Technoseum - Beim Gesprächs- und Dancefloor-Abend bringt Talkgast Torch gleich die passende Musik mit / Generationen sollen miteinander in Dialog treten

Gesprächsabend mit Rapper Torch - und einer neuen musikalischen Facette

Von 
Tanja Capuana
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Hip-Hop-Legende DJ Haitian Star (Torch) war beim Gesprächs- und Dancefloor-Abend im Technoseum nicht nur Gast einer Diskussionsrunde, sondern sorgte anschließend auch für Musik. © Ruffler

Mannheim. Während draußen winterliche Temperaturen herrschen, scheint im Technoseum der Sommer eingezogen zu sein. Sonnige Melodien, garniert mit einer ordentlichen Portion Calypso und einem guten Schuss Funk, erfüllen den Raum. Es klingt nach Urlaub in der Karibik. Zwischen Dampflok und Arbeiterkneipe, wo die Schienen verlaufen, tanzen gut gelaunte Besucher. Für Stimmung sorgt DJ Haitian Star. Hinter dem Künstlernamen verbirgt sich kein Geringerer als Frederik Hahn, besser bekannt als Torch. An diesem Abend zeigt der Rapper, der als einer der Pioniere des deutschen Hip-Hop gilt, eine andere musikalische Facette. Zudem sinniert der 50-Jährige im Gespräch mit Wissenschaftler und Rapper Bryan Vit vor rund 100 Besuchern über sein Leben und wie Hip-Hop ihn geprägt hat. Vit ist nicht nur der Moderator des Abends: Der 33-jährige Schweizer ist Doktorand und promoviert bei Hahn im Fach Hip-Hop. „Hip-Hop ist eine Form des Lebens und des Lernens“, sagt er.

Crowdfunding in eigener Sache

Hahns Auftritt findet im Rahmen der Ausstellung „Arbeit & Migration - Geschichten von hier“, statt. „Hallo Leute, schön, dass Ihr hier seid“, sagt Hahn, der in Heidelberg geboren wurde. Seine Heimatstadt sei einerseits sehr provinziell und kleingeistig gewesen, andererseits waren die Studentenaufstände noch zu spüren. Seine Mutter stammt ursprünglich aus Haiti, sein Vater ist Ostpreuße: Hahn wuchs in zwei Welten auf. Was für Außenstehende exotisch war, sei für ihn Normalität gewesen. Haitianische Musik und Hip-Hop spielen eine große Rolle in seinem Leben. Hip-Hop sei mehr als nur Poesie und Melodie. „Es ist absolute Freiheit, in der ich mich neu erfinden und gestalten konnte, dass ich für die Gesellschaft überhaupt kompatibel bin.“

Fast 30 Jahre ist es her, dass der Song „Fremd im eigenen Land“ von dem Trio Advanced Chemistry, dem neben Hahn auch Toni Landomini alias Toni L. sowie Linguist angehören, veröffentlicht wurde. Hahn erzählt, dass es schwierig gewesen sei, eine Plattenfirma dafür zu finden. So sammelten sie über Bekannte Geld und brachten das Lied selbst heraus. „Wir haben für uns Crowdfunding erfunden.“

Mit der eigenen Plattenfirma begannen sie schließlich mit dem eigenen Vertrieb und Booking. Toni L., der an diesem Abend seinen Kollegen und Freund unterstützt, erinnert sich gern an den Song zurück. „Mir bedeutet er sehr viel, weil ich heute immer noch das Gefühl habe, dass wir damals eine Art Schweigen gebrochen und ein Tabu beseitigt haben. In den 80er Jahren wurde kaum über das Thema gesprochen“, sagt der Rapper. „Glücklicherweise ist das Thema in der Gesellschaft angekommen, doch unglücklicherweise ist es aktueller denn je. Das zeigt, wie wichtig es ist, Rassismus zu bekämpfen, da er allgegenwärtig ist.“

Der Song „Fremd im eigenen Land“ ist auch Teil der Ausstellung im Museum. „Der Text ist so aktuell“, sagt Kuratorin Anne Mahn. Damit soll ein Bogen zur Gegenwart geschlagen werden. „Wir wollen offener und diverser werden“, sagt sie. Hip-Hop soll dabei helfen. „Es ist eine eigene Sprache und ein Türöffner.“ Sie wünscht sich, dass sich die verschiedenen Generationen mehr austauschen. Dazu passt Hahns Lebensphilosophie: Er möchte, dass die Generationen sich nicht voneinander abkapseln, sondern miteinander in Dialog treten.

Gespräch und DJ-Set kommen beim Publikum gut an. Ihre Mutter sei mit Hahn befreundet, sagt die 20-jährige Jennifer Hüne, die sichtlich viel Spaß hat. Die Freunde Thorsten und Tom sind seit der Jugend Fans von Advanced Chemistry und Torch. „Er ist authentisch, eine gute Seele, bleibt sich treu“, sagt Thorsten. „Sein Album Blauer Samt gehört für mich zu den Kronjuwelen des Rap.“ Für Tom ist Torch gar eine Ikone. „Er lebt seinen Traum.“ Seine Musik als DJ Haitian Star ist für die beiden 45-Jährigen Lebensfreude pur.

„Man muss sich immer wieder neu erfinden“, sagt Hahn auf die Frage, wie man als Hip-Hop-Künstler in Würde altert. Ans Aufhören denkt der Musiker, dessen Großmutter ein Alter von 111 Jahren erreicht hatte, ohnehin noch lange nicht. „Ich werde euch noch ein bisschen erhalten bleiben“, sagt Hahn lachend. „Ich habe gute Gene.“

In Heidelberg geboren

  • Frederik Hahn alias Torch bzw DJ Haitian Star wurde am 29. September 1971 in Heidelberg geboren. Sein Vater ist Ostpreuße, seine Mutter stammt aus Haiti. Er gilt als Pionier des deutschen HipHop und lebt inzwischen in Zürich.
  • Der Tänzer und Graffiti-Sprayer gründete mit Toni Landomini und Kofi Yakpo 1987 die Band Advanced Chemistry, die 1992 mit ihrem Hit „Fremd im eigenen Land“ über Rassismus und Diskriminierung rappte.
  • Torch ist Mitbegründer des HipHop-Netzwerks, Plattform und Musiklabels MZEE. 1994 gründete er sein eigenes Label 360° Records. Der Träger der Richard-Benz-Medaille für Kunst und Wissenschaft der Stadt Heidelberg (2021) hat ein Hilfswerk für die Erdbebenopfer von 2010 in Haiti auf die Beine gestellt.
  • Sein Album „Blauer Samt“ (2000) zählt zu den bedeutesten HipHop-Werken.

Freie Autorin Kulturredaktion, Lokalredaktion, Wochenende. Schwerpunkte: Bunte Themen, Reisereportagen, Interviews, Musik (von elektronischer Tanzmusik bis Pop), Comedy und Musicals

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