Mannheim. Bisher waren kaputte Socken oder verdreckte Putzlappen ein klarer Fall für die Restmülltonne. Seit dem 1. Januar gilt jedoch eine neue EU-Richtlinie für die Altkleidersammlung. Demnach sollen alle Textilien getrennt vom herkömmlichen Müll gesammelt werden. Die löchrigen Strümpfe dürfen also nicht mehr in der grauen Tonne landen, sondern sollen extra entsorgt werden. Das Ziel der EU ist, die Nachhaltigkeit zu fördern. Die Textilien sollen bestenfalls weiter verwendet oder recycelt werden.
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Für die Umsetzung der Vorgabe ist als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger in erster Linie die Stadt Mannheim zuständig. Die sieht sich gut gerüstet. Die gesetzlichen Anforderungen seien bereits erfüllt, sagt Stadtsprecher Kevin Ittemann: „In Mannheim werden schon seit vielen Jahren Alttextilien mit stadteigenen Containern, die auch an den Recyclinghöfen stehen, erfasst, um sie anschließend dem Recycling zuzuführen.“ Weitere Schritte seien nicht notwendig, um die laut Ittemann rund 500 bis 600 Tonnen Alttextilien, die in den 115 stadteigenen Containern anfallen, getrennt zu sammeln.
Vor allem Wohlfahrtsverbände stehen vor Herausforderungen
Anders als bei der Stadt stellt die neue EU-Vorgabe aber vor allem die Wohlfahrtsverbände vor Herausforderungen. „Es ist ein Thema, das uns seit einigen Wochen extrem beschäftigt“, sagt Stefanie Paul, Geschäftsführerin des Secondhand-Kaufhauses „Fairkauf“ auf dem Waldhof, das eine hundertprozentige Tochter des Caritasverbandes Mannheim ist. 50 Container des Kaufhauses stehen im Norden der Stadt. Vergangenes Jahr seien in den Behältern rund 250 Tonnen Altkleider zusammengekommen, so Paul.
Diese gilt es, in brauchbare und unbrauchbare Textilien zu sortieren. „Das, was aus den Containern kommt, ist schätzungsweise zu 90 bis 95 Prozent Ausschuss“, führt Paul aus. Die noch brauchbaren Klamotten kommen in den Verkauf. „Was nicht mehr brauchbar ist, geben wir an einen Wiederverwerter, der das recycelt. Dann werden Putzlappen oder Dämmstoffe daraus gemacht“, erklärt Paul.
„Damit machen wir eigentlich schon, was die EU-Verordnung verlangt“, sagt sie. Die Umsetzung der Richtlinie ist also nicht das Problem. Vielmehr sieht Paul jedoch wachsende Berge von Textilabfällen auf sich zukommen. Bereits jetzt seien die Mengen für die Mitarbeiter kaum noch stemmbar. Das Personal deswegen aufzustocken, sei nicht leistbar, was auch mit einem anderen Problem einhergeht. „Der Ankaufspreis für alte Textilien ist von 2024 auf 2025 um 50 Prozent pro Tonne gefallen. Die kriegen wir damit weniger“, erläutert Paul. Geld, das fehlt, um die zu erwartbaren höheren Mengen an Altkleidung besser bewältigen zu können.
Durch die neue Vorgabe könnte sich die Situation weiter verschlechtern. Es bleibe abzuwarten, wie sich die EU-Richtlinie auf die Marktpreise auswirkt, sagt Stadtsprecher Ittemann, der Pauls Ausführungen bestätigt: „Aktuell kommt es hier bereits vermehrt zu Herausforderungen aufgrund drohender Insolvenzen von Alttextil-Verwertern und Schwierigkeiten auf den bisherigen Absatzmärkten.“ Der Stadtraumservice müsse deswegen mit schlechteren Ausschreibungsergebnissen bei Vergaben für die Verwertung von Alttextilien rechnen.
