Mannheim. Die Witterung rund um den Mannheimer Rosengarten mag in diesen Tagen so turbulent sein wie seit Wochen nicht: Die Faszination innerhalb des Kongress- und Konzerthauses kennt an diesem Wochenende eine klare Konstante – und die heißt ungebrochene Passion. Denn nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause rauschen die Besucher nicht nur in Massen durch die Freiflächen, sie tragen dabei auch ein tiefes, befreites Lächeln im Gesicht, das erahnen lässt, wie sehr sie Europas mittlerweile größte Messe für das Instrument mit sechs Saiten, den Guitar Summit, vermisst haben. Denn ob an den kommoden Ständen regionaler Kleinmanufakturen oder großen Probierflächen von Branchenschiffen wie Yamaha oder Ibanez: Bei keiner Auflage waren die Gespräche angeregter, die Stimmung gelöster, der Enthusiasmus spürbarer als an diesen ersten beiden Tagen.
Einer, der die Magie der Gitarre verkörpert wie diese Veranstaltung selbst, ist Jens Ritter. Der Gitarrenbaumeister aus Deidesheim ist seit Jahren als künstlerischer Architekt von Instrumenten bekannt, die nicht nur technisch Innovatives wagen, sondern auch optisch in der Szene wahre Maßstäbe setzen. Eines von ihnen prangt als funkelnd in Blau besetztes Sonderstück gar direkt im Eingangsbereich und steht, samt eigens konstruiertem Verstärker, Pate für die 25 Jahre, die Ritter seine Branche schon prägt. Doch auch fernab des großen Glanzes kann einen Blick auf große Gitarrenkunst erhaschen, wer den Weg in die Halle der Boutique-Gitarren riskiert, um mit dem Erschaffer zahlloser wegweisender Instrumente ins Gespräch zu kommen.
Le Brassus
Sein neuestes Machwerk zeigt der Mann aus Deidesheim nämlich keineswegs sofort, ist die „Le Brassus“ doch ein Modell für Kenner, ein Stück, das man gut und gerne als Understatement-Gitarre bezeichnen darf. Inspiriert vom gleichnamigen Schweizer Dorf, das unter anderem der Nobeluhren-Manufaktur Audemars Piguet ihr Zuhause gibt, hat Jens Ritter nicht nur das klassisch-zeitlose Modell einer Gitarre gebaut, die trotz der Stilmixes aus gemasertem Ahorn, Mahagoni und Ebenholz stilistische Harmonie ausstrahlt, sondern mit ihren Tonöffnungen in Notenschlüssel-Form gleich noch Tradition verkörpert. Die herausragenden Eigenheiten erkennt an diesem Instrument jedoch nur, wer bisweilen ganz genau hinsieht. Dass die im Griffbrett eingelegten Zahnräder Originale aus alten Uhren sind, bemerkt jedenfalls ebenso nur der Kenner wie die Tatsache, dass die vergoldeten Stimmknöpfe mit Texteinfräsungen von einem Fünftelmillimeter Stärke daherkommen.
Es sind vermeintliche Kleinigkeiten wie diese, die in Mannheim den Unterschied zwischen einem Event machen, das allein auf die breite Masse zielt und dem Guitar Summit, der – allein durch seine schiere Vielfalt – ein Hohelied der Saitenkunst anstimmt, um sich zur Niederschrift immer neuer Strophen aufzuschwingen. Neben zwei hochkarätig dekorierten Konzertnächten sowie diversen Workshops und Meisterklassen, die gut besucht wie nie über die Bühne gehen, organisieren die Veranstalter erstmals am Sonntag auch einen Familientag, der mit einem Einstiegskurs von Gitarren-Guru Peter Bursch, einer Dino-Rallye sowie dem Auftritt von Heavysaurus den Nachwuchs für die Kunst der Gitarre begeistern will. Eine konsequente Expansion ist das allemal.
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