Mannheim. Drei Jahre nach seinem Tod ist der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl in der Mannheimer Jesuitenkirche mit einem Gedenk-Gottesdienst geehrt worden. Danach wurde eine vom Kunstschmied Martin Wilperath gestaltete Gedenktafel am Haupteingang des Gotteshauses enthüllt. Sie erinnert gleich am Eingang daran, dass der Kanzler der Einheit und Ehrenbürger Europas in diesem Gotteshaus oft die Heilige Messe besuchte.
Die Jesuitenkirche ehre damit "einen der größten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts, dem Deutschland und Europa unendlich viel zu verdanken hat", so der katholische Stadtdekan Karl Jung. Aber die Tafel erinnert auch an den tief gläubigen Katholiken Helmut Kohl, der eine enge Beziehung zur Jesuitenkirche hatte. Der von 1982 bis 1998 amtierende Regierungschef war auch Träger der Prälat-Bauer-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Mannheimer Katholiken. Schließlich pflegte Helmut Kohl eine ganz innige, persönliche Beziehung zur Mannheimer Jesuitenkirche. Für Kohl sei die Barockkirche "wichtiger Kraftort des Glaubens" gewesen, "Ort der Gewissenserforschung" und Quelle der Inspiration für einen Politiker, der sich stets an den Werten der christlichen Soziallehre orientiert habe, so Jung, ehe er die von Unternehmer und Bloomaul Peter Hofmann initiierte und gestiftete Tafel enthüllte und segnete. "Eine sehr, sehr schöne Idee", sagte dazu Julia Klöckner, Bundeslandwirtschaftsministerin und stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, die dazu an der Spitze zahlreicher anderer Ehrengäste in die Kirche gekommen war.
Kohls enge Bindung an die Jesuitenkirche geht zurück auf ein Erlebnis, als er kleiner Junge war. An Pfingstmontag 1945 kam er, von der Kinderlandverschickung in Berchtesgarden kommend, in Mannheim an. Doch Mannheim war amerikanische, Ludwigshafen französische Besatzungszone. Ohne Passierschein durfte er nicht über den Rhein, also musste er in den Trümmern der Jesuitenkirche übernachten. Und ehe er dann über die Rheinbrücke konnte, wurde er von den Amerikanern "gepudert", wie er mal erzählte - sprich gegen Läuse behandelt. Das prägte.
Danach kam er oft mit seiner Mutter aus Friesenheim zum Gottesdienst. "Dann gab es für zehn Pfennig ein Eis, danach sind wir zurückgelaufen - das war das Sonntagserlebnis", erzählte Kohl mal. Intensiv setzte er sich daher in den 1990er Jahren dafür ein, dass das - so später der Titel der Festschrift - "Wunder von Mannheim" geschehen konnte: Die Rekonstruktion des im Zweiten Weltkrieg zerstörten barocken Hochaltars, die seinerzeit zehn Millionen D-Mark kostete. Dass die Bundesregierung dafür eine Zuschuss gab, obwohl Gelder vom Bund für Denkmalpflegeprojekte in Kirchen und Städten damals keineswegs üblich waren, hatte Kohl als Bundeskanzler selbst - auch gegen Widerstände in Bonn - durchgesetzt. Er sorgte einfach dafür, dass die Jesuitenkirche zum nationalen Baudenkmal erhoben wurde.
"Wenn unsere Generation ungeachtet aller Sorgen nicht mehr fähig ist, die großen Zeugnisse unserer Kulturnation zu bewahren, haben wir vor der Geschichte versagt", sagte Kohl dazu in einem Grußwort nach dem Festgottesdienst im Mai 1997, nachdem der damalige Freiburger Erzbischof Oskar Saier den Altar geweiht hatte.
Damals gab er dem "MM" auch ein kurzes Interview, in dem er seine enge Beziehung zur Jesuitenkirche mit den Erlebnissen in der Nachkriegszeit begründete. Und nicht nur zum Festgottesdienst kam er, sondern oft war Kohl privat Besucher des Gottesdienstes in dem Barockbau. "Wenn ich sonntags abends spät von Bonn komme, ist hier um halb zwölf die letzte Messe", so sagte Kohl 1997 zum "MM". Dabei legte er aber sehr großen Wert darauf, stets als einfacher Gläubiger in der Kirche zu sein, nicht als Bundeskanzler. Beim Festgottesdienst ließ er seine gepanzerte Limousine schon in B 4 halten und lief die letzten 25 Meter zur Jesuitenkirche. Er ordnete vorher an, dass nicht nur die Kriminalpolizei, sondern auch alle Schutzpolizisten ausnahmsweise zivil tragen sollten, die Pistolen unter dem Jackett verborgen. Und auch bei regulären Gottesdienstbesuchen wollte er nie Aufsehen, keinerlei Abschirmung durch die Polizei - er mischte sich einfach leutselig unter die Gläubigen.
Oft traf Kohl im Sonntagsgottesdienst den damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden und späteren Bürgermeister Rolf Schmidt, MVV-Chef Roland Hartung oder Peter Hofmann, Präsident des Reitervereins und bis zuletzt einer seiner engsten Freunde. Danach gingen sie oft noch gemeinsam zum Mittagessen in die Pizzeria "Augusta" in der Augustaanlage, neben dem (inzwischen geschlossenen) "Da Gianni" und dem Restaurant im Reiterverein eines der Mannheimer Lieblingslokale von Kohl. Besonders gerne bestellte er Kalbfleisch, Nudeln und Tomatensoße - aber eine große Portion.
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