„Das ist nicht gerade um die Ecke“, lacht Klaus Zeimer. Der Leiter der beruflichen Carl-Benz-Schule (CBS) hat zweifellos recht: Rund 10 000 Kilometer liegen zwischen Mannheim und Quito, der Hauptstadt des Staates Ecuador an der südamerikanischen Pazifikküste. Dass die CBS ihre erste Partnerschaft seit langem mit der Deutschen Schule in Quito vereinbart hat, ist also durchaus ungewöhnlich. Inzwischen stehen die Strukturen.
Eine Gruppe von Zehntklässlern war bereits im Juni und Juli 2022 vier Wochen in Mannheim, um das ferne Land zu entdecken – und um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Im Januar reisten acht Zwölftklässlerinnen und Zwölftklässler der CBS gemeinsam mit fünf Jugendlichen des Zweibrücker Helmholtz-Gymnasiums erstmals nach Quito, wo sie in Gastfamilien lebten und die Schule besuchten. Und nach Pfingsten erwarten die Mannheimer erneut Besuch aus Ecuador.
Eingezäunte Wohngebiete
Spannende Erfahrungen gibt es beim Aufenthalt in einem fremden Land auf beiden Seiten, im Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“ berichtet die CBS-Schülergruppe gemeinsam mit den Lehrkräften Michael Kahmann und Ute Jutt darüber. Die Gastfamilien lebten „in gesicherten, eingezäunten Wohngebieten“, erzählt Coralie Grocravla. Das „Sicherheitslevel“ sei in Ecuador eben niedriger als in Deutschland, ergänzt Leo Stöbe: „Man muss deutlich mehr aufpassen, wo man sich bewegt.“
Das hat auch Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Schulpersonals, berichtet Lehrer Michael Kahmann, der Ecuador von einem vierjährigen dienstlichen Aufenthalt in der Deutschen Schule Quito (2013 bis 2017) bestens kennt: Auf 80 Lehrkräfte kämen noch einmal so viele Sicherheitskräfte. Und die Schülerinnen und Schüler dürften, „auch wenn sie Freistunden haben, die Schule nicht verlassen“. Dabei gelte Ecuador noch als eines der sichersten Länder in Südamerika.
Die Sicherheitslage ist wohl auch mit ein Grund, warum die Eltern ihre Kinder in der Regel mit dem Auto zur Schule fahren – und das Fahrrad kaum eine Rolle spielt: „Die meisten können gar nicht Fahrradfahren“, stellt Anika Wahl fest. Sie seien bei ihrem Aufenthalt in Deutschland entsprechend überrascht gewesen, wie selbstverständlich das umweltfreundliche Fortbewegungsmittel hierzulande ist.
Und da in Ecuador fast alle Strecken mit dem Auto zurückgelegt werden, sei der eine oder die andere beim Laufen schnell aus der Puste gekommen, stellt Maxime Hupka fest. Viele Ecuadorianer seien eben „gar nicht daran gewöhnt, irgendwohin zu laufen“. Was sie aber sehr genossen hätten, sei, dass es in Deutschland deutlich mehr Freiraum für eigenständige Unternehmungen gebe.
Nun ist ein Austausch mit Ecuador nicht ganz billig – auch wenn sich der Gesamtpreis mit Flug und rund vier Wochen Aufenthalt in Gastfamilien mit 1200 Euro pro Kopf noch in Grenzen hielt. Wieso also gerade Ecuador? Das liegt zum einen daran, dass Michael Kahmann dort selbst viele Eindrücke gewinnen konnte. Zum anderen spielt die Person das Schulleiters eine Rolle: Jürgen Haist ist seit 2013 Chef der Deutschen Schule in Quito, aber ebenso in der Metropolregion verwurzelt. Denn seit dem Jahr 2000 hatte er das Lessing-Gymnasium in Lampertheim geleitet, an dem er insgesamt 22 Jahre gearbeitet hatte.
Auf Autoreifen durch den Fluss
Vor sechs Jahren gab Haist Michael Kahmann bei seinem Abschied von Quito den Wunsch mit auf den Weg, eine Schulpartnerschaft aufzubauen. 2019 nahm das Ganze konkretere Formen an, so Kahmann: „Jürgen Haist kam noch einmal auf mich zu.“ Aber dann brach Corona herein – was das Ganze verzögerte. „Zwischenzeitlich ist uns die Technik zu Hilfe gekommen“, berichtet Klaus Zeimer von Video-Gesprächen, bei denen sich auch die Schülerinnen und Schüler austauschen konnten.
Beim Besuch in Südamerika im Januar konnten die Kontakte bei den persönlichen Begegnungen vertieft werden. Aber neben dem Aufenthalt in den Familien und regelmäßigen Schulbesuchen nutzten die Mannheimer die Zeit auch, um während der ecuadorianischen Schulferien einige Tage im tropischen Regenwald zu verbringen.
Dort besuchten sie ein typisches Dorf und kamen mit Einheimischen ins Gespräch. „Wir genossen frische Schokolade“, erzählt Clemens Herzog – „aus Kakao-Bohnen, die am gleichen Tag geerntet und geröstet wurden“.
Viel Spaß machte den Jugendlichen auch das Tubing, also das Fortbewegen in großen Autoreifen auf einem Nebenarm des Amazonas. „Dabei kamen wir in eine Höhle mit recht großen Spinnen, was auch eine Erfahrung war“, sagt Leo Stöbe. Und fügt dann schmunzelnd hinzu: „Wir haben es überlebt.“
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