor mir beleidigt und versucht, mich von Unwahrheiten zu überzeugen“, erinnert sie sich.
Angst habe Führer in diesem Moment nicht verspürt. „Ich war so überrumpelt von der Situation, da denkt man gar nicht nach“, erklärt sie. Erst im Nachhinein habe sie zu zittern begonnen und auch in den folgenden Wochen habe das Ereignis sie noch beschäftigt.
Häusliche Gewalt selten sichtbar
Manchmal, erzählt sie, hat sie noch Ausschau nach dem Auto des Mannes gehalten und befürchtet, dass dieser auch auf sie schlecht zu sprechen sein könnte. Die Gewissheit, dass gegen ihn eine einstweilige Verfügung vorliegt, habe sie aber beruhigt. Die Frau habe Führer, die bis zu ihrem Umzug nach Nordrhein-Westfalen in derselben Straße wohnte, danach öfter getroffen.
In der Straßenbahn hätten sie sich ab und zu noch unterhalten. Wie Specht bei der Verleihung betonte, dringe häusliche Gewalt nur in den seltensten Fällen an die Öffentlichkeit - weshalb es eine Besonderheit sei, in diesem Bereich eine Helferin auszeichnen zu können. Dabei sei es enorm wichtig, dieses Feld im Blick zu haben, meint der Oberbürgermeister.
So habe die Polizei in den vergangenen Jahren als Pilotprojekt eine neue Methode, das sogenannte „High-Risk-Programm“, im Umgang mit häuslicher Gewalt erprobt. Und zwar so erfolgreich, dass diese nun landesweit eingesetzt wird: Als Reaktion auf einen Hinweis - etwa ein Anruf besorgter Nachbarn - sei es früher noch ausreichend gewesen, zu klingeln und festzustellen, dass der Streit oder Lärm vorbei sei, so Specht.
Mannheimer Frauenhaus: Häusliche Gewalt immer noch ein Tabu
Inzwischen erfassen die Beamten solche Einsätze deutlich detaillierter, um beim zweiten oder dritten Anrücken gezielter handeln zu können. Auch Nazan Kapan, Geschäftsführerin des Mannheimer Frauenhaus e.V., erklärt auf Anfrage, dass es in Bezug auf häusliche Gewalt noch an gesellschaftlichem Bewusstsein mangle. Zwar habe das Problem gerade durch die Pandemie an Aufmerksamkeit gewonnen.
„Trotzdem wird es immer noch tabuisiert als Thema, was in den eigenen vier Wänden passiert und andere nichts angeht. Davon müssen wir uns weg bewegen“, sagt Kapan. Gerade deswegen halte sie Auszeichnungen wie „Beistehen statt Rumstehen“ für sinnvoll. „Je mehr Menschen sich dagegen äußern, desto verpönter wird das Thema in der Gesellschaft - und desto niedriger die Hemmungen, einzuschreiten.“
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