Mannheim. Wenn in Mannheim seit diesem Montag das Auto stehen gelassen wird und man für den täglichen Weg zur Arbeit zum Fahrrad greift, dann geht das Stadtradeln in seine neue Runde. Drei Wochen lang radeln Kollegen, Freunde und ganze Schulklassen in Teams fürs Klima um die Wette, frei nach dem Motto: CO2 einsparen, Kilometer sammeln. Besonders zwei Radlern gebührt dabei alle Ehre: Die Stadtradeln-Stars Mike Dieser und Robert Hofmann wollen mit gutem Beispiel vorangehen und die kommenden Wochen vollständig aufs Auto verzichten.
Stadtradeln in Mannheim: „Es ist schnell, es ist Freiheit, es ist Gesundheit“
Dieser war bereits im Vorjahr als Star dabei und ist auch jetzt mit vollem Eifer im Sinne der Mobilitätswende am Start: „Ich möchte Leuten zeigen, dass der Alltag auch mit dem Fahrrad funktioniert.“ Der Nachhaltigkeitsaspekt sei für Dieser dabei ein wichtiger Faktor, aber längst nicht alles, was das Radfahren für ihn ausmache: „Es ist schnell, es ist Freiheit, es ist Gesundheit. Es gibt nichts Schöneres, als im lauen Sommerwind auf den Sattel zu steigen und seine Gedanken zu befreien.“
Drei Stadtradeln-Stars
- Dieses Jahr gibt es drei Stadtradeln-Stars: Denn auch Felix Michalski , der diesen Bericht für den „MM“ verfasst hat, wurde Teil des jetzt Trios .
- Er nutzt den Zeitraum ebenfalls für eine Radtour. Nach seiner letztjährigen Fahrradweltreise nach Nepal , bei der er Spenden für den Bau einer Schule sammelte, geht es in den kommenden drei Wochen vergleichsweise beschauliche 2.000 Kilometer erneut gen Osten nach Moldawien . Die Reise wird er wieder auf YouTube und Instagram unter dem Namen „Golden Goal Biking“ begleiten.
- Das Stadtradeln hat am 23. Juni begonnen und dauert bis 13. Juli. Dabei zählt jeder Kilometer, der mit dem Fahrrad zurückgelegt wird – sei es auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule oder in der Freizeit. Mitmachen können alle, die in Mannheim wohnen, arbeiten, zur Schule gehen oder einem Verein angehören . Die Teilnahme erfolgt in Teams mit Kollegen, Freunden oder der eigenen Schulklasse und ist kostenlos.
- Ziel der bundesweiten Aktion ist es, den Radverkehr und die Lebensqualität in Städten zu fördern , CO₂-Emissionen zu vermeiden und ein Zeichen für nachhaltige Mobilität zu setzen.
- Auch nach dem offiziellen Start ist eine Anmeldung weiterhin möglich . Alle geradelten Kilometer werden über die Stadtradeln-App oder online erfasst. Am Ende werden die aktivsten Teams und Einzelpersonen ausgezeichnet. Mehr Informationen und Anmeldung unter: www.stadtradeln.de/mannheim. red
Auch Hofmann, der sich als Vorsitzender beim ADFC mit geführten Radtouren durch Mannheim schon lange für Fahrradmobilität einsetzt, bläst in dasselbe Horn: „Wenn du Auto fährst, wirst du als Auto wahrgenommen. Wenn du Fahrrad fährst, als Mensch. Ich bin präsent in meiner Realität, zeige mich verletzlich und wecke damit Empathie.“ Das sei der Kern autonomer Mobilität. Außerdem, so Hofmann, „spart man Geld“. Auch als Kurpfälzer solle einem das von einem gebürtigen Schwaben gesagt sein.
Dass sie während des Stadtradelns aufs Auto verzichten werden, ist dabei kein Problem. Während Hofmann bereits vor zehn Jahren sein Auto abgegeben hat, haben Dieser und dessen Familie vor zwei Monaten das Familienauto verkauft. „Zur Schule komme ich mit dem Bus. Das Auto haben wir bisher nie gebraucht“, erzählt Ann-Marie, Diesers Tochter, die er zum Stadtradeln-Medientreffen mitgekommen hat. Selbst zu außerörtlichen Geschäftsterminen schwingt sich Dieser mit Anzug und Krawatte in den Zug und aufs Rad.