„Wir machen das, um Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn es gut läuft, ist es ein Nullsummenspiel“, betont Paul und verweist darauf, dass es sich bei dem Kaufhaus um einen Inklusionsbetrieb handelt. „Solange wir die Gehälter zahlen können, ist die Sache erledigt. Wir wollen kein Geld damit verdienen“, sagt sie und schiebt hinterher: „Andere aber schon.“ Paul spricht vorsichtig von „semi-legalen“ Altkleidersammlern. „Da sie auch schlechtere Preise bekommen oder ihre Sachen teilweise gar nicht mehr loswerden, stellen sie die einfach vor die Container der anderen.“ Und somit auch vor die Sammelbehälter des „Fairkauf“. Das wiederum bedeutet mehr Arbeitsaufwand für das Personal.
Doch nicht nur das sorgt für Unmut bei Paul, sondern auch die in ihren Augen unverständlichen Verhaltensweisen einiger Menschen. So landet nicht nur Altkleidung in den Containern. Paul erzählt auch von Hundekotbeuteln, Müll, Altglas und vollgekoteter Unterwäsche. „Selbst wenn jemand mit bester Intention etwas reinwirft, was noch brauchbar ist, passiert es oft, dass Säcke nicht gut verschlossen und die Sachen dann kontaminiert sind“, schildert Paul. Die an sich noch gut erhaltenen Textilien landen somit also beim Wiederverwerter anstatt im Laden.
Ein Problem, das auch Simon Deutesfeld, Leiter Second Hand und Kleidercontainer beim DRK (Deutsches Rotes Kreuz) Mannheim, kennt: „Leider beobachten wir seit längerem, dass unsere Kleidercontainer immer häufiger als Mülltonnen missbraucht werden.“ Elf Container stellt das DRK an privaten Stellflächen in der Stadt, in denen eigentlich ausschließlich brauchbare Kleidung und Schuhe gesammelt werden. „Für textile Abfälle, Lumpen, abgelaufene Schuhe etc. stehen unsere Kleidercontainer nicht zur Verfügung“, betont Deutesfeld aber.
Zudem betreibt das DRK Mannheim zwei Secondhand-Shops, wo Altkleidung abgegeben werden kann. „Aus den Erlösen der Textilverwertung finanzieren wir die ehrenamtliche Arbeit unserer Ortsvereine sowie verschiedene soziale Projekte und Angebote in unserem Kreisverband“, erläutert Deutesfeld.
Brauchbare Kleidung am besten direkt in den Läden abgeben
Wer es gut mit der Wiederverwertung von Altkleidern meint, dem rät Stefanie Paul, die brauchbaren von den unbrauchbaren Textilien getrennt in Säcken zu sammeln. Vor allem Kleidung, die noch gut in Schuss ist, sollte direkt bei Secondhand-Läden, Kleiderkammern oder der Obdachlosenhilfe abgegeben werden. „So werden diese Textilien gar nicht erst verunreinigt“, erklärt sie. Im „Fairkauf“ könne separat auch die Ausschussware abgegeben werden.
Was ist aber nun mit den löchrigen Socken? „Stark zerschlissene, verdreckte oder anderweitig kontaminierte Textilien sind weiterhin über die Restmülltonne zu entsorgen“, rät etwa die Deutsche Kleiderstiftung in einer Mitteilung. Stadtsprecher Ittemann meint dagegen, dass Altkleider zwar nicht in Abfallbehälter gegeben werden dürfen.
Sollten sich die Bürgerinnen und Bürger aber nicht daran halten, bleiben Konsequenzen in den meisten Fällen wohl aus: „Eine Kontrolle ist jedoch schwierig bis kaum leistbar“, sagt Ittemann. Dies sei übrigens auch bei den anderen Müll- und Tonnenarten der Fall. „Wo kein Kläger, da kein Richter“, sagt Stefanie Paul dazu. „Ein Paar Socken im Monat werde auch ich weiter im Restmüll entsorgen.“
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