Mannheim. Auch, wenn die Zeiten des Autokinos in Friedrichsfeld schon fast drei Jahrzehnte der Vergangenheit angehören: Die Freunde dieses ganz besonderen cineastischen Abenteuers haben sich nie verloren. Wer für diese treue Verbundenheit oder auch die Neugier der nachkommenden Generation noch Beweise braucht, muss nur auf das zurückliegende Wochenende und das wohl bereitete Feld im Benjamin Franklin Village vor der denkmalgeschützten Sports Arena des ehemaligen Militärgeländes blicken. Denn in den vergangenen drei Tagen mochte es regnen, wie es wollte: An jedem Abend folgten dutzende Autos der Einladung der Projektentwicklungsgesellschaft MWSP und standen Schlange, um sich vor der 16 mal acht Meter großen Leinwand von Action-Streifen und Klassenschlagern der Kinogeschichte faszinieren zu lassen.
Nur stilecht mit Sandwich
Den Anfang machte am Freitagabend zur Premiere Jim Jarmuschs Kult-Streifen "Night On Earth", der den historischen Platz auf dem Franklin Field genau in das richtige Licht tauchte. Denn wahlweise mit einem stilechten Pastrami-Sandwich samt selbst gemachter Barbecue-Sauce, knackigem Popcorn oder einer Cola versorgt, mit der Lara's Kantinchen und das Boulderhaus dienten, unterstrich Jarmuschs Leinwand-Abenteuer das amerikanische Flair dieser guten zwei Stunden mit seinem Originalton perfekt. Dabei ist eines von Beginn an klar: Dieser Abend ist gelebte Reminiszenz, kultivierte Nostalgie und eine intensive, wenn auch kurze Renaissance einer geliebten Tradition. Dass Jim Jarmuschs "Night On Earth" seine Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes mitnimmt, um eine skurrile Reise durch die Kontinente anzutreten, ist dramaturgisch unglaublich clever gelöst. Denn während es sich so mancher passionierte Filmzuschauer im Innenraum seines Wagens bequem macht, die Sitze nach hinten stellt und beim kühlen Klima der Nacht den Partner in die Arme schließt, hat die Taxirundfahrt durch die Gemüter dieser Welt längst begonnen. Und auch, wenn der Episodenfilm des Top-Regisseurs schon über 25 Jahre auf dem Buckel hat: Von seiner beeindruckenden Kraft hat er in all der Zeit nichts verloren.
Einmal den Scheibenwischer den Regen der letzten Minuten beseitigen lassen, eine Fuhre Nachschub an Popcorn und Getränken holen - und in Paris feststellen, dass Afrikaner nicht unbedingt von Afrikanern am besten verstanden werden. Zum Finale in Rom über einen verrückt gewordenen Roberto Begnini lachen, der einem Pfarrer so lange vom Sex berichtet, dass er erstickt oder den finnischen Cocktail aus trunkenem Kummer und der Melancholie echt erlebten Leids kosten, um schlussendlich doch wieder in Franklin anzukommen.
Nicht nur für Björn und Veronika Bräutigam aus Mannheim war das ein Hochvergnügen. Bald schon werden sie eine Wohnung auf Franklin ihre Heimat nennen und so nutzte das Ehepaar von Herzen gern "eine tolle Möglichkeit, dieses gemütlich und herzlich gemachte Atmosphäre zu spüren." Auch Virginia Ackermann, die bei der MWSP für die Reihe "Urban Adventures" verantwortlich ist, zeigte sich vor dem letzten Film am Sonntag stolz: "Wir haben zwar betont, dass Autokino wetterfest ist, aber dafür, dass wir die Tickets teilweise bei strömendem Regen ausgeben mussten, sind wir vom Erfolg wirklich überrascht."
Zwar werden Fans autocineastischer Nostalgie in diesem Jahr nicht mehr auf Ihre Kosten kommen. Doch wegen der zahlreichen Besucher am Wochenende denkt die MWSP für 2018 bereits über eine Fortsetzung nach.
Das Autokino auf Franklin
- Mit dem Autokino auf Franklin wollte die Projektentwicklungsgesellschaft MWSP in der Reihe "Urban Adventures" (Urbane Abenteuer) auf die Umwandlung des Konversionsgeländes aufmerksam machen.
- Bei vielen weckte diese Renaissance Erinnerungen an das ehemalige Autokino in Friedrichsfeld.
- Neben "Night On Earth" präsentierten die Organisatoren auch "Get Out", am Samstag waren "Grand Budapest Hotel" und "Alien - The Covenant" zu sehen. Am gestrigen Sonntag beschlossen die "Blues Brothers" das Programm.
- Bis zum Schlussfilm am Sonntagabend hatten bereits mehr als 300 Fahrzeuge das Kino besucht. (mer)
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