Asylbewerber - Bürger sorgen sich wegen Ankunftszentrum auf Coleman - dabei ist völlig unklar, ob die Amerikaner überhaupt gehen

Große Aufregung in Sandhofen

Von 
Timo Schmidhuber
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Über die Zukunft der Coleman-Kaserne gab es viel zu diskutieren. Mehr als 100 Besucher waren bei der CDU-Veranstaltung im Lutherhaus.

© Prosswitz

Die Debatte war vielfältig, die Botschaft eindeutig: Der Widerstand in Sandhofen gegen das Ankunftszentrum für Flüchtlinge, das die Stuttgarter Landesregierung möglicherweise auf dem Coleman-Gelände einrichten will, ist groß. Das wurde am Donnerstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung der CDU im Lutherhaus mit mehr als 100 Besuchern deutlich. Gleichzeitig ist noch völlig unklar, ob und wann die Amerikaner die Kaserne überhaupt räumen, wie das Hauptquartier der US-Armee für Europa in Wiesbaden am Freitag auf Anfrage erklärte.

"Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine konkreten Entscheidungen bezüglich der zukünftigen Nutzung von Coleman Barracks", heißt es in der Mitteilung der US-Streitkräfte. "Wir rechnen mit verschiedenen Entscheidungen im Sommer 2017, die auch die Zukunft von Coleman Barracks einschließen, das heißt, ob das Gelände vollständig oder teilweise an die BRD zurückgegeben oder weiterbetrieben wird." Bis dahin werde man Coleman "weiterhin für die Lagerung und Instandsetzung von Gerätschaften nutzen". Ein Sprecher des Stuttgarter Innenministeriums erklärte am Freitag erneut, dass man Coleman als möglichen Standort für das Zentrum sehe, weil man "Hinweise" habe, dass die Amerikaner 2017 abzögen. "Aber wir haben noch keine Bestätigung."

Unklarheit herrscht auch im Rathaus, trotz erster Gespräche zwischen Stadtspitze und Land. "Nach wie vor liegt uns kein Konzept des Landes für ein Ankunftszentrum vor", sagte Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) auf Anfrage. Das Stadtoberhaupt bekräftigte allerdings nochmal seine Forderungen in Richtung Stuttgart: "Die Planungen des Landes dürfen nicht dazu führen, dass Mannheim stärker belastet wird als andere Städte in Baden-Württemberg. Die Situation durch die Zuwanderung aus Südosteuropa muss berücksichtigt werden." Außerdem dürften städtische Entwicklungsprojekte nicht gefährdet sein. "Hier fordern wir, genauso behandelt zu werden wie Heidelberg." Zudem müsse "klar sein, dass Mannheim nicht der Problemlöser für mangelnde Durchsetzung von Unterbringung im schwäbischen Landesteil sein darf". Die SPD-Landtagsabgeordneten Boris Weirauch und Stefan Fulst-Blei richteten am Freitag eine Anfrage ans Land, in der sie Auskunft über die Modalitäten des Zentrums wollen.

CDU stellt sich gegen Strobl

Die Gemeinderatsfraktion der CDU positioniert sich gegen ihren Parteikollegen, Innenminister Thomas Strobl. In einem Antrag zur Hauptausschuss-Sitzung am Dienstag spricht sie sich gegen das Ankunftszentrum auf Coleman aus. Und fordert das Land auf, Mannheim wegen seines bereits hohen Migrantenanteils "dauerhaft und strukturell bei der Zuweisung von Asylbewerbern zu entlasten". Die SPD-Fraktion lehnt den Antrag ab - erst müsse das Land seine Pläne vorstellen (siehe Artikel links). Einig sind sich beide Fraktionen in dem Wunsch, auf Coleman ein Ausbildungszentrum der Bundespolizei anzusiedeln.

Wesentliche neue Infos, die über die vom Land Mitte November verkündeten Pläne zum Flüchtlingszentrum hinaus gehen, konnte auch CDU-Kreischef Nikolas Löbel bei der Diskussionsveranstaltung nicht nennen. Viele der Bürger im Luthersaal kritisierten das Vorhaben, aus den unterschiedlichsten Gründen. "Im Land sind doch schon so viele andere Kasernen für Flüchtlinge umgebaut worden - und jetzt will man hier wieder von vorne anfangen", sagte einer. Das sei doch Geldverschwendung. Ein anderer wies auf die seit Jahren hohe Belastung im Mannheimer Norden hin. "Wir haben 30 Jahre lang den Hubschrauberlärm der Amis geschluckt - und jetzt sollen wir auch noch das schlucken." Ein Dritter bezeichnete es als "Unverschämtheit", dass man Bürger erst gebeten habe, sich Gedanken über eine zukünftige Nutzung von Coleman zu machen, und ihnen dann so ein Zentrum vor die Nase setze. Viele der Besucher im Luthersaal sprachen auch ihre Angst vor Kriminalität aus. Die meisten Flüchtlinge seien junge Männer, sagte ein älterer Herr. "Was treiben die denn?" Und dann ist da auch noch die Sorge vor einem erneuten Triumph der AfD, die bei der Landtagswahl das Direktmandat im Norden geholt hatte. Wenn das Flüchtlingszentrum komme, so ein Mann im Saal, "dann wird ich die AfD über noch mehr Stimmen freuen".

Drei mögliche Standorte

Flüchtlinge werden zunächst in Ankunftszentren registriert und medizinisch untersucht. Hier stellen sie auch ihren Asylantrag. Danach werden sie in die Landeserstaufnahmestellen und dann auf die Kommunen verteilt.

Bundesweit gibt es derzeit 23 Ankunftszentren. Betreiber sind das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und das jeweilige Land. Das einzige in Baden-Württemberg befindet sich im Heidelberger Patrick Henry Village. Doch für die Fläche hat die Stadt Heidelberg andere Pläne.

Das Stuttgarter Innenministerium hat drei neue mögliche Standorte vorgeschlagen: in Mannheim die Kasernen Coleman und Spinelli sowie in Schwetzingen die Tompkins Barracks. Einem Sprecher zufolge werden alle "gleichrangig geprüft". Wann die Entscheidung falle, sei derzeit noch offen.

Durchschnittlich sind im Heidelberger Ankunftszentrum nach Angaben des Regierungspräsidiums Karlsruhe rund 1500 Flüchtlinge untergebracht. In der Regel bleiben sie zwei Wochen lang dort. sma/imo

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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