Ein indischer Delegierter betritt den Rasen. „Is it here?“, fragt er ungläubig. Ja, hier im Seppl-Herberger-Stadion am Alsenweg wird nächstes Jahr die Tauzieh-WM ausgetragen. Gefällt dem Mann das Spielfeld nicht? Doch, doch, es sei sehr gut – noch, lacht er. „It will be spoiled!“
Der Platzwart hat nicht mitgehört, dass der Rasen danach ruiniert sein soll. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt einigen Delegierten, die mit dem Spaten ein Loch ins Gras buddeln und mit der Hand weitergraben – zum Glück nur hinter dem Tor.
„Die Beschaffenheit des Rasens ist für die Taktik der Teams sehr wichtig“, erläutert Corsin Wörner, Sportdirektor vom Deutschen Rasenkraftsport- und Tauzieh-Verband (DRTV). Danach richte sich etwa, ob man gut gleich mit allen Kräften ziehen könne oder besser erstmal die Gegner machen lasse.
Mit 380 Aktiven in 25 Vereinen ist Tauziehen in Deutschland eher kein Volkssport. Umso bedeutender, dass die WM von 12. bis 15. September 2024 erstmals hierzulande stattfindet. Das ist vor allem Ralf Bräuninger zu verdanken. Der DRTV-Vizepräsident kommt aus Reilingen. Weil er auch Präsident des Europäischen Dachverbands sowie Mitglied des internationalen Komitees ist, hatte er Mannheims Bewerbung eingefädelt. Bei der Vergabe konnte sich die Stadt 2019 gegen die chinesische Millionen-Metropole Quzhou und Malmö in Schweden durchsetzen.
Stadt zahlt SVW neuen Rasen
Für Mannheim spreche neben seiner zentralen Lage auch sein guter Ruf als Sportstadt, so Bundestrainer Thomas Kaltenbach. Er sei öfter hier, wenn er Bräuninger in Reutlingen besuche, treffe auch mitunter Aktive vom ASV Ladenburg oder frühere Tauzieher von der Bergstraße. „Ich freue mich sehr auf die WM hier!“
Bräuninger spricht von einer „Win-Win-Situation“ auch für den SV Waldhof: dem bezahle die Stadt danach einen komplett neuen Rasen. Diese Zusage gebe es, bestätigt Jugendleiter Matthias Findeisen. Er habe auch den Platzwart schon mal vorgewarnt, „dass die heute mit dem Spaten kommen“. Mitte September laufe die Saison zwar schon wieder auf Hochtouren. Aber im Seppl-Herberger-Stadion spielten ja nur die U23 und die U19. Das könne man bei den Spielplänen berücksichtigen.
Die Tauzieh-Teams benötigen am Alsenweg auch die Herbert-Lucy-Halle zum Wiegen, bei der WM wetteifern Männer und Frauen in unterschiedlichen Gewichtsklassen. Insgesamt werden rund 1500 Aktive aus etwa 30 Ländern erwartet. Hinzu kommen laut Wörner aus dem Ausland auch einige Hundert Fans.
Drei Tage lang macht sich das internationale Komitee nun – wie vor jeder WM – vor Ort selbst ein Bild. Offiziell begrüßt hat es am Freitagmorgen Sportbürgermeister Ralf Eisenhauer. In seinem auf Englisch gehaltenen Grußwort (Tauziehen heißt etwas martialisch „tug of war“, also quasi „Zieh-Krieg“) weist er auch darauf hin, dass die Stadt gerade ja schon ein Großereignis organisiere: die „National Garden Show“.
Auf der Bundesgartenschau gibt es auch einen Vorgeschmack auf die WM. Am Samstag, 19. August, kommen rund 400 Jugendliche aus fünf Nationen zum bedeutendsten internationalen Jugendturnier, das größte Sport-Event auf der Buga. Nach den Eindrücken von Freitag aus dem Seppl-Herberger-Stadion wird auch interessant, wie das Multifunktionsfeld auf Spinelli danach aussieht. Um mit dem indischen Delegierten zu sprechen: „Will it be spoiled?“
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