Welche Rolle spielten Mannheim, Ludwigshafen und die Rhein-Neckar-Region für die Morde des NSU? Zur Klärung dieser Frage ist der Mannheimer NPD-Stadtrat Christian Hehl am Montag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags als Zeuge geladen.
Eine Aussage mit Signalkraft: „Wir halten es für möglich, dass Christian Hehl das NSU-Terror-Trio kannte“, sagt Boris Weirauch, SPD-Landtagsabgeordneter, über den Mannheimer NPD-Stadtrat. Weirauch ist Obmann im Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Aktivitäten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und hat darauf hingewirkt, dass Hehl als Zeuge geladen wird. Der Ausschuss will klären, welche Rolle die Rhein-Neckar-Region bei den NSU-Aktivitäten gespielt hat. Dazu soll Hehl befragt werden.
Der NSU um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe soll zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizeibeamtin getötet haben. Mundlos und Böhnhardt lagen am 4. November 2011, als der NSU bekannt wurde, tot in ihrem Wohnwagen, Zschäpe hatte die Zwickauer Wohnung, in der die drei untergetaucht lebten, angezündet und Bekennervideos verschickt. Seit Mai 2013 läuft der Prozess gegen Zschäpe und vier mutmaßliche Gehilfen vor dem Oberlandesgericht München. Doch gibt es Verbindungen der Terroristen in die Metropolregion? Am Montag, 5. März, um 13 Uhr soll Hehl darüber Auskunft geben. „Er ist als Zeuge geladen“, bestätigt der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Wolfgang Drexler (SPD), sowie die Landtagspressestelle auf Anfrage.
Kontakte zu Terroristen?
„In den 90er Jahren war Hehl einer der bekanntesten Neonazis in der gesamten Bundesrepublik“, betont Boris Weirauch. Hehl habe 1996 an einer illegalen Neonazi-Demo zum Todestag von Rudolf Heß in Worms teilgenommen. Bei dieser marschierten auch Beate Zschäpe und Uwe Mundlos mit. Darum schließt Weirauch nicht aus, dass sich die Neonazis kannten. Christian Hehl verneint ein Treffen zwischen ihm und Mundlos sowie Zschäpe auf dem Marsch 1996: „Nein, ich habe mich mit keiner der Personen dort getroffen.“ Sie alle seien ihm zu diesem Zeitpunkt unbekannt gewesen. „Wir waren nur auf der selben Demonstration“, teilte er auf Anfrage dieser Zeitung mit.
Auch für den Grünen-Landtagsabgeordneten Jürgen Filius, der wie Weirauch als Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss sitzt, spielte Hehl in den 1990er Jahren eine zentrale Rolle in der rechtsextremen Szene in Baden-Württemberg. „Wir wollen von Christian Hehl als Zeuge wissen, ob – und wenn ja in welcher Form – Kontakte zum NSU-Trio oder dem unmittelbaren Unterstützernetzwerk bestanden“, sagt er dieser Zeitung. „Eine klare Verbindungslinie ist durch die Tätigkeit von Ralf Wohlleben als technischer Administrator für das Aktionsbüro Rhein-Neckar, in dem Hehl aktiv war, zu erkennen.“ Ralf Wohlleben muss sich wie Beate Zschäpe beim NSU-Prozess in München verantworten. Doch Hehl erklärt, dass er Wohlleben 1996 noch nicht kannte, sondern ihn erst später über die NPD kennengelernt hat. Hehl sagt weiter, dass er alles, was er über NSU-Aktivitäten weiß, aus der Presse oder öffentlichen Quellen erfahren habe.
Interessant für den Ausschuss sei neben der Demo in Worms auch der Zusammenhang des inzwischen verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“ (deutsch: Blut und Ehre) mit der Flucht und Unterstützung der drei Rechtsterroristen im Untergrund. Weirauch: „Hehl war selbst Mitglied von ,Blood & Honour’ und eine Schlüsselfigur der Neonazi-Szene von Ludwigshafen und Mannheim. Wenn jemand aus der Rhein-Neckar-Region etwas über den NSU weiß, dann er.“ Doch der NPD-Stadtrat gibt auf die Frage, ob das Terror-Trio in der Rhein-Neckar-Region oder Mannheim aktiv war, eine klare Antwort: „Nein.“
Mehrere Jahre im Gefängnis
Hehl sitzt seit 2014 im Mannheimer Gemeinderat, sein überraschender Einzug in das Gremium wurde durch ein verändertes Auszählungsverfahren begünstigt. Im Gemeinderat spielt der NPD-Stadtrat anders als von vielen Politikern befürchtet keine große Rolle: Er ist zwar bei Sitzungen häufig anwesend, meldet sich aber fast nie zu Wort. Zuletzt forderte er in seiner kurzen Etatrede „mehr Polizei auf den Straßen“ und ein Monatsticket für sozial Schwache.
Einschlägig bekannt wurde der geborene Ludwigshafener in den 1990er Jahren. Er war in einer Hooligan-Vereinigung des SV Waldhof, wo er später mit einem Stadionverbot belegt wurde, und gehörte verschiedenen Nazi-Gruppierungen an. In Ludwigshafen betrieb er ein Geschäft, in dem er unter anderem einschlägige Kleidung und Musik verkaufte. Hehl saß mehrere Jahre im Gefängnis, zuletzt wurde er in Mannheim wegen Drogengeschäften und Waffenbesitz zu einer Geldstrafe verurteilt. Seine Anwältin legte gegen das Urteil Rechtsmittel ein. Und auch sie ist keine Unbekannte: Nicole Schneiders verteidigt auch Ralf Wohlleben im Münchner NSU-Prozess.
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