Zeitgeschichte - Am 2. Februar 1945 schlug in Berlin-Plötzensee die letzte Stunde des in Mannheim geborenen Jesuitenpaters

Gestorben für das Glück der anderen

Von 
Susanne Räuchle
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Alfred Delp vor dem Volksgerichtshof. Die Zelle in Berlin-Plötzensee, wo er die letzten Stunden verbrachte. Und ein Bild aus glücklichen Priestertagen.

© IKM, Nix, zg,

"Sie Jämmerling, Sie pfäffisches Würstchen - und so was erdreistet sich, unserem geliebten Führer ans Leder zu wollen. . . Eine Ratte - austreten, zertreten sollte man so was!" Roland Freisler, Präsident des Volksgerichtshofes, brüllt den Angeklagten Alfred Delp in Grund und Boden. Der bewahrt himmlische Ruhe, zagt und zaudert nicht, nimmt das Todesurteil am 11. Januar hin. Schreibt danach seine Meditationen zum Vater Unser nieder.

Noch am Morgen des 2. Februar 1945, als der Henker schon auf ihn wartet, erkundigt sich Delp beim Gefängnis-Seelsorger von Tegel, Prälat Peter Buchholz, nach der politischen Großwetterlage, nach dem Vormarsch der Russen. Und verabschiedet sich mit dem legendären Scherz: "In einer halben Stunde weiß ich mehr als Sie!".

Heute vor 70 Jahren ermordeten die Nazis den katholischen Widerstandskämpfer zusammen mit Carl Goerdeler und Johannes Popitz in Plötzensee. Tod durch den Strang. Auf Befehl Hitlers wird die Asche über den Rieselfeldern von Berlin ausgeleert. Letzter Versuch der Demütigung eines Mannes, der sich nicht beugte. Der standhaft blieb. Dessen Asche verstreut, aber dessen Andenken unzerstörbar bleibt, gesammelt in Schriften, bewahrt vor allem von der Alfred-Delp-Gesellschaft, die sich vor zehn Jahren gründete, in Delps Geburtsstadt Mannheim.

Am 15. September 1907 wird Alfred Delp in ärmliche Verhältnisse hineingeboren. Die Mutter bringt ihr erstes Kind im Wöchnerinnenasyl Luisenheim in C 7, 4 zur Welt. Wenige Tage später wird das Bübchen vom Pastor der Oberen Pfarrei katholisch getauft. Doch Vater Delp, ein Krankenkassenbeamter in Lampertheim, hat das "falsche Gesangbuch", die kleinen Delps werden im evangelischen Glauben erzogen, alle sechs Geschwister erinnern sich später an unbeschwerte frühe Jahre an der Bergstraße. Und an eine Backpfeife, die dem Konfirmanden Alfred offenbar vom protestantischen Pfarrer verpasst worden war. Nach diesem schlagenden Beweis sucht der hochbegabte Volksschüler sein Heil beim katholischen Pfarrer Johannes Unger, der die Intelligenz des Jungen erkennt, ihn ans bischöfliche Gymnasium von Dieburg im Odenwald schickt, wo der Überflieger souverän Klassen überspringt, sich in die Gedankenwelten der Philosophen und Theologen versenkt.

Im Jesuitenkolleg Feldkirch-Tisis in Vorarlberg zentriert er sich "mit absolutem Willen zur Wahrhaftigkeit" auf die Fragen des Glaubens und der Freiheit, setzt sich kritisch mit Martin Heidegger auseinander.

Delp kommt 1939 als Redakteur in München zum Jesuiten-Organ "Stimmen der Zeit", schreibt Essays zu sozialen und theologischen Problemen. Die "Stimmen der Zeit" hört auch die Gestapo, und bringt sie zum Verstummen, macht alle mundtot. Am 18. April 1941 müssen die Mitarbeiter die Redaktion binnen zwei Stunden räumen.

Das Gewissen redet weiter, Delp predigt als Seelsorger in Bogenhausen gegen den Terror. Und Helmuth James Graf von Moltke lädt ihn zum Kreisauer Kreis auf sein Gut nach Niederschlesien ein. Die Runde denkt über eine Neuordnung Deutschlands und Europas nach dem Ende des Krieges und des Naziterrors nach.

Als das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 scheitert, kommt auch Delp in den Strudel der Verhaftungen, wird am 28. Juli 1944 nach dem Morgengottesdienst in St. Georg in München-Bogenhauen festgenommen. Mit gefesselten Händen schreibt der Gefangene in den Monaten seiner verschärften Haft seine Gedanken nieder. Zwei gläubige unerschrockene Frauen, "die beiden Mariannen", besorgen seine Wäsche und schleusen Kassiber, in Bündeln versteckt, aus dem Todes-Trakt, eine gefährliche Mission.

Helmuth James von Moltke, Eugen Gerstenmaier, und Alfred Delp, also der Graf, der Evangelische Widerständler und der Jesuitenpater, finden im Zuchthaus zu einem innigen Austausch. Das existenzielle Zusammenstehen im Kerker, das Delp die "Una Sancta in vinculis"- die eine heilige Kirche in Fesseln - bezeichnet, ist eine Lese-, Bet- und Gesprächsgemeinschaft in aller Heimlichkeit der Haft.

Nach einer verabredeten Ordnung holen sie sich Kraft aus der Bibel und gelangen in tiefem Gottvertrauen zu einer souveränen Haltung. Und Delp verfasst in diesen letzten Tagen Zeugnisse christlicher Glaubensstärke, die bis heute tief berühren: "Es sollen einmal andere besser und glücklicher leben dürfen, weil wir gestorben sind . . . geopfert, nicht erschlagen."

P.S.: Freisler überlebt Delp nur um einen Tag. Er wird am 3. Februar bei einem Luftangriff durch einen herabstürzenden Balken beim Gebäude des Volksgerichtshofes getötet.

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