„Noch nie konnte ich so viel Interessantes lesen und mit Freunden darüber ausgiebig diskutieren wie jetzt in der Pension“, sagt Günter Eitenmüller über erfüllte Jahre des Ruhestandes. Am Sonntag feiert der weit über Mannheim hinaus geschätzte Alt-Dekan der Evangelischen Kirche Mannheim seinen 75. Geburtstag.
14 Jahre veränderte Eitenmüller die Evangelische Kirche Mannheim „in atemberaubender Weise“, wie der damalige Landesbischof Fischer bei seiner Verabschiedung 2012 betonte. Errungenschaften wie die CityKirche Konkordien oder die Diakoniekirche in der Neckarstadt entstanden in der Zeit. Der nötige Strukturwandel wurde eingeleitet, Innovatives gewagt.
Dabei ist der Theologe Mannheim bereits seit Ende der 1970er Jahre verbunden. Damals kam er als junger Pfarrvikar an die Kreuzkirche, nach 15 Jahren Schuldienst in Hemsbach kehrte er 1992 als Schuldekan in die Quadratestadt zurück, wurde 1998 als Nachfolger von Ulrich Fischer zum Dekan gewählt. Was ihn damals erwartete, ist bis heute Herausforderung geblieben: Vor dem Hintergrund anhaltender Finanznot und schrumpfender Mitgliederzahlen Kirche in der Großstadt zu gestalten und dabei zu korrigieren, was in fetten Jahren überdimensioniert aufgebaut wurde. Der Gesamtkirchengemeinde verordnete Eitenmüller einen Spar-, den Gemeinden einen Profilierungskurs. Deren Zahl reduzierte sich in zwei Jahrzehnten von 44 auf 26. Dies alles sei nur gelungen, weil Macht verantwortungsvoll eingesetzt und im Dienste der Kirche angewandt wurde, betonte Fischer bei der Abschiedsfeier 2012 in der Christuskirche. Dabei erhielt der beliebte Kirchenlenker eine „offizielle Papst-Bank“ (die beim Papst-Besuch 2011 in Freiburg zum Tragen kam) als Ruhesitz für den eigenen Garten.
Überblick über Missbrauchsfälle
Doch Nichtstun und auf der faulen Haut liegen ist nicht die Sache des gebürtigen Odenwälders, der in Weinheim an der Bergstraße lebt. Und so widmete er sich vor allem der Familie und privaten Projekten, die zuvor zu kurz gekommen waren – wie etwa der Renovierung eines Hofs für die Tochter. In Coronazeiten verbrachte er viel Zeit mit den Enkeln. In Weinheim ist er seit seiner Pensionierung in einem städtischen Arbeitskreis in Kooperation mit der Freudenbergstiftung, der sich mit Integration und Bildung beschäftigt, aktiv. „Bedeutsam war, meinem Nachfolger nicht auf die Nerven zu gehen – das dürfte mir gelungen sein“, so Eitenmüller schmunzelnd.
Dennoch kehrte der geschätzte Theologe und Krisenmanager Mannheim nicht den Rücken: Nachdem er aus dem Vorstand der Gemeindediakonie in Neckarau auf seinen Wunsch hin ausgestiegen war, blieb er aber im Kuratorium. Aus dem Stiftungsrat der Christuskirchenstiftung hat er sich erst zurückgezogen. Reisen organisierte er bis 2019 für die Reiss-Engelhorn-Museen, für die Landeskirche in Baden übernahm er bis Ende 2020 den Vorsitz der Schulstiftung.
Von Anfang an und bis dato ist er Mitglied der „Unabhängigen Kommission“ der Landeskirche, die sich um die Opfer von Missbrauchsfällen kümmert. In diesem Zusammenhang hat er einen guten Überblick über alle in der evangelischen Kirche in Baden bekannt gewordenen Fälle und ärgert sich „wenn so getan wird, als hätten wir in der evangelischen Kirche die gleichen Probleme wie in der katholischen“. Das sei nicht so: „Bei uns gibt es diese trüben Geschichten in Kinderheimen etc. auch, aber es sind so gut wie keine Pfarrer oder Pfarrerinnen daran beteiligt“, klärt er auf.
Seiner letzten Predigt im Amt legte Eitenmüller seinen Lieblingstext (1. Johannes, Kapitel 4) zugrunde: Der handelt von Macht und Heilkraft der Liebe als Gottesgeschenk, vom Auftrag zur Mitmenschlichkeit und vom Kampf gegen das Erstarren. „Hören wir nicht auf, daran zu arbeiten, dann können wir getrost in die Zukunft blicken“, lautete damals sein Vermächtnis. In diesem Sinne: Weiter alles Gute!
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