In der Debatte um bessere Radwege oftmals als „Bad Guy“ abgestempelt
Beiden ist dabei bewusst, dass sie einen Sonderfall darstellen. Dabei erwarten sie nicht, dass man es ihnen gleichtun müsse - vor allem bei der aktuellen Fahrradinfrastruktur. „In Straßburg gibt es durchgehend zweispurige Radwege, abgetrennt vom Straßenverkehr“, berichtet Hofmann von seiner letzten Radreise nach Südfrankreich. Dabei missfalle ihm, dass man als Radfahrer in Mannheim in der Debatte um bessere Radwege oftmals als „Bad Guy“ abgestempelt werde: „Wir wollen nicht mehr Platz, damit wir mehr Spaß haben, sondern damit nicht so sichere Radfahrer aufs Rad gelockt werden. Das Fahrrad muss attraktiver für alle werden, besonders für Frauen und Kinder.“
Oft helfen bereits die „ganzen kleinen Sachen“: enge Stellen verbreitern, holprige Radwege asphaltieren, fahrradfreundliche Ampelschaltung, Kreuzungen mit Farbe und Pfeilen markieren. Die Kreuzung Lange Rötterstraße/Friedrich-Ebert-Straße sei für Letzteres das beste Beispiel. Symbolisch echauffiert sich Hofmann über die Einweihung der neuen Augustaanlage: Während Oberbürgermeister Christian Specht das Prestigeprojekt einweiht, blockiert im Hintergrund ein Lieferwagen den Radweg. „Statt das Problem an der Wurzel zu packen, macht die Stadt das Nötigste, damit sie fein raus aus der Sache ist und kämpft nur gegen Symptome.“ Das sei sicher anders, wenn man im Rathaus auch mal mit dem Rad fahren würde. Gerade von der Erfinderstadt des Laufrads sei wahrlich mehr zu erwarten.
In der ersten Stadtradeln-Woche fährt er 1.200 Kilometer in sechs Tagen
Im Vergleich zu den Radreisen, für die sich die Stadtradeln-Stars begeistern, sind die täglichen Kilometer zu Einkauf und Arbeit Kinkerlitzchen. Nach seiner Frankreich-Tour fährt Hofmann nun mit seinen Motorradfreunden bei deren alljährlicher Tour in gemütlichem Tempo nach: „Meine Jungs fahren Schleifen, ich meine 60 Kilometer den direkten Weg. Die kennen mich und meine Eigenarten ja“, schmunzelt er.
Dieser legt in Sachen Sportsgeist nochmal eine Schippe drauf. Gemeinsam mit seinem Neffen fährt er in der ersten Stadtradeln-Woche 1.200 Kilometer vom Eibsee an der Zugspitze bis nach Flensburg in sechs Tagen. „Alltagserfahrung ist das nicht mehr“, grinst er. „Aber ich brauche diese sportlichen Herausforderungen.“ Die längste Fahrradstrecke Deutschlands legt er nicht nur für seine persönlichen sportlichen Ambitionen zurück, sondern sammelt beim „Ride across Germany“ Spenden für das Kinderhospiz Sterntaler. Verfolgen kann man die Reise auf Diesers Instagram-Account @miked.70, wo auch Informationen zur Spendenaktion abrufbar sind.
Sowohl Dieser als auch Hofmann merkt man an: Es geht ihnen nicht um ideologiebehaftete Klimaschutzpolitik, sondern um eine höhere Lebensqualität für Mannheimerinnen und Mannheimer. „Die Alternative zum Verbrenner heißt nicht Elektro, sondern Fahrrad und ÖPNV“, sagt Hofmann und schließt sein Plädoyer: „Wir müssen anfangen, Rundverkehr als Chance für die Zukunft zu denken.“ Damit alle von den Vorteilen des Radfahrens profitieren können, braucht es Willen.
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