Vier Wochen nach dem mysteriösen Doppelmord von Kirschgartshausen und noch immer keine heiße Spur: Trotz der Auslobung einer Belohnung von 5000 Euro für Zeugenhinweise tappen die Fahnder offenbar weiterhin im Dunkeln. Staatsanwaltschaft und Kripo zeigen sich zugeknöpft, schützen ihrerseits durch eine Omertà, eine Mauer des Schweigens, die Ergebnisse der Sonderkommission "Kirschgarten", die seit einem Monat in alle Richtungen ermittelt.
Der 45-jährige Italiener Calogero N. und seine 42-jährige thailändische Lebensgefährtin Rinda T. waren - wie mehrfach berichtet - am Montag, 13. Mai, in der Zeit zwischen 7 und 13 Uhr, auf ihrem Gehöft durch Schüsse buchstäblich hingerichtet worden. Der elfjährige Sohn des Paares und seine Patentante, eine Schwester des Ermordeten, hatten die Leichen in der Küche und im Wohnzimmer gefunden. 60 Beamte durchsuchten danach Haus und Hof, ein Hubschrauber kreiste über dem 1000-Quadratmeter-Grundstück, sondierte aus der Luft das Terrain - doch es fanden sich keine Hinweise. Bei der Durchsuchung der Scheuer soll die Polizei jetzt jedoch Waren zweifelhafter Herkunft entdeckt haben.
Operationsbasis im Jungbusch
In Neustadt wurden die Ermordeten bestattet, dort und im Jungbusch soll der Italiener nach Informationen des RNF Lokale betrieben haben.
Die Heimat der Familie des Italieners liegt jedoch im fernen sizilianischen Küstenort Palma di Montechiaro, wo offenbar vor 25 Jahren auch schon der Vater von Calogero N. Opfer einer Bluttat wurde. Führt die Spur in dieses berüchtigte Dorf? Von dort wanderten vor Jahrzehnten jedenfalls Hunderte von Gastarbeitern als geschlossene Gemeinschaft nach Mannheim ein. Und brachten Mafiatraditionen mit. Anfang der 90er Jahre tobten blutige Familienkriege und Verteilungskämpfe der Sizilianer in den Straßen und Pizzerien der Stadt. Die "Ehrenwerte Gesellschaft" nutzte nach Erkenntnissen der Polizei den Jungbusch von 1989 bis Ende 1995 nicht nur als "Ruheraum", sondern auch als Operationsbasis, Umschlagplatz für Waffen, Versteck für die Cosa-Nostra-Killer aus der Heimat. Italienische Mafiajäger sprachen 1993 von "la rotta della morte tra Mannheim e la Sicilia" - von der Straße des Todes zwischen Mannheim und Sizilien. Fünf Morde gingen mit Sicherheit auf das Konto der verschworenen Gemeinschaft.
Töten im Auftrag
Auf der "pista tedesca", der deutschen Strecke, kam damals der Tod an: Im Januar hob die Kripo eine Bande Italiener aus, die brutal Schutzgeld erpresst hatte, es zeichnete sich ab, dass ein mafioses Spinnennetz die ganze Region überzog. Die Spuren jener Männer, die 1990 den Mafia-Chefermittler Livatino erschossen, führten direkt in den Jungbusch und nach Käfertal, wo es 1991 zu einer Schießerei mit der Polizei kam und ein ganzes Arsenal Waffen auftauchte. Auch als der ehemalige Chef der Polizei von Montechiaro in seiner Heimat von Kugeln durchlöchert wurde, führte die Fährte nach Mannheim. Eine Sondertruppe aus Palermo stöberte im Jungbusch den Kronzeugen Gioacchino Schembri auf, der vor Gericht "auspackte". Mehrmals reiste der legendäre Starermittler Paolo Borsellino nach Mannheim, verhaftete hier große Kaliber, bis er 1992 selbst in die Luft gesprengt wurde. In Mannheim erreichte das Morden 1993 einen Höhepunkt: Sieben Schüsse streckten in der Nacht zum 15. Januar den 39-jährigen Giuseppe Crapanzano nieder. In der Nacht zum 2. Februar wurde der Pizzeria-Wirt Giuseppe Sabia am Neumarkt in der Neckarstadt entführt, im Wald gefoltert und schließlich mit Schüssen ins Gesicht getötet. Mitte Juni verhaftete die Polizei den international gesuchten Waffenbeschaffer Giovanni Buttice, und ein dicker Fisch ging Anfang Oktober in den S-Quadraten im "Tulip" ins Netz. Domenico Pace, auch er tötete zu Hause im Auftrag der Mafia.
Waffenhandel, Mord, Prostitution und Drogenhandel - Mannheim gehörte zu den Brennpunkten der sizilianischen Mafia, stellte der Bundestag im Oktober 1993 fest.
Ende 1995 begann am Landgericht der Prozess gegen den 22-jährigen Rosario Schembri, Bruder des Kronzeugen. Er wurde wegen seines kaltblütigen Fememordes im Jungbusch an seinem Schwager Crapanzano zu 14 Jahren Haft verurteilt. Danach schien die ehrenwerte Gesellschaft ihr Hauptquartier aus Mannheim verlagert zu haben. Es herrschte jedenfalls Ruhe im italienischen Raum, bis nun der Doppelmord wieder blutige Erinnerungen an die "pista tedesca" wachruft.
Für den elfjährigen Sohn der Kirschgartshausener Opfer hat nach einer Reihe von Verhören nun wieder der Schulalltag begonnen, er bleibt in der Obhut von Verwandten.
5000-Euro-Belohnung
Die Polizei sucht in Zusammenhang mit dem Kapitalverbrechen noch immer Zeugen, die am Montag, 13. Mai, zwischen 7 und 13 Uhr, etwas Verdächtiges in der Gegend um das Bauernhaus im Hohen Weg zum Rhein 17 in Kirschgartshausen beobachtet haben.
Die Staatsanwaltschaft hat bereits im Mai eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen.
Zeugen können sich unter Telefon 0621/ 1740 direkt mit der Soko in Verbindung setzen oder sich über ein "vertrauliches Telefon" unter der Rufnummer 0621/ 10 43 43 melden.
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