Mannheim. Seit Beginn der Klimastreiks in Mannheim im Jahr 2019 ist Lena Kamuff bei „Fridays for Future“ dabei. Im Interview mit dem „MM“ spricht sie über den Klimastreik, die Earth Hour am Samstag – und über die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die öffentliche Wahrnehmung der Klimakrise.
Die Klimakrise ist durch den Ukraine-Krieg medial in den Hintergrund getreten. Wie sehr wirft Sie das in Ihren Anstrengungen zurück, auf Klimawandel und Notwendigkeit von Gegenmaßnahmen hinzuweisen, Frau Kamuff?
Kamuff und die Demo
- Lena Kamuff ist 17 Jahre alt und Schülerin.
- Seit Dezember 2020 ist sie Mitglied bei „Fridays for Future“ in Mannheim, macht die Öffentlichkeitsarbeit.
- Der Klimastreik an diesem Freitag, 26. Dezember, beginnt um 16 Uhr im Ehrenhof des Schlosses.
- Anschließend führt der Zug zum Wasserturm, über die Fressgasse, zum Marktplatz und zum Alten Meßplatz zur Abschlusskundgebung.
Lena Kamuff: Über den Ukraine-Krieg muss man jetzt viel reden, das tun wir in unserer Gruppe auch. Es wirft uns nicht so sehr zurück, wie es die Corona-Pandemie getan hat, als wir gar nichts machen durften. Die Klimakrise geht weiter, die Zeit läuft weiter. Das darf angesichts der Ereignisse in der Ukraine für kurze Zeit in den Hintergrund geraten, aber nicht vergessen werden. Die Klimaerwärmung verschwindet ja nicht einfach so.
Haben Sie Sorge, dass die Auswirkungen des Krieges der Zerstörung der Erde Vorschub leisten? Immerhin werden dort Industrieanlagen zerstört, Häuser brennen …
Kamuff: Das ist für uns bedrückend. Auch durch die Rüstungsindustrie entsteht viel CO2. Aber ein Krieg bringt noch viel höheres, direkteres Leid mit sich.
Bewegen sich Ihre Unterstützer weg von „Fridays for Future“ und hin zur Unterstützung von ukrainischen Flüchtlingen?
Kamuff: Bei uns liegt der Fokus immer auf unserer eigenen Arbeit. Aber in der gesamten Bewegung gab es den Fokus hin zur Ukraine, wie wir Betroffene unterstützen können. Wir haben zur Unterstützung von Betroffenen aufgerufen und zu Friedensdemos, auch wenn wir diese nicht selbst organisiert haben. In unserer Ortsgruppe sammeln wir auf der Demo auch Spenden, die an „Fridays for Future“-Aktivistinnen aus Krisengebieten gehen, also in die Ukraine, aber auch nach Afghanistan.
Nach Corona und der Halbleiter-Krise nun ein Krieg mitten in Europa. Die Wirtschaft leidet massiv unter den globalen Herausforderungen, Unternehmen melden vermehrt Kurzarbeit an, die Leute haben Angst um ihre Jobs. Schadet das Ihren doch langfristig ausgerichteten Zielen?
Kamuff: Einerseits schon. Es gibt aber zwei Möglichkeiten, wie man darauf reagieren kann. Strategie eins wäre, mit höchster Priorität die Wirtschaft wieder hochzufahren und genauso weiterzumachen wie vorher. Das wäre überhaupt nicht in unserem Interesse, weil es eben genauso nicht weitergehen kann. Emissionen, die im Lockdown gespart wurden, wurden mit der Erholung der Wirtschaft zum Teil schon wieder freigesetzt. Strategie zwei wäre, die Krisen als Chance zu nutzen, um klimafreundlicher, klimagerechter, mit sozialer Gerechtigkeit und mit mehr Bedacht auf Ressourcen zu agieren.
Wie haben sich die Teilnehmerzahlen von „Fridays for Future“ in Mannheim entwickelt?
Kamuff: Das ist immer unterschiedlich und im ständigen Wandel. Am Anfang der Pandemie sind wir deutlich geschrumpft. Dann kamen richtig viele Neue dazu, die sich im Lockdown mehr mit Klimaschutz beschäftigt haben. Wie es seit Kriegsbeginn ist, kann ich noch nicht sagen, wir hatten seither keinen Streik. In unserem Organisationsteam selbst hat sich nichts verändert.
Was erwarten Sie vom Streik?
Kamuff: Ich erwarte wie immer eine Demo mit friedlicher und motivierter Stimmung. Man wird garantiert auch sehen, dass das Ukraine-Thema den Menschen wichtig ist. Unser Thema ist nach wie vor Klimagerechtigkeit. Das verliert nicht an Bedeutung.
Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie?
Kamuff: Ich kann das nur grob einschätzen, so 1000 vielleicht. Beim letzten Klimastreik zu den Bundestagswahlen waren wir 4500.
Wer wird sprechen?
Kamuff: Bei den zwei Kundgebungen wird es fünf Reden geben: von Vertretern der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, mit der „Fridays for Future“ ein bundesweites Bündnis eingegangen ist, Health for Future, Mannheim Kohlefrei, der Seebrücke und natürlich von uns selbst.
Was erhoffen Sie sich für den Neustart der Demos?
Kamuff: Für uns fühlte es sich gar nicht an wie eine Pause, weil wir immer was zu tun haben. Damals haben wir wöchentlich gestreikt, jetzt nur noch alle paar Monate, dafür aber größer. Wir hoffen, Mehrheiten zu gewinnen, und dass viele Menschen mit uns auf die Straße gehen. Unser Motto ist „People, not Profit“. Denn die Klimakrise kostet vor allem Menschenleben. Die Profite sind der Hauptfaktor, der das Erreichen von Klimagerechtigkeit verhindert. Wir hoffen, dass das in Politik und Unternehmen ankommt und es keine leeren Versprechungen mehr gibt.
Während der globalen Earth Hour wird am Samstagabend in vielen Geschäften und an Sehenswürdigkeiten für eine Stunde das Licht ausgeschaltet. Welchen Effekt haben solche symbolischen Aktionen?
Kamuff: Das ist bei vielen Dingen so, wenn über Klimaschutz geredet wird: Es geht um symbolische oder kleine Sachen. Um sich nur mit Kleinigkeiten zu beschäftigen, haben wir einfach nicht mehr die Zeit. Eigentlich würde es großen Sinn machen, wenn beispielsweise die Geschäfte einfach nachts komplett das Licht ausmachen. Trotzdem finde ich solche Symbole wichtig, und sie haben einen positiven Effekt.
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