Mannheimer-Blumenau. Mit einem lauten Klingel-Konzert setzt sich die Gruppe am Tor der Eugen-Neter-Schule in Bewegung Richtung Blumenau: Rund 150 Schüler, Lehrer, Eltern und Freunde der Schule wollen mit ihrer Fahrrad-Demonstration an diesem Morgen ein Zeichen setzen. Sie fordern, dass der Rad- und Fußweg zu ihrem Schulhaus im Alten Frankfurter Weg endlich nach 15 Jahren zähem Ringen umgesetzt wird. Denn das Projekt steht unerwartet unter keinem guten Stern mehr.
Die Radfahrer im Mannheimer Norden haben freie Fahrt auf der Straße, denn die Polizei sichert den Abschnitt der K 9754 zwischen der Blumenauer Unterführung und dem Schulgebäude ab. Doch ohne die Unterstützung der Beamten ist der Weg lebensgefährlich – und genau das ist der Punkt: Die Autos fahren hier recht schnell. Und der bisherige „Schulweg“ befindet sich nur zwei Schritte neben der schmalen Straße ohne Seitenstreifen: ein holpriger, rund 700 Meter langer Trampelpfad.
Schüler nicht verstecken
„Wir werden unsere Schüler nicht im idyllischen Käfertaler Wald verstecken. Sie gehören zu Mannheim. Und deshalb müssen Sie auch irgendwann möglichst selbstständig zur Schule und wieder wegkommen können.“ Für Silvia Challal, Leiterin der Eugen-Neter-Schule, nimmt der Kampf für einen barrierefreien Schulweg kein Ende: Seit 15 Jahren versucht das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum, den Trampelpfad zu einem Fuß- und Radweg umbauen zu lassen.
Ende des vergangenen Jahres war das Projekt auch schon auf dem besten Weg: Bei einem Vororttermin im November hatten sich Stadträte aller Parteien klar für einen sicheren Schulweg ausgesprochen. Und während der jüngsten Haushaltsberatungen wenig später votierte der Gemeinderat dann auch einstimmig für die Herstellung eines Radweges und eines Amphibienleitsystems mit Untertunnelung entlang des Viernheimer Weges – was bei solchen Entscheidungen durchaus selten vorkommt. Die Schulgemeinde zeigte sich überglücklich. Doch eine aktuelle Vorlage der Stadt zeigt plötzlich ein anderes Bild.
In dem Dokument bezeichnet die Verwaltung die „kurzfristige Verbindung der Teilstrecke zwischen Eugen-Neter-Schule und dem Stadtteil Blumenau“ nämlich als „nicht sinnvoll“. Sie weist „nach umfangreicher Prüfung auf die langfristig geplante übergeordnete Radwegeverbindung entlang der K 9754 hin“. Und merkt an, dass ja alle Schüler „kostenfrei zur Schule gebracht werden und wieder abgeholt werden“. „Kostenlos werden alle Schüler in Deutschland zur Schule gebracht, das ist kein Argument“, findet Challal. Auf der Blumenau gehe es um andere, wichtige Dinge: „Um behinderte Kinder, um Partizipation und um Teilhabe. Das geht nur mit einem Schulweg.“
Nicht nur für die Schulleitung, sondern auch für die friedlichen Protest-Radler ist die städtische Vorlage ein Schock. Unter den Demonstranten ist auch Stadtrat Andreas Parmentier (LI.PAR.Tie). Er bezeichnet das Verhalten der Stadt als „Unding“: „Es waren sich doch alle Fraktionen einig!“ SPD-Stadträtin Andrea Safferling zeigt sich ebenfalls betroffen: „Diese Vorlage muss in den Ausschuss gehoben werden, beschlossen ist beschlossen“, besteht Safferling auf eine Erklärung der Verwaltung. Und auch der Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei (SPD) fordert schnelles Handeln: „Für mich ist das nicht nur eine Schulanbindung, sondern auch Sache des Landes. Die Verwaltung muss handeln, hier muss etwas passieren.“ Von der CDU radeln Matthias Sandel und Chris Rihm mit. Rihm hofft, dass die Stadt in puncto Radwegenetz auch „nach Hessen und in andere Stadtteile“ denkt.
Erst in zehn bis 15 Jahren
Die Stadt reagiert auf Anfrage dieser Zeitung wortkarg – und nur mit der Zusendung der aktuellen Informationsvorlage. Darin steht, dass der Viernheimer Weg „eine Radhauptverbindung zur Innenstadt“ darstelle. Zwar sei der rund 1,5 Kilometer lange Ausbau über den Alten Frankfurter Weg in Richtung Lampertheim „sinnvoll“. Denn mit dieser „übergeordneten Radverbindung könnte dann auch die Eugen-Neter-Schüler an den Stadtteil Blumenau angebunden werden“. Die Maßnahme sei allerdings erst in der langfristigen Planung berücksichtigt – und das bedeutet in zehn bis 15 Jahren.
Eugen-Neter-Schule
- Die Eugen-Neter-Schule richtet sich an Schüler, die wegen starker Entwicklungsverzögerungen und Behinderungen den Bildungsgängen in allgemeinen Schulen Mannheims nicht folgen können und individuelle Hilfen benötigen. Sie wurde 1966 als staatliche Schule unter Trägerschaft der Stadt gegründet und ist nach einem jüdischen Kinderarzt benannt.
- Die Schule ist ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (SBBZ). Es ist die größte staatliche Schule in Baden-Württemberg mit diesem Bildungsgang.
- Das Gebäude auf der Blumenau entstand 1907 als Kinderheim der Landmaschinenfabrik Heinrich Lanz (heute John Deere).
- Wer zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule möchte kommt gefahrlos bis ans Ende der Blumenau. An der Unterführung endet der Radweg plötzlich im Gras. Die verbleibenden rund 700 Meter zur Schule sind für Fußgänger und Radfahrer nur über einen schmalen Trampelpfad erreichbar, der nach weiteren 800 Metern ins hessische Lampertheim führt. Einen Seitenstreifen gibt es nicht.
- Die Stadt Mannheim hat den 1,5 Kilometer langen Straßenabschnitt zwischen Blumenau und der Landesgrenze vor vier Jahren erneuern lassen. Der 700 Meter lange Trampelpfad wurde nicht verändert.
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