Stadtarchiv - Zu Weihnachten erscheint die dritte DVD "Mannheimer Filmschätze" mit zehn Beiträgen / Streiflichter aus den Jahren 1926 bis 1975

Frühe Blüten der Event-Kultur

Von 
Susanne Räuchle
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"Wallfahrt der 100 000": Ein Film beleuchtet die Landung des Luftschiffs "Graf Zeppelin" im Jahr 1930 auf dem Flugfeld Neuostheim.

© ISG

"Kraftvoll wie gleißendes Silber schimmert der Riesenleib im Glanze der Herbstsonne" - auf dieser wunderbar schwülstigen Wort-Wolke kommt das Luftschiff "Graf Zeppelin" sicher in Mannheim an und landet sanft im schönsten Sprachplüsch jener Zeit: Das Sensationsereignis mit dem stolzen "Luftriesen" lockte am 19. Oktober 1930 die Massen aufs Flugfeld in Neuostheim, und die "Wallfahrt der 100 000" wurde in bewegten Bildern für die Nachwelt eingefangen. Der Schwarz-Weiß-Streifen zeigt nun 83 Jahre später besondere historische Qualitäten auf der neuen und dritten DVD "Mannheimer Filmschätze", die das Stadtarchiv - Institut für Stadtgeschichte als Jahresgabe für die Freunde des Stadtarchivs zusammengestellt hat.

Zehn Filme aus den Jahren 1926 bis 1975 führen durch ein halbes Mannheimer Jahrhundert mit Glanz und Elend, "hell klingenden Fanfaren" aber auch düsteren Tonlagen. Zur Einstimmung präsentiert die Scheibe erheiternde Bilder von den berühmten Mannheimer Blumenkorsi, wobei insbesondere der Gartenstädter Zug im Jahre 1926 eine frühe Blüte der Eventkultur trieb. Aufwendig gestaltete Märchen-Themenwagen ziehen vorbei, Ekkehard von Hohentwiel oder die Waldfrau feiern Triumphe, auch der geheilte Patient sowie der Postillon auf seinem Kutschbock bringen den ganzen Vorort auf die Beine. 1969 dann der Innenstadt-Korso, der am verkaufsoffenen Sonntag anziehungskräftig durch die Planken paradiert und mit unglaublich aufwendiger Flower-Power einen zeittypischen Akzent setzt.

Alt-Mannheim aus der Luft

Einzigartig sind die Luftaufnahmen, die zur Eröffnung des Flughafens Neuostheim im Jahr 1926 gedreht werden: Die noch unzerstörte Stadt aus der Vogelperspektive, Schloss und Marktplatz, Brücken und Alleen, der Rosengarten als ein Platzbeherrscher, auch die Oststadtvillen in ihrer Herrlichkeit. Beim heutigen Betrachter spult sich da auch Wehmut ab. Ein Privatdokument aus dem Jahr 1938 bringt den Zuschauer dann auf die Schmalspur propagandistischer NS-Vergangenheit: Es dreht sich um die Volksabstimmung am Tag des "Großdeutschen Reichs", es geht um den sogenannten "Anschluss" Österreichs. Und das Vaterland wird in dieser Schicksalsfrage am 10. April zu den Urnen gebeten: Mannheim mit Hakenkreuz-Fahnen über und über beflaggt, das Schloss mit Transparenten zugehängt: "Ganz Deutschland soll es sein!" Auf dem Friedrichsplatz ein Wahl-Tempel in klassizistischer Anmutung, den die Parole krönt: "Ein Volk, ein Reich, ein Führer". Dem gewaltigen Werbefeldzug ergaben sich denn auch die großdeutschen Mannheimer fast widerstandslos. Wahlbeteiligung: 99,6 Prozent, Ja-Stimmen: 98, 3 Prozent, verkündet der Sprecher zu den Bildern, die am Ende des Films sogar bunt flimmern. Es sind bislang die einzig bekannten Farbaufnahmen aus den 30er Jahren, ausgerechnet ein dunkles Kapitel zeigt eine gewisse blasse Buntheit.

Grau in grau dagegen die "Wandlung einer Stadt", mit 29 Minuten der längste Beitrag auf der DVD, ein Langzeitprojekt des Amateurfilmers Willi Behne. Er wandert von 1947 bis 1962 mit seiner Kamera durch die Stadt, dokumentiert das flächendeckende Ausmaß der Zerstörung, nimmt den Zuschauer mit in eine Geisterstadt der Ruinen, führt sie zu den verwüsteten Arkadengängen des Nationaltheaters und baut dann Brücken, fängt Aufbruchstimmung ein auf der neu eröffneten Kurt-Schumacher-Brücke.

Zum Schluss ein Mannheim-Porträt aus euphorischen Bundesgartenschautagen. Eberhard Fingado hat mit zukunftsoptimistischem Blick bahnbrechende Bauwerke ins Bild gesetzt: Das Collini-Center mit seinen 32 Geschossen und 548 luftigen Wohnungen wird als städtebauliches Juwel ebenso gefeiert wie die urbanen Qualitäten der Neckarufer-Nord-Bebauung oder die Herzogenried-Betonburgen mit 6000 Behausungen, in denen sich dann doch keine Wohnträume erfüllten. Das weiß man heute, sieht im Rückspiegel alle Verzerrungen, und entdeckt in allen Irrtümern doch auch noch Komik: eine Geschichtsstunde mit Höhen und Tiefen, aber ohne Längen.

Bestseller: Mannheim-DVD

  • Edition 3: Die neue Zusammenstellung aus zehn historischen Filmen lädt zu einer Zeitreise in die Jahre 1926 bis 1929 ein. Sensationell sind die Luftaufnahmen von 1926.
  • Die Edition 1 mit 14 Filmen der Jahre 1907-1957, darunter dem ältesten Film Mannheims, erschien bereits in der 2. Auflage 2011, Preis: 29,80 Euro, inklusive Booklet.
  • Die Edition 2 mit sieben Filmen der Jahre 1934-1975, u.a. Szenen vom Plankendurchbruch in den Dreißigerjahren, erschien 2009. Preis: 19,50 Euro.
  • Auf der Facebook-Seite des Stadtarchivs haben die Luftaufnahmen von 1926 der neuen DVD-Edition 3 bereits über 20 000 Klicks. räu

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