Frauen coachen Frauen - Gratis-Workshops für Frauen mit Flucht- oder Migrationshintergrund in der Neckarstadt-West / Weibliche Coaches / Im sicheren Raum zu mehr Sichtbarkeit

Gratis-Workshops - Frauen coachen Frauen in der Neckarstadt-West

Von 
Lea Seethaler
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Mannheim. Speziell für Frauen mit Flucht- und Migrationserfahrung gibt es ein neues Angebot in Mannheim: Kreativ-Workshops, „die diese Frauen stark machen sollen“. So beschreibt es Sonja Kádár, die Projektleiterin von „HerStory“ (deutsch: ihre Geschichte). Dass Stärken und Sichtbarmachen insbesondere dieser Frauen nötig ist, zeigt auch eine Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus dem Jahr 2021. „Geflüchtete Frauen unterscheiden sich in ihrem Alltags- und Freizeitverhalten deutlich von geflüchteten Männern“, schlussfolgern die Autorinnen dort.

Weniger aktiv in Kultur und Sport

Denn „während junge geflüchtete Männer vermehrt erwerbsorientiert sind, gründen geflüchtete Frauen bereits in jungen Jahren verstärkt Familien und kümmern sich um ihre Kinder“. Das unterscheide sie auch von anderen jungen Frauen in Deutschland, „die keine eigenen Migrationserfahrungen aufweisen und im Alter von 18 bis 25 Jahren deutlich seltener eigene Kinder haben“.

Viel Zeit werde in der Folge von geflüchteten Frauen mit Arbeit im Haushalt verbracht. Oder mit der Betreuung von Kindern, so die Forscherinnen. Damit stehe ihnen weniger Zeit für Freizeit zu Verfügung. „Sie treiben weniger Sport und besuchen weniger häufig Kultur- oder Sportveranstaltungen als geflüchtete Männer oder etwa Frauen ohne Migrationshintergrund.“ Auch Zeit für Sprachkurse bleibe da wenig. Des Weiteren pflegten geflüchtete Frauen (auch dadurch) weniger häufig Kontakte zu Deutschen.

Netzwerk, Kontakt - Aktivität

Bei Netzwerk und Kontakt will „HerStory“ ansetzen. Die Basis liegt dabei bei den Treffen auf künstlerischem Arbeiten. „Bei der Kunst ist man von Anfang an auf einer ganz anderen Ebene“, erklärt Sonja Kádár. „Man kann sich öffnen, verstehen, austauschen - auch wenn vielleicht die Sprachkenntnisse nicht ganz so gut sind.“

(v.l.) Psychologin und Workshop-Moderatorin Liz Helmecke, „Starkmacher“-Projektentwicklerin Anja Roth und „HerStory“-Projektleiterin Sonja Kádár. © Privat

„Wir glauben, dass, indem wir die Frauen zusammenbringen, ihnen auch klar wird, dass sie keine Randfiguren sind. Dass ihre Geschichte zählt“, so Anja Roth, Projektentwicklerin beim Verein „Starkmacher“, aus dem „HerStory“ erwachsen ist. Ein Problem der Gesellschaft, dass Frauen oft keine Stimme haben oder sie nicht gehört wird, wenn sie diese erheben, spricht Roth an: „Wir glauben, dass diese Frauen ganz viel geben können. Von dem, was sie mitbringen, sie als Person und ihr spezifisches Können gesehen werden.“

Multiplikatorinnen gesucht

Allem voran steht ihre Biographie im Vordergrund, ihre Geschichte, betont Roth. Daher auch der Name des Projekts. „Egal, ob die Biographie gut ist, weniger gut: Das Wichtige ist, dass die Frauen einen Raum bekommen.“ Und zwar für sich, „um innezuhalten und sich auszurichten. Und sich zu verorten“. Und vielleicht zwischen Muttersein und traditionellen Strukturen über sich selbst zu reflektieren. Ganz am Ende des Projektes steht eine Bewerbungsmappe. Nicht für den Beruf. Sondern fürs Leben. Die Mappe hat eine metaphorische und eine praktische Bedeutung, wie Roth erklärt: „Es ist transparent, was die Frauen machen. Es ist ein Ergebnis für sie. Es ist aber auch etwas, falls da jemand zu Hause draufgucken will: Dann wird klar, hier wird Kunst gemacht, hier lauert keine Gefahr, wir wollen niemand jemandem wegnehmen.“

Verschiedene weibliche Coaches hat „HerStory“ engagiert. Angenähert wird sich etwa bei Storytelling, Malerei oder Grafikkunst. Oder Collage-Art mit persönlichen Gegenständen, wie Anja Roth, selbst Künstlerin, erklärt. „Wir gehen auch zu den Leuten hin, in Moscheen, zu Treffpunkten.“ Und es kann auch mal landestypisch gekocht werden. Ein Hauptziel: „Miteinander lernen wir uns und unsere Kulturen verstehen.“ Und auch mal fragen: „Wie ist das eigentlich bei dir so, bei euch so?“ Man selbst orientiere sich doch auch stetig neu: „Was will ich, passt das alles so?“ Hier ist es vielleicht: „Was hat die Flucht mit mir gemacht, wo verorte ich mich, was kann ich, was mache ich jetzt?“

Im April gehen die Workshops im Alten Volksbad los. Sie laufen bis Dezember. Das Projekt wird gefördert vom Europäischen Sozialfonds für Deutschland (ESF), vom Landessozialministerium und der AWO. „Fluchtmigration war in den Jahren ab 2015 stark von Männern geprägt“, gibt das BAMF indes in der eingangs erwähnten Studie an. Die ist lange her, und mit dem Ukraine-Krieg ändert sich das. Daher ist das Projekt aktueller denn je. Anmeldung für die Gratis-Workshops, die nicht aufeinander aufbauen, an s.kadar@starkmacher.eu oder unter 0174 / 5384001.

Termine: herstory-mystory.net

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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