Sie haben die Saison im Herzogenriedbad längst eröffnet, sind auch dick da am Rheinauer See und hinterlassen haufenweise Dreck auf dem Spielplatz eines Kinderhauses: Nilgänse bevölkern Freibäder, Parks, Seen. Sie sind wegen ihres aggressiven Wesens und ihrer überaus gesunden Verdauung nicht wohl gelitten, aber bislang geduldet: Noch stehen die invasiven Vögel unter Schutz. Erst mit der Novelle des Jagdrechts im Jahr 2016 wird sich ihr Status ändern, sollen die Gänse als jagdbares Wild zu festgelegten Zeiten zum Abschuss freigegeben werden.
Auch Nester unter Schutz
Einstweilen muss man sich in Bädern und Parks mit den Vögeln herumschlagen, Anträge stellen und auf Abschuss-Ausnahmegenehmigungen warten. Die sollen nicht wieder erst Mitte August kommen, hoffen die Verantwortlichen. Möglichst bald will man in den Morgen- und Abendstunden dem Treiben der Besatzer von Badestrand und Liegewiese über Kimme und Korn ein Ende machen. Doch in der Verwaltung hält man sich vorerst bedeckt, will noch nicht zur Flinte greifen. Im Falle des Kinderhauses denkt man darüber nach, die Nester in den Bäumen zu beseitigen, sobald sie leer sind, doch da muss der Naturschutz erst noch seine Zustimmung geben.
In Bädern und Parks will man verstärkt versuchen, die Tiere zu vergrämen, sie zu verscheuchen und Lärm zu machen. An einen Abschuss, so die Auskunft aus dem Medienteam der Stadt, sei gegenwärtig noch nicht gedacht.
Dabei eskaliert die Situation seit Jahren. Und das aggressive Federvieh zeigt enorme Nehmerqualität, lässt sich weder mit Besenstiel noch mit dem Wasserstrahl vergraulen. Das reine Schwimmvergnügen trübt sich an Hitzetagen durch den Kot der Gänse ein, selbst Chlor und Umwälzanlagen können ihre Wirkung nicht mehr voll entfalten. Gerade in den Kinderplanschbecken kann sich hygienische Gefahr prächtig entwickeln: Bakterien aus der Gattung der Pseudomonaden tauchten bei Schönwetter im Kielwasser der Gänse in so großer Zahl auf, dass das Kinderbecken im Benzbad in vergangenen Jahren zeitweise geschlossen wurde.
Das Kreisjagdamt der Stadt Mannheim ist über die Situation informiert, hat aber offenbar noch keinen Antrag auf dem Tisch. Als zuständige Jagdbehörde hatte sie im vergangenen Jahr zwei Genehmigungen erteilt: Zehn Gänse im Carl-Benz-Bad und im Herzogenriedbad wurden erlegt. In den Parks kam es zum Abschuss von sechs Tieren.
Geprüfte Waidmänner erledigten die Mission. Sie benutzen Schalldämpfer, um die Bewohner in den Häusern der Umgebung durch die Schüsse nicht zu alarmieren. Doch das Problem wächst flugs nach, so die Experten. Nil- wie auch Kanadagänse sind nicht so schnell zu erschüttern. Den Rheinauer See beherrschen die ägyptischen Zuwanderer inzwischen: Ein Pärchen zieht mit einer Flotte von zehn Jungen durchs Wasser. Das Blesshuhn musste einen gewaltigen Verlust hinnehmen: Von seinen acht Jungen blieb ihm eines, alle anderen holten Krähe oder Elster - die trauen sich nicht an die Brut der kräftigen invasiven Nilgans.
Baden-Württemberg ist die letzte Bastion, wo Nil- und Kanadagänse noch unter Schutz stehen. Nun wird auch sie mit dem neuen Jagdrecht fallen. Tierschützer und Jäger wurden sich in Sachen Gänse ausnahmsweise einig. Ab 2016 kann auf Grau-, Kanada-, Nil- und Rostgans im nicht befriedeten Gebiet angelegt werden. Beim Landesjagdverband freut man sich auf schon Brust und Keule: "Das Fleisch aller Gänsearten ist genießbar. Aber nicht nur das: "Es stellt ein besonders hochwertiges Lebensmittel dar. Gesund, wohlschmeckend, aus der Region und von wildlebenden Tieren", wirbt Klaus Lachenmaier, Referent für Natur- und Artenschutz des Verbandes.
Nilgans-Problem
Seit mehr als zehn Jahren entwickelt sich die Population der Nilgänse in freier Wildbahn über die Maßen prächtig. Kein natürlicher Feind, außer vielleicht der Fuchs, ist dem kräftigen und aggressiven Wasservogel gewachsen.
Die zugewanderten Vögel verdrängen zunehmend heimische Arten wie Bless- oder Teichhühner aus ihren angestammten Brutgewässern und stören die Artenvielfalt.
Sie okkupieren die Nester von Krähen oder Wanderfalken-Horste, richten auf Penthouse-Gärten und Balkonkästen ihre Brutstätten her.
Nilgänse sollte man auf keinen Fall füttern, da sie an die Futterstellen zurückkehren. räu
